Politik/Ausland

Shanghai im "Ausnahmezustand": Neue Regelungen für Kinder

In der schlimmsten Corona-Welle in China seit Beginn der Pandemie vor zwei Jahren steigt die Zahl der Infektionen weiter rasant. Die Gesundheitskommission in Peking meldete am Mittwoch mit mehr als 20.000 Fällen landesweit einen Höchststand. Die Mehrheit sind asymptomatische Fälle. Wegen der strikten Null-Covid-Politik in China gelten weiträumige Ausgangssperren in den Metropolen Shanghai, Changchun und Shenyang, in denen insgesamt rund 38 Millionen Einwohner leben.

Große Empörung löste zuletzt die Praxis aus, dass kleine Kinder von ihren Eltern getrennt werden, was in China lebende ausländische Familien auch sehr beunruhigt. Nach den Protesten kündigte die Stadtregierung von Shanghai am Mittwoch an, dass dort nicht infizierte Eltern beantragen könnten, Kinder, die besondere Unterstützung bräuchten, in die Isolation begleiten zu dürfen. Unklar blieb aber, ob sich die Regelung nur auf Kinder beschränkt, die spezielle Betreuung brauchen.

"Traumatische Erfahrungen"

"Es gibt hier sehr viel Unsicherheit", sagte die Vorsitzende des örtlichen Verbandes der EU-Handelskammer in China, Bettina Schön-Behanzin. "Wir fordern ganz klar, dass Minderjährige mit ihren Eltern zuhause in Selbstquarantäne gehen können, um ihr körperliches und geistiges Wohlergehen zu garantieren." Schon bei der Einreise hatte es in den vergangenen Monaten wiederholt Fälle von positiv getesteten ausländischen Kindern gegeben, die ins Krankenhaus kamen, ohne ihre Eltern dabei haben zu können oder die Sprache zu sprechen. Es wurde von "traumatischen Erfahrungen" berichtet.

Massentest für 26 Millionen Einwohner

Shanghai ordnete inzwischen einen weiteren Massentest seiner 26 Millionen Einwohner an. Bis dieser vorbei sei, halte der Lockdown an, teilten die örtlichen Behörden mit. Anschließend werde über eine Aufhebung beraten. "Shanghai ist in einer Art Ausnahmezustand", erklärte Schön-Behanzin. Die Metropole habe sich in eine "Geisterstadt" verwandelt: "Es gibt in der Stadt ein starkes Gefühl der Ungewissheit. Es wird angefacht durch einen Mangel an Versorgung, endlose Lockdowns und eine wirklich große Gefahr, in eines der zentralen Quarantäne-Lager geschickt zu werden."

In China wird jeder, der positiv getestet wird, in eine zentrale Quarantäneeinrichtung gebracht. Außer den Messehallen in Pudong, wo 15.000 Menschen untergebracht werden können, soll jetzt auch das nationale Ausstellungszentrum zu einem provisorischen Lager für weitere 40.000 Menschen eingerichtet werden.

Das rigide Vorgehen besorgt auch die deutsche Wirtschaft, ist doch China ihr mit Abstand wichtigster Handelspartner: Zwischen beiden Ländern wurden allein im vergangenen Jahr Waren im Wert von 245,4 Milliarden Euro gehandelt.

Ökonomische Folgen

Der ökonomischen Folgen des verlängerten Corona-Lockdowns in Shanghai dürften die deutschen Verbraucher noch zu spüren bekommen. "Wir rechnen im Einzelhandel mit spürbaren Auswirkungen des Lockdowns in Shanghai", sagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE), Stefan Genth, der Nachrichtenagentur Reuters.

Ähnliche Entwicklungen hätten bereits in den vergangenen beiden Jahren zu Störungen der Lieferkette und Lieferschwierigkeiten insbesondere bei Unterhaltungselektronik und Spielwaren geführt. "Darunter könnte in der Folge wie bereits in der Vergangenheit die Produktvielfalt leiden", sagte Genth. "Es wird dann schlicht weniger Auswahl innerhalb einiger Warengruppen geben, generelle Knappheiten über ganze Sortimente hinweg sind aber nicht zu erwarten."