Immer mehr schließen sich Protesten gegen Militärputsch in Myanmar an
Die Proteste gegen die Putschisten in Myanmar breiten sich weiter aus. Nach den Großdemonstrationen vom Wochenende kam es am Montag erneut in zahlreichen Städten zu Massenkundgebungen. Dabei setzte die Polizei in der Hauptstadt Naypyidaw auch Wasserwerfer ein, wie auf Fotos zu sehen war, die in Sozialen Netzwerken verbreitet wurden. Dabei soll es auch Verletzte gegeben haben.
Die Demonstranten forderten die Wiedereinsetzung der zivilen Regierung unter der früheren Freiheitsikone Aung San Suu Kyi. Die 75-Jährige hatte die Parlamentswahl im November klar gewonnen und war für eine zweite Amtszeit bestätigt worden. Vor einer Woche hatte das Militär sie zusammen mit zahlreichen Spitzenpolitikern in Gewahrsam genommen. Seither regiert in dem südostasiatischen Land nach zehn Jahren wieder eine reine Junta, die einen einjährigen Ausnahmezustand ausgerufen hat. Suu Kyi soll unter Hausarrest stehen, wurde aber seit dem Putsch nicht mehr gesehen. Berichten zufolge soll sie angeklagt werden.
Eine Großdemonstration gab es am Montag in der nördlichen Großstadt Mandalay. Die Teilnehmer hielten Bilder von Suu Kyi in den Händen, andere trugen durchgestrichene Fotos des Generals Min Aung Hlaing, der nach dem Putsch vor einer Woche die Macht übernommen hatte. "Schäm Dich, Diktator", war darauf zu lesen. Auch in der größten Stadt Yangon (Rangun) gingen erneut viele Menschen auf die Straße und forderten die Freilassung der politischen Führung und die Rückkehr zur Demokratie. An der Spitze der Bürgerbewegung marschierte eine Gruppe von Mönchen in safranfarbenen Gewändern. Wie bereits am Wochenende dominierte bei den Kundgebungen die Farbe Rot - in Anlehnung an die Farbe von Suu Kyis Partei Nationale Liga für Demokratie (NLD). In Mandalay waren laut Kathpress der katholischer Erzbischof Marco Tin Win und viele Priester unter Demonstranten.
Währenddessen verbreitete das Staats-Fernsehen am Montag eine Warnung: Die Demokratie könne auch zerbrechen, wenn keine Disziplin herrsche, hieß es in einem Ticker, der während des regulären Programms im Sender MRTV eingeblendet wurde. "Legale Maßnahmen" sollten ergriffen werden gegen diejenigen, die der Stabilität des Staats, der öffentlichen Sicherheit und der Rechtsstaatlichkeit schadeten. "Gesetzlose Übeltäter" sollten "beseitigt werden". Es war das erste Mal, dass von staatlicher Seite öffentlich auf die Proteste reagiert wurde. Anschließend wurde der Text auch in einem Netzwerk des Militärs verlesen.
Bereits am Wochenende hatten nach Augenzeugenberichten Zehntausende Demonstranten gegen die Militärs protestiert. Während der früheren fast 50 Jahre dauernden Militärdiktatur hatte die Armee Widerstand mit brutaler Gewalt unterdrückt. Die Befürchtungen einer Eskalation nehmen zu. "Wir erwarten dies", sagte ein Aktivist, "aber wir können nicht stoppen, es gibt keinen Weg zurück." In Myanmar waren erst vor zehn Jahren zaghaft demokratische Reformen eingeleitet worden. "Dies ist mehr als eine nationale Krise, unsere Hoffnungen und unsere Zukunft werden gestohlen", betonte der 24-Jährige. Mit Ausnahme der letzten zehn Jahre hatten sich ab 1962 Militärregierungen in Myanmar (Burma) abgewechselt.
Die Proteste vom Wochenende waren bisher die größten seit der "Safran-Revolution", die 2007 von buddhistischen Mönchen angeführt wurde. Der Aufstand trug dazu bei, demokratische Reformen anzustoßen, die nun durch den Putsch vom 1. Februar wieder zunichtegemacht wurden. 2007 und schon zuvor 1988 waren Proteste gewaltsam niedergeschlagen worden.
Unterdessen haben prominente Aktivisten zu einem landesweiten Generalstreik aufgerufen. Die Bewegung des zivilen Ungehorsams (Civil Disobedience Movement) rief in Sozialen Netzwerken die Bevölkerung auf, sich dem Widerstand anzuschließen. "Geht nicht ins Büro, geht auf die Straße", schrieb die Bewegung.
Nach Angaben der britischen Organisation Netblocks, die weltweit Internetsperren dokumentiert, ist der Zugang zum Internet in Myanmar inzwischen wieder weitgehend hergestellt, jedoch seien Soziale Netzwerke weiterhin gesperrt. Die Regierung hatte nach dem Putsch zuerst Facebook sperren lassen. Daraufhin waren die Demonstranten in den vergangenen Tagen größtenteils auf andere Soziale Netzwerke wie Twitter und Instagram ausgewichen, um sich zu organisieren. Seit Samstag waren diese beiden Plattformen in Myanmar auch nicht mehr zugänglich.
Papst Franziskus forderte am Montag die sofortige Freilassung Aung San Suu Kyis. Suu Kyi müsse "umgehend freigelassen werden als ermutigendes Zeichen für einen ehrlichen Dialog zum Wohl des Landes", sagte er beim Jahresempfang für die beim Heiligen Stuhl akkreditierten Botschafter im Vatikan. Franziskus kritisierte, der Putsch in Myanmar habe den Weg der Demokratisierung der vergangenen Jahre in dem Land "jäh unterbrochen". Bereits beim Mittagsgebet am Sonntag hatte der Papst sich besorgt zur Lage in Myanmar geäußert und eine Rückkehr zur Demokratie gefordert. Franziskus hatte das Land 2017 selbst besucht.