Politik/Ausland

Gaza-Krieg löst antisemitische Welle aus

Tag 13 war der blutigste Tag", schrieb die Washington Post. Mehr als 100 Palästinenser wurden am Sonntag durch israelische Angriffe aus der Luft und am Boden getötet. 13 Soldaten kamen nach Informationen des israelischen Militärs (IDF - Israel Defense Forces) während der ausgeweiteten Bodenoffensive im Gazastreifen ums Leben. Tausende mussten aus ihren Häusern fliehen und konnten nur noch in Gebäuden der Vereinten Nationen Zuflucht finden. Eine für zwei Stunden angesetzte Waffenruhe wurde in ein paar Minuten wieder gebrochen. Man habe "auf Beschuss der Hamas" reagiert und "zurückgeschossen", sagte ein Militärsprecher.

Während Medien über steigende Opferzahlen, internationalen Bemühungen und gescheiterten Verhandlungen berichten, gehen Menschen in Europa auf die Straßen. Die Demonstrationen gegen die israelische Offensive im Gazastreifen gehen dabei nicht immer so friedlich zu wie in Wien (siehe unten). In Paris verwüsteten Jugendliche Ämter und Läden, in Berlin skandierten Demonstranten antijüdische Parolen und am Bospurus hielt man sich an den türkischen Ministerpräsident Tayyip Erdogan. Dieser hatte Israel vorgeworfen, Hitler in Sachen Barbarei übertroffen zu haben.

Ein Überblick über die Protestwellen in Österreich, Frankreich, Deutschland und Türkei.

Was sich am Montag im Nahen Osten zugetragen hat, sehen Sie hier.

Stolz steht das kleine Mädchen neben seinen Eltern, auf ihrem Kopf ein grünes Stirnband der Hamas.

Am Sonntag hatte die Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) in Wien zur Demo gegen den Krieg im Gazastreifen aufgerufen – auf den ersten Blick wirkte es wie ein Familienausflug. Während anderswo Steine flogen, ging es in Wien gemütlicher zu, harmlos waren manche Parolen aber nicht. "Kindermörder Israel" stand auf Plakaten oder "Nazi Israel" samt Davidstern und Hakenkreuz. Junge Teilnehmer riefen "Intifada", am Heldenplatz wurden blutige Leichentücher präsentiert.

Eine bedenkliche Entwicklung, findet Raimund Fastenbauer, Generalsekretär der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG): "Die Zahl der antisemitischen Vorfälle steigt leider", sagt Fastenbauer. Wurden 2011 vom IKG-nahen "Forum gegen Antisemitismus" 71 Vorfälle gezählt, waren es 2013 schon 137.

Die Verdoppelung der Fälle sei auf den steigenden Antisemitismus junger Muslime zurückzuführen, sagt Fastenbauer: "Wir vermissen hier das Gegensteuern der muslimischen Organisationen."

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Auch im Internet wurden rund um die Demos vermehrt Hetz-Postings verfasst, berichtet die Anti-Rassismus-Plattform ZARA. "Einige im strafbaren Bereich. Hier müsste die Staatsanwaltschaft aktiv werden", sagt ZARA-Chefin Claudia Schäfer.

"Die hetzerischen Postings stören mich sehr", sagt Fuat Sanac, Präsident der islamischen Glaubensgemeinschaft. "Antisemitismus ist wie Anti-Islamismus abzulehnen." Man müsse aber zwischen Glauben und Politik differenzieren. Die Wiener Grünen legen sich fest: "Ich will keine antisemitischen Demos in der Stadt haben", sagt Landesgeschäftsführer Georg Prack. Diese Demonstranten stünden für ihn auf einer Stufe mit rechtsextremen Gruppierungen.

"Diskriminierung aufgrund der Religion oder der Herkunft hat in unserer Stadt keinen Platz", sagt die für das Zusammenleben zuständigen Stadträtin Sandra Frauenberger. "Wir müssen gegen Antisemitismus auftreten, egal von welcher Seite er geschürt wird."

Bis vergangenen Sonntag konnte man den Führungspersönlichkeiten der organisierten, propalästinensischen Solidaritätsbewegung in Frankreich meistens zugutehalten, dass sie antijüdische Übergriffe effektiv verhindern wollten. Etwa jene, zu denen es am Rande ihrer ersten Groß-Demonstrationen in Paris (etwa 15.000 Teilnehmer) am Samstag vor einer Woche gekommen war. Damals waren einige hundert Demonstranten ausgeschert, um zwei Synagogen anzugreifen. Vor einer der ersten Synagogen scheiterten sie an einem Polizeikordon. Bei der zweiten Synagoge, in der sich zu diesem Zeitpunkt zahlreiche Gläubige versammelt hatten, kam es zu einem kurzen Zusammenstoß mit jüdischen Jugendlichen. Dann schritt auch dort die Polizei ein und riegelte die Straße ab.

