Politik/Ausland

Vučić drohte Brüssel mit Angriff auf Kosovo: Das steckt dahinter

Die Drohungen von Serbiens Präsidenten Aleksandar Vučić sind zuletzt wieder direkter und offensiver geworden. Am Wochenende erklärte er, der Westen müsse sich zwischen Serbien und dem Kosovo entscheiden. Und er warnte ihn, sich ja nicht falsch zu entscheiden. Denn dann würde sein Land „auf den bestmöglichen Zeitpunkt warten“ und seine „Chancen nutzen“.

Dass Serbien die Macht über seine einstige Provinz, die sich 2008 unabhängig machte, bzw. deren mehrheitlich serbisch besiedelten Norden gerne zurück hätte, ist kein Geheimnis. Mit dieser sehr stark kriegerisch konnotierten Aussage geht Vučić aber laut Balkan-Experte Vedran Džihić vom oiip nochmal einen Schritt weiter als bisher, wie er im Gespräch mit dem KURIER erklärt. 

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"Unmissverständliche Drohung"

Für den Zeitpunkt dieser „unmissverständlichen“ Drohung gebe es mehrere Gründe. Zum einen seien da die Belgrad-Wahlen, die wiederholt werden müssen, nachdem keine regierungsfähige Mehrheit zustande gekommen ist und internationale Beobachter die Rechtmäßigkeit des Ergebnisses - ein Sieg der bisherigen Stadtregierung, in der auch Vučićs SNS ist - bezweifelt haben.

Der Westen übe gemeinsam mit der serbischen Opposition aktuell verstärkt Druck auf Vučić aus, sagt Džihić: „Er agiert nervöser und aufgeregter als sonst und fühlt sich nicht mehr so sicher wie noch vor ein paar Jahren. Deshalb versucht er jetzt, mit nationalistischen Mitteln zu emotionalisieren und zu mobilisieren.“ Zudem stilisiere er sich immer mehr als ein „Übervater der Serben, der für alles eine Lösung hat“. 

Laut dem Experten steht für den Balkan-Politiker gerade einiges „auf der Kippe“: „Wenn der Westen dafür sorgen kann, dass es bei der Wiederholung der Belgrad-Wahl keine Manipulation mehr gibt, ist nicht auszuschließen, dass Belgrad an die Opposition geht.“ Das wäre ein schwerer Verlust für Vučić.

Wann wäre der "bestmögliche Zeitpunkt", den Vučić erwähnt hat?

Vor diesem Hintergrund betone Vučić zudem seine geopolitischen Partner-Alternativen derzeit besonders stark: China und Russland. So verkündete er vor wenigen Tagen, dass der chinesische Präsident Xi Jinping nach Belgrad kommen wird. Auch die Beziehungen zwischen Belgrad und Moskau sind nach wie vor eng. 

Vučić wolle sich Zeit kaufen, vermutet Džihić: „In seiner Rede hat er von einem ‚bestmöglichen Zeitpunkt‘ gesprochen, auf den er wartet - geopolitisch. Das muss man so auffassen, wie er es gesagt hat.“ Wann dieser Zeitpunkt wäre? „Erstens stellt sich die Frage, was bei den EU-Wahlen im Juni geschieht und wie stark die rechten Parteien, mit denen er sympathisiert, werden und diese seine Interessen stützen können.“ 

Ein weiterer Faktor seien die US-Wahlen im Herbst: „Vučić hofft auf einen Sieg von Donald Trump.“ Dafür sprechen auch Pläne für Immobilienprojekte von Trumps Schwiegersohn Jared Kushner in Albanien und Serbien, die jüngst publik wurden und die Vučić unterstützt.

Gleichzeitig warte der Präsident, in dessen Land es große Russland-Sympathien gibt, weiterhin ab, was sich an der Front in der Ukraine tut, sagt Džihić und fasst zusammen: „Er hofft auf eine geopolitische Verschiebung hin zu einer weiteren Stärkung autoritärer Staaten.“ Dann könnte er seine Wünsche nach einer Machtübernahme im Norden des Kosovo, wie er sie am Wochenende quasi angekündigt habe, womöglich tatsächlich umzusetzen versuchen.  

Gescheiterter Deal

Dabei schien es vor einem Jahr noch so, als könnten sich Serbien und der Kosovo - und damit auch Belgrad und Brüssel - im Zuge eines von der EU vermittelten Deals endlich nachhaltig annähern. Vučić hatte diesem zwar widerwillig zugestimmt, ihn aber nie untereschrieben. „In dieser Frage ist seit einem Jahr nichts weitergegangen. Die Beziehungen zwischen Belgrad und Pristina haben sich sogar extrem verschlechtert“, so Džihić.