Mary Anderson: Die Frau, die den Scheibenwischer erfand
Von Sandra Baierl
New York City im Winter 1902: Mary Anderson, 36 Jahre alt beobachtet das hektische Treiben. Noch sind nicht viel Fahrzeuge unterwegs, die neumodischen Vehikel mit Motor waren noch selten, aber die Kraftfahrer hatten ihre Not mit dem anhaltenden Schneeregen. Die Männer mussten ständig die Frontscheibe zurückklappen oder gleich das ganze Verdeck öffnen, um überhaupt etwas zu sehen.
Mary Anderson dachte darüber nach, welche Vorrichtung das Leben der Kraftfahrer erleichtern und die Sicherheit auf den Straßen erhöhen könnte. Sie fertigte ihre erste Skizze an. Zu sehen ist eine praktikable Vorrichtung, die bereits sehr unseren heutigen Scheibenwischern ähnelte. Die Apparatur wurde mit Hilfe eines Hebels im Fahrerraum, nah am Steuerrad, von Hand bedient. In mehreren Schritten konkretisierte Anderson ihr Vorhaben und dachte dabei auch an die Möglichkeit, den Wischarm bei sonnigem Wetter zu entfernen. Damit die Wischblätter mit den Gummiprofilen eine ausreichend gute Reinigung erzielten, übten Rückholfedern Zug auf die Wischarme aus und drückten so die Gummilippen auf die Scheibe. Bei einer Manufaktur ließ Anderson einen ersten Prototyp bauen.
Patent No. 743.801
Ein Jahr später, im Juni 1903, stellte sie einen Antrag auf ein Patent. In dem Patentbrief beschreibt sie, dass "die Wischarme innerhalb der Wischzone einen gleichmäßigen Druck auf die Glasscheibe ausüben und das die einzelnen Teile der Vorrichtung unabhängig voneinander arbeiten, damit der Defekt eines Bauteils nicht den Ausfall des ganzen Apparates zur Folge hat und dieses auch leichter auszutauschen ist." Ihr Patent No. 743.801 für eine "Fensterscheiben-Reinigungsvorrichtung" wurde Mary Anderson am 10. November 1903 erteilt.
Damals waren die Möglichkeit zum Austausch und auch zum Abmontieren wichtige Kriterien, denn man empfand in den Anfängen die Wischerblätter als sehr störend. Aber die Automobilisten merkten schnell, dass die Scheibenwischanlage nicht ablenkte, sondern half.
Erfolg? Der kam erst später
Man sollte meinen, die Erfindung wäre Frau Anderson aus den Händen gerissen worden. Aber im Gegenteil: Anfangs war das Interesse gering. Vielleicht auch, weil der große Aufschwung der Autos (mit Windschutzscheibe!) erst kommen sollte. Erst nachdem der Patentschutz abgelaufen war, begannen die großen Hersteller, ihre Fahrzeuge serienmäßig mit Scheibenwischanlagen auszustatten. Typische Merkmale der Anderson'schen Erfindung bildeten aber die Grundlage für die Konstruktion - bis heute. Vereinzelt erhielt Mary Anderson immerhin Provisionen, aber im Großen und Ganzen ging sie leer aus.
Diese und andere Erfinderinnen-Geschichten gibt es im Buch "Frauen einfach genial. 18 Erfinderinnen, die unsere Welt verändert haben" nachzulesen. Autoren: Barbara Sichtermann und Ingo Rose. Verlag Knesebeck. www.knesebeck-verlag.de