Aber diesen Sonntag wurde eine Palästina-Kundgebung ausgerechnet und ausschließlich in Sarcelles angesetzt. Das ist unter den hunderten Gemeinden des volkstümlichen, nördlichen Pariser Vorortegürtels jene Trabantenstadt, in der die meisten Juden leben. Seit den 1960er Jahren hatten sich dort und in der Nachbarstadt Garges, in mehreren Wellen, Juden aus Tunesien und Algerien angesiedelt, und eine bis heute sichtbare Gemeindestruktur aus Synagogen, Kindergärten, Sozialzentren, koscheren Imbiss-Stuben und Lebensmittel-Läden errichtet. Das hatte Sarcelles bei den französischen Juden den Ruf eines „Klein-Jerusalem“ eingebracht.

Berücksichtigt man die aufgeladene Stimmung unter einem Teil der muslimischen Jugend, waren die Exzesse in Sarcelles am Sonntag daher quasi vorprogrammiert: kaum war die – von den Behörden verbotene, aber schließlich tolerierte – eigentliche Kundgebung beendet, stürmten einige hundert Teilnehmer in Richtung der nächst gelegenen, größten Synagoge. Von der Polizei abgedrängt, verwüsteten sie Ämter und Läden, darunter ein Bistro, in dem christliche Einwanderer aus dem Irak („Chaldo-Assyrer“) verkehren, und einen koscheren Supermarkt. Dieses Geschäft war bereits 2012 zum Ziel eines missglückten Sprengstoff-Anschlags geworden. Die Täter, eine Dschihadistenzelle, konnten später ausgeforscht werden.

„Psychologische Erschütterung“

„Schlimmer als die Verwüstungen ist die psychologische Erschütterung“, sagt der sozialistische Bürgermeister von Sarcelles, Charles Pupponi: „Es ist der Schock über den Hass der Jugendlichen aus einigen Vierteln, der von Manipulierern angeheizt wurde, indem sie die Synagoge zur Zielscheibe erklärten“. Tatsächlich waren Jugendliche und Halbwüchsige aus umliegenden Bauten auf die Straße gerannt, um sich dem unter ihren Fenstern vorbeilaufenden Pulk der Angreifer (die aus dem gesamten Vorortegürtel nach Sarcelles gekommen waren) anzuschließen. Dabei galt Sarcelles bisher ein halbwegs funktionierendes Beispiel von gegenseitiger Akzeptanz zwischen arabisch- und afrikanisch-stämmigen Muslimen, Juden, christlichen Irakern und Familien aus den französischen Karibikinseln.

Die sozialistische Staatsführung, die die zweite Solidaritätsdemonstration für die Palästinenser in Paris letzten Samstag verbieten ließ (sie fand trotzdem anfänglich statt und mündete ebenfalls in Ausschreitungen), sieht in den Vorfällen von Sarcelles eine Bestätigung für ihre Verbotsstrategie.

Ebenfalls am Sonntag, anlässlich einer Gedenkzeremonie für die Großrazzia unter den Pariser Juden 1942 (unter der NS-Besatzung und dem Kollaborationsregime), warnte Premierminister Manuel Valls: „Wir dürfen die neue Form des Antisemitismus nicht leugnen, die sich unter einer Jugend ohne Anhaltspunkte und Geschichtskenntnisse entwickelt und hinter einer Fassade des Anti-Zionismus verbirgt.“ In eindringlichen Erklärungen, die von sämtlichen TV-Sendern übertragen wurden, unterstrichen sowohl Valls als auch Staatspräsident Francois Hollande neuerlich ihre Entschlossenheit, „jede Äußerung von Antisemitismus und Rassismus“ zu unterbinden.

Am Montag versammelte Präsident Hollande Spitzenvertreter aller Religionen zu einer Krisensitzung. Danach traten der Vorsitzende des jüdischen Kultusrats und der Rektor der Pariser Großmoschee Seite an Seite auf, um den Antisemitismus zu verurteilen.

