Politik/Ausland

Deutschland in der Krise – Scholz und Lindner konkurrieren mit Wirtschaftsgipfeln

Unternehmen, Gewerkschaften und Verbände haben es am Dienstag abgesehen von der schlechten wirtschaftlichen Lage in Deutschland zusätzlich schwer: zu Scholz oder zu Lindner – oder lieber keine Seite wählen in dieser aktuellen Episode des Ampel-Streits?

Kanzler Olaf Scholz (SPD) lädt am Dienstag Nachmittag um 16 Uhr ins Kanzleramt, um sich den Nöten der Industrie zu widmen; gesucht würden Ideen, wie Deutschland im nächsten Jahr wieder ein positives Wirtschaftswachstum verzeichnen kann – das Jahr, in dem Scholz zum Kanzler wiedergewählt werden will. Angesichts der aktuellen Umfragewerte der SPD (INSA: 15 Prozent) ist das jedoch mehr Wunschvorstellung als Wahrscheinlichkeit. 

Finanzminister Christian Lindner (FDP) wiederum, der genauso wie der eigentlich zuständige Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nicht eingeladen wurde, verkündete wohl eingeschnappt sein eigenes Treffen mit dem "vergessenen Mittelstand" – wenige Stunden vor Scholz‘ Gipfel.

Ewiger Streit um Wirtschaftspolitik der Ampel

Das "Wie weiter?" in Deutschlands Wirtschaft ist seit Regierungsantritt der Ampel eines der größten Streitthemen. Doch in den letzten Wochen versuchten sich Scholz, Lindner und Habeck, mit Ankündigungen zu "Industriepakten", "Investitionsfonds" und Einsparungen bei staatlichen Ausgaben zu übertrumpfen.

"Wir müssen wegkommen von den Theaterbühnen", erläuterte Scholz kühn den Grund seines heutigen Gipfels, "wir müssen wegkommen davon, dass irgendetwas präsentiert und vorgeschlagen wird, was dann gar nicht von allen akzeptiert und angenommen wird."

Auf die Frage, ob es jetzt nicht auch noch einen dritten, einen Habeck-Gipfel brauche, antwortete der Wirtschaftsminister zuletzt bissig: "Ich brauche jetzt keine Gipfel, ich bin permanent am Bergsteigen."

Je näher das Ende der Legislaturperiode kommt – 2025 wird der Bundestag in Deutschland gewählt –, desto weniger, so scheint es, sind die Ampel-Parteien bemüht, Uneinigkeiten und Streitpunkte zu verstecken. Das hat zwar auch in der Vergangenheit nicht funktioniert – Stichwort Heizungsgesetz –, doch mittlerweile sollen nicht einmal mehr die Parteispitzen richtig miteinander reden. Die Medien prophezeien einmal mehr ein vorzeitiges Ampel-Aus.

Nächste Zerreißprobe: Budget 2025

Dabei müsste sich die Ampel gerade beim Thema Wirtschaft noch einmal zusammenraufen: Die alljährliche Zerreißprobe, der Bundeshaushalt fürs kommende Jahr, muss fertig verhandelt und eigentlich bis Ende November im Bundestag verabschiedet werden.

Schon vor der Sommerpause hatten die Maßnahmen zur Stopfung des Haushaltslochs für öffentlichkeitswirksam ausgetragene Differenzen zwischen Scholz und Lindner gesorgt. Mehrere Zehntausend Milliarden sollen noch fehlen, so Medien; Lindner sprach zuletzt von einem einstelligen Milliardenbetrag, "der aber näher bei zehn als bei eins ist". Das große Problem: Die Steuereinnahmen dürften heuer niedriger ausfallen als erwartet.

Dabei könnte mit der Einigung auf einen Haushalt die größte Hürde aus dem Weg geräumt und ein Jahr weiterregiert werden – doch Wahlkampf scheint längst erfolgsversprechender als mühsame Regierungsarbeit. 

US-Wahl als Regierungs-Kitt?

Was gegen ein vorzeitiges Auflösen der Regierung spricht – neben administrativen Hürden und der nicht existierenden Tradition vorgezogener Neuwahlen oder einer Minderheitsregierung in Deutschland: die Umfragewerte der Ampel-Parteien. Die FDP würde aktuell nicht einmal den Einzug in den Bundestag schaffen, dafür das Bündnis Sahra Wagenknecht und neben der CDU nur die AfD einen Stimmenzuwachs verzeichnen. Ob ein vorzeitiges Ende der Ampel die Umfragewerte der Parteien positiv beeinflussen oder der fahle Nachgeschmack der Regierungsstreitereien dominieren würde, ist unklar.

Medien zufolge könnte unter Ampel-Politikern auch ein politisches Ereignis auf der anderen Seite des Atlantiks für Kitt auf den letzten Metern der Regierungsperiode sorgen: ein Sieg von Donald Trump bei den US-Wahlen nächste Woche. Dann bräuchte man nicht auch noch ein demokratisches Risiko in Berlin, so heißt es.