Imamoğlu: Lösungsorientierter Shootingstar
„Die Ära der Spaltung ist vorbei“, rief Ekrem Imamoğlu seinen Anhängern nach seiner Wahl in Istanbul zu. „Ich werde mit Leib und Seele daran arbeiten. Ohne zu unterscheiden, ohne zu diskrimieren, werde ich arbeiten“, versprach der 49-jährige Familienvater, der Bürgermeister aller 16 Millionen Istanbuler sein will. Wer ihm schon begegnet ist, erzählt von seiner Ausstrahlung, seiner Herzlichkeit. Ihm falle es nicht schwer, auf Menschen zuzugehen, sie in den Arm zu nehmen, wird erzählt.
Fromm
Es passt also zu ihm, dass Imamoğlu von der beginnenden „Zeit der Brüderlichkeit, der Liebe und des gegenseitigen Respekts“ spricht. Zumal der Politiker der oppositionellen CHP – wie Präsident Erdoğan auch – aus einer frommen Familie der konservativen Schwarzmeerregion stammt. Imamoğlu fastete im Ramadan wie schon in den vergangenen gut 40 Jahren auch. Angesichts der Vorbehalte konservativer Türken gegenüber der säkularen Ausrichtung der CHP zeigte er sich auch demonstrativ beim Gebet. Medienwirksam feierte er jeden Abend das Fastenbrechen in und mit einer anderen Familie in der Bosporus-Metropole, am Schluss dann mit seiner Großfamilie, in der Frauen mit kurzen Röcken ebenso vertreten sind wie welche mit Kopftuch. So bunt ist auch seine Wählerschaft.
Zuwanderer
Aufgewachsen ist der heutige Shootingstar der türkischen Politik im Istanbuler Stadtteil Beylikdüzü, wo viele religiöse und konservative Zuwanderer der Schwarzmeerküste wohnen. Dort wurde er 2014 zum Bezirksbürgermeister gewählt und errang bald den Ruf als lösungsorientierter Politiker. Erdoğan wird den jungen Rivalen ernst nehmen.