Zermürbende Anpöbelungen

Die französischen Juden zweifeln im Allgemeinen nicht an diesen Beteuerungen der meisten Spitzenpolitiker, sie ermessen aber deren relative Hilflosigkeit. Zermürbend wirken vor allem die Anpöbelungen, Drohungen und Tätlichkeiten, denen Juden in volkstümlichen Vierteln immer wieder ausgesetzt sind. Auf Grund der Einwanderung aus Nordafrika ist Frankreich das Land mit den meisten Juden Europas (rund eine halbe Million, Zahl abnehmend) und Muslimen (rund sechs Millionen, Zahl ansteigend). Beide Gruppen leben teilweise noch Tür an Tür. Wobei die antijüdischen Übergriffe fast ausschließlich von Jugendlichen aus muslimischen Familien oder solchen, die kürzlich zum Islam konvertiert sind, verübt werden.

Die Juden registrieren auch eine zusätzliche Steigerungsstufe auf der Gefahrenskala, seit klar geworden ist, dass es zwischen diesen gelegentlichen Peinigern aus der näheren oder weiteren Umgebung und dschihadistischen Attentätern Querverbindungen und wechselseitige Einflussnahme geben kann. Das gilt vor allem seit dem Überfall von Mohammed Merah auf eine jüdische Schule in Toulouse im März 2012. Der Franko-Algerier Merah, der in Frankreich aufgewachsen war, und später zur „Al Kaida“ stieß, erschoss in Toulouse drei Kinder und einen Lehrer aus nächster Nähe (In den Tagen zuvor hatte Merah zwei Soldaten getötet. Nach den Morden in der jüdischen Schule wurde er von der Polizei in einer Wohnung gestellt und kam nach einer längeren Belagerung bei einem Feuergefecht ums Leben). Als Reaktion auf diese Morde gab es zwar einen nationalen Schulterschluss in Frankreich: der damalige Wahlkampf legte eine Pause ein, während der sich sämtliche Spitzenpolitiker zu einer Trauerkundgebung versammelten. An allen Schulen Frankreichs wurden Bedenk-Stunden anberaumt. Aber in der Folge kam es zu einem deutlichen Anstieg der Drohungen und Handgreiflichkeiten gegen Juden, so als hätte Merah eine Art Beispielwirkung ausgeübt.

„Zerfallende Welt“

Bei den Tätern handelt sich zwar um eine Minderheit, die von muslimischen Würdenträgern verurteilt und bekämpft wird. Aber diese bedrohliche Minderheit, die vielfach an der Schnittstelle zwischen Kriminalität und religiösem Radikalismus steht, dürfte gerade in Frankreich auf absehbare Zeit zunehmen: nähren sich diese Strömungen doch auch aus den Folgen der hohen Jugendarbeitslosigkeit (23 Prozent im Landesschnitt und etwa doppelt so hoch in den Krisenvierteln der Vorstädte). „Identitätsprobleme, Wirtschaftskrise – man kann immer Begründungen für Hass finden“, sagt die Vorsitzende der jüdischen Institutionen im Raum Marseille, Michèle Teboul: „Aber wir sind nicht bereit, einer zerfallenden Welt als Sündenböcke zur Verfügung zu stehen“.

"Juden ins Gas!", skandierten Demonstranten in Gelsenkirchen und Bochum, "Jude, Jude, feiges Schwein", die in Berlin auf dem zentralen Kurfürstendamm. In Bremen wurde ein Passant, der zu Mäßigung aufforderte, niedergeschlagen. In der Hauptstadt bedrohten die Demonstranten zwei an ihrer Kippa kenntliche Israelis, die vor dem Hamas-Raketenbeschuss geflüchtet waren. Die Polizei musste die beiden beschützen.

Vor allem in Berlin demonstrieren derzeit fast täglich bis zu 1500 meist jugendliche Araber und laut Polizei auch Türken, die sie als "aggressiv" einstuft.

"Seit der Nazizeit wurden in Deutschland nicht mehr solch judenfeindliche Parolen öffentlich gegrölt wie bei diesen arabischen Demos", fand der Tagesspiegel und kritisierte: "Die Berliner Polizei unternahm nichts."

Was nicht ganz stimmt: Sie war mit Hunderten Beamten rechtzeitig vor Ort, sperrte die Zugänge zu nahen Synagogen und jüdischen Schulen und zu einer Israel-Unterstützer-Demo. Ein Auflösen der nicht angemeldeten Demonstrationen fand aber nicht statt und schon gar nicht die strafrechtliche Verfolgung der Gröler. In Frankfurt sandte die Polizei aber überhaupt nur einen Streifenwagen, weshalb sich mehr Menschen bedroht fühlten.

