Meinung/Mein Tag

Der Grat zwischen „Endlich wieder Fortgehen“ und „Nie wieder Fortgehen“ ist schmal

Das erste Fortgehen nach dem Lockdown ist geschlagen, und es fühlte sich irgendwie falsch an. Nein, das liegt ausnahmsweise nicht an steigenden Inzidenzen und schleißigen 3-G-Kontrollen vor den Lokalen. Sondern viel eher an der Frage: Wann sind wir bloß so alt geworden? (Die Antwort lautet: In den letzten beiden Corona-Jahren.) Und war das immer schon so ... anstrengend?

Sollte man mit Anfang 30 überhaupt noch eine Stunde seines Lebens in einer Warteschlange vergeuden, an deren Ende kein Nasenabstrich, sondern ein überwuzelter Türsteher wartet, der entscheidet, ob man mit einer Horde 23-Jähriger in einen überteuerten Klub darf? Andere in diesem Alter bauen schließlich Häuser. Oder machen einen Post-Doc in Mathematik und radeln ganz nebenbei zu Olympiagold.

Weil man auch ohne Olympia Ziele im Leben braucht, entschieden wir uns für die Endlos-Schlange. Rundherum sahen alle aus wie aus einem Britney-Spears-Video aus dem Jahr 1999 entsprungen. Ein Mädel ließ sich genervt über „digitale Migranten“ (also ihre Elterngeneration) aus, während eine andere in feinstem Denglisch von ihrem Urlaubsflirt (Barcelona) schwärmte: „Wir haben gleich ur gevibed.“ Überall wurden Tiktok-Videos gestreamt. Die Post-Lockdown-Partywelt, sie scheint eine völlig andere.

Der Tiefpunkt war erreicht, als sich eine knapp 20-Jährige mit XXS-Minirock und Ugly Sneakers zu uns umdrehte. „Wisst ihr, ob man einen Ausweis braucht? Also wir – nicht ihr. Bei euch sieht man ja, dass ihr alt genug seid.“

Wie sich herausstellte, brauchte man einen – sie war zu jung und wurde kurz vor dem Ziel weggewiesen. Aufkeimende Muttergefühle konnten wir gerade noch rechtzeitig unterdrücken.

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