Die wenigen deutschen Teilnehmer sind fast nur Linksradikale, in Berlin auch Funktionäre der Landespartei der kommunistischen "Linken". Ihre gegen die NPD übliche Taktik, mit vielfacher Übermacht deren – rechtsgültig angemeldeten – Aufzüge zu bedrohen und damit zu ersticken, wendet die deutsche Linke bei den Arabern nicht an. Auch blieb bisher jede Empörung der in Berlin großen linksgrünen Szene aus, die im Wahlkampf bei der Euro-kritischen Partei "Alternative für Deutschland" rechtsradikales Gedankengut ausgemacht hatte.

Empörte Reaktionen aus anderen Parteien auf die Israel- und Juden-Hasser-Demonstrationen fehlen. Nur die Presse reagierte bisher.

Israels Offensive im Gazastreifen hat in der Türkei heftige Proteste ausgelöst – und den in Teilen der Gesellschaft vorhandenen Antisemitismus offengelegt. Die Schlagersängerin Yildiz Tilbe kommentierte nach Beginn der Gaza-Aktion auf Twitter, Hitler habe zu wenig gegen Juden unternommen: "Wie recht der Mann hatte." Sie hoffe, dass nun die Muslime "diesen Juden das Ende bereiten werden". Mit der jüdischen Minderheit in der Türkei habe sie keine Probleme, schob sie rasch nach, als ihr Twitter-Beitrag für eine Welle der Empörung sorgte.

Tilbe ist nicht allein. Die islamistische Zeitung Yeni Akit machte Hitler zum Thema ihres Kreuzworträtsels. Die richtige Lösung des Rätsels unter einem Bild des Nazi-Diktators lautete: "Wir suchen dich."

Bei Protestkundgebungen vor dem israelischen Generalkonsulat in Istanbul riefen die Demonstranten unter anderem: "Gruß an Hamas, weiter mit dem Widerstand." Vereinzelt wurde die Entsendung türkischer Truppen in den Gazastreifen gefordert.

Die Politik fachte die anti-jüdische Stimmung weiter an. Ministerpräsident Tayyip Erdogan warf Israel vor, Hitler an Barbarei zu übertreffen. Die jüdische Gemeinde des Landes wandte sich in einer Stellungnahme gegen "rassistische und diskriminierende Aussagen".

Nach einer im vergangenen Jahr veröffentlichten Umfrage ist Israel das mit Abstand unbeliebteste Land für die Türken. Nur acht Prozent der von BBC Befragten gaben an, sie hätten eine positive Meinung vom jüdischen Staat. Selbst der Iran kam auf einen Sympathiewert von 17 Prozent. Kurz vor dem neuen Gaza-Konflikt hatte sich das Bild Israels in der Türkei etwas gebessert, doch die israelische Militäraktion dürfte diese Aufhellung wieder zunichte gemacht haben.

Eine andere Umfrage ergab, dass 41,2 Prozent der Türken keinen Juden als Nachbarn haben wollen. Wegen dieser Feindseligkeit entschließen sich laut Medienberichten immer mehr türkische Juden zur Auswanderung.

(Verfasser Hans Jungbluth, Istanbul)

Israels Botschafter in Österreich beklagt eine von ihm konstatierte "offensichtliche Manipulation" der Weltöffentlichkeit durch die Hamas. Wenn sowohl internationale als auch österreichische Medien in der Folge von einer "Spirale der Gewalt" sprächen oder beide Seiten zum Gewaltverzicht aufriefen, dann sei das "frustrierend", meinte Zvi Heifetz am Montag vor Journalisten in Wien.

"Ich hätte mir eine tiefere Analyse erwartet, wer verurteilt gehört und wer unterstützt."


Israel sei der gegenwärtige Militäreinsatz durch den immer heftigeren Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen "aufgezwungen" worden, die Hamas verweigere jeden Waffenstillstand und missbrauche in zynischer Weise die eigene Bevölkerung, in dem sie von Wohnvierteln aus angreife und die dort lebenden Zivilisten in evidentem Bruch der Genfer Konvention daran hindere, sich in Sicherheit zu bringen. "Sie wissen genau, was sie tun", sagte der Botschafter. "Sie zielen genau darauf ab, zivile Opfer zu präsentieren." Nachsatz im Hinblick auf das israelische Luftabwehrsystem "Iron Dome": "Wir schützen unsere Bevölkerung durch Raketen - sie schützen ihre Raketen durch ihre Bevölkerung."

Kontrollverlust der Hamas

Die Motive der Hamas für die Eskalation des Konfliktes liegen für Heifetz auf der Hand: Sie habe teilweise die finanzielle Unterstützung aus traditionell befreundeten Staaten wie Ägypten oder Syrien verloren. "Sie konnten in der letzten Zeit kaum mehr Gehälter zahlen und verloren zunehmend die Kontrolle. Was sie in den letzten Jahren an Geld erhalten haben, ging in den Bau von Tunnels, in den Kauf von Waffen oder in die Taschen ihrer Führer." So sei etwa Hamas-Chef Khaled Meshaal persönlich in ein Grundstücksgeschäft in Katar involviert, fügte Heifetz an.

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Durch die "absolut unprovozierten" Angriffe auf Israel und die daraus resultierende israelische Gegenoffensive versuche die Hamas nun wieder Solidarität zu generieren, meinte der Botschafter: "Und deshalb lehnen sie auch einen Waffenstillstand ab - die Aktion würde ihren Zweck verlieren."

Ziel Israels bei der gegenwärtigen Bodenoffensive ist es dem Botschafter zufolge vor allem, die vielen Tunnels (siehe unten) zu finden und zu zerstören, die von Gaza aus direkt in dicht bevölkerte israelische Gebiete führten: "Was wollen sie dort?", stellte Heifetz eine offensichtlich rhetorische Frage: "Wollen sie dort arbeiten? Nein, sie wollen ausschließlich Israelis töten." Waffen und Raketen der Hamas seien mittlerweile sogar in UNO-Gebäuden in Gaza gefunden worden: "Darüber hätte ich gerne in den Medien gelesen - aber ich konnte nirgendwo etwas finden." Solcherart gelinge die Manipulation der internationalen Gemeinschaft, beklagte der Botschafter: "Als ob man vergessen hat, wer diese Situation verursacht hat und wer jetzt den Waffenstillstand verweigert."

Der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas und Hamas-Exilchef Khaled Meshaal, haben in Katar über eine Waffenruhe im Gazakonflikt verhandelt. Beide Seiten seien sich nähergekommen, eine Einigung bleibe aber noch außer Reichweite, sagten palästinensische Offizielle am Montag. Abbas will die radikal-islamische Hamas dazu bringen, die von Ägypten vorgeschlagene Waffenruhe zu akzeptieren.

Unterdessen will Ägypten offenbar der Hamas entgegen kommen. Der ägyptische Vorschlag für eine Waffenruhe in Nahost könne im Sinne der Hamas verändert werden, sagten drei Regierungsvertreter der Nachrichtenagentur Reuters in Kairo. Die Verhandlungen über eine Feuerpause waren vergangene Woche gescheitert. Die Hamas fordert unter anderem eine Öffnung des Grenzübergangs zwischen Gaza und Ägypten. Außerdem sollen Hamas-Kämpfer, die in Israel in Haft sind, freikommen.

Am späten Nachmittag traf UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon den ägyptischen Außenminister Sameh Shukri zu einem Vermittlungsversuch in Kairo. Am Abend wird auch US-Außenminister John Kerry erwartet.

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Krankenhaus getroffen

Am Montag hat ein israelischer Beschuss ein Krankenhaus im Gazastreifen getroffen. Dabei wurden fünf Menschen im Al-Aqsa-Spital getötet. Nach Angaben wurden 50 Menschen verletzt. Ein Großteil der Opfer gehörten zum medizinischen Personal, sagte der Leiter der Rettungsbehörden im Gazastreifen, Aschraf al-Kidra. Sanitäter, Krankenschwestern und Ärzte in der Al-Aksa-Klinik in Dir el Balah hätten Verletzungen erlitten, als das Krankenhaus unter Beschuss geriet. Es ist bereits das vierte Krankenhaus, das seit Beginn der israelischen Offensive beschossen wurde. Das Gesundheitsministerium Palästinas fordert die Vereinten Nationen (UN) auf, Israel an weiteren Attacken auf medizinische Gebäude zu stoppen.

Nach Informationen der Times of Israel haben israelische Medien einen derartigen Beschuss zunächst geleugnet. Der kommerzielle Fernsehsender Channel 2 hat eigenen Angaben zufolge keine Zeichen einer Attacke am Krankenhaus gesehen.

Bei einem weiteren Luftangriff auf ein Haus im Zentrum der Stadt Gaza sind nach palästinensischen Angaben acht Menschen getötet worden. Die Hälfte davon seien Kinder, teilten die örtlichen Rettungsdienste mit. Eine Militärsprecherin in Tel Aviv sagte, man prüfe den Bericht. In den vergangenen Tagen hat israelische Artillerie mehrfach Gebiete im Gazastreifen beschossen, bevor dorthin Bodentruppen vorrückten.

Die Zahl der getöteten Palästinenser seit Beginn der israelischen Offensive vor fast zwei Wochen stieg am Montag auf über 550, wie die Rettungsbehörden mitteilten. Mehr als 3.200 Menschen seien verletzt worden. Dem stehen bisher etwa 30 israelische Tote gegenüber, wobei in den letzten 24 Stunden sieben IDF-Soldaten bei Gefechten gefallen seien.

Tel Aviv

Die Hamas teilte bereits am Montagvormittag mit, es gebe Feuergefechte mit der Armee im nördlichen, östlichen und zentralen Gazastreifen. Die Organisation bekannte sich auch zu Raketenangriffen auf Israel. Sie bestätigte, zehn ihrer Mitglieder seien bei einem heftigen Gefecht mit israelischen Soldaten im Norden des Gazastreifens getötet worden. Zuvor versuchten die militanten Angreifer durch einen Tunnel nach Israel vorzudringen.

Im Stadtzentrum von Tel Aviv heulten am Montag zweimal in Folge die Warnsirenen. Es waren Explosionen zu hören. Nach Angaben der Armee wurden zwei Geschosse von der Raketenabwehr über der Mittelmeermetropole abgefangen.

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Auf der israelischen Seite übersteigt die Zahl der Toten bereits die Verluste bei der Operation "Gegossenes Blei", die im Jänner 2009 endete. Damals waren zehn Soldaten und drei Zivilisten getötet worden, heute sind es bereits 18 Soldaten und zwei Zivilisten. Zwei der Soldaten dürften US-Bürger gewesen sein. Das US-Außenministerium bestätigte, dass die US-Bürger Max Steinberg und Sean Carmeli im Gazastreifen gestorben seien.

Zu Berichten der Hamas über einen entführten israelischen Soldaten sagte Militärsprecher Lerner: "Wir können es nicht ausschließen." Man prüfe den Vorfall weiter. Der israelische UN-Botschafter Ron Prosor hatte die Angaben der Hamas, die auch den Namen und eine persönliche Erkennungsnummer veröffentlichte, vorher als unwahr dementiert.

Eine Entführung würde zu einer Wende im Nahost-Konflikt führen. Bereits 2006 hatte die Hamas einen israelischen Soldaten verschleppt. Gilad Shalit wurde 2011 im Austausch gegen 1.027 in Israel inhaftierte Palästinenser freigelassen.

Obama hofft auf Kerry

US-Präsident Barack Obama hofft angesichts der anhaltenden Gefechte im Gazastreifen auf einen Vermittlungserfolg seines Außenministers John Kerry. Kerry werde nach seiner Ankunft auf eine "sofortige Einstellung der Kampfhandlungen" zwischen der israelischen Armee und der Hamas drängen, sagte Obama.

"Wir wollen nicht sehen, dass noch mehr Zivilisten getötet werden", so der US-Präsident. Obama räumte aber auch ein, dass Kerrys Aufgabe "nicht leicht" sein werde.

Obama bekräftigte das Recht Israels auf Selbstverteidigung gegen die Raketenangriffe der Hamas. "Ich habe allerdings auch gesagt, dass wir ernsthaft besorgt sind über die wachsende Zahl der getöteten palästinensischen Zivilisten und den Verlust israelischer Leben", ergänzte er. Der US-Präsident hatte diese Botschaft dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu bereits in einem Telefonat am Sonntag überbracht. Dieser hatte hingegen eine Ausweitung der Bodenoffensive im Gazastreifen angedroht. "Wir werden nicht aufhören, bis alle Ziele erreicht sind", sagte Netanyahu am Sonntag in Tel Aviv. Die Hamas sei selbst für die vielen Toten unter den Zivilisten in dem Palästinensergebiet verantwortlich. Es könnten noch "schwere Tage" bevorstehen, sagte Netanyahu.

Der Ausbruch der derzeitigen Auseinandersetzung begann am 8. Juli, am 17. Juli startete die Bodenoffensive der Israelis. Beim letzten Bodeneinsatz in dem Palästinensergebiet vor mehr als fünf Jahren waren über 1.300 Palästinenser getötet worden.

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