Meinung/Mein Tag

Das neue Eis des Jahres: Irritierend altmodisch - und doch wohltuend

Es muss in den 90er-Jahren gewesen sein, als die kleine Speiseeiswelt noch in  den Fugen war. Am Eisstand hatte man die Wahl zwischen Erdbeer, Vanille, Schokolade und – mit etwas Glück – Zitrone. Im Wirtshaus bestellt man eine Kugel Eis mit Smarties-Augen, Hohlhippennase und Stanitzelhut und nannte das Pinocchio. Und beim Namen „Heiße Liebe“ musste man immer etwas kichern.

Das 21. Jahrhundert stellt die derart Sozialisierten vor geschmackstechnische Herausforderungen. So müht sich auch Ihr Kolumnist damit ab, seine Geschmacksknospen zukunftsfit zu machen. Er  bestellte Ziegenkäse-Rosmarin-Eis im schwarzen  Aktivkohle-Stanitzel, verkostete „Clampfire Trail Mix with Crunchy Pretzel Swirls, Marshmallow Swirls & Fudge-Covered Almonds“ (ja, die Sorte gibt es wirklich) und griff sogar (eher unabsichtlich) zu veganen Alternativen.

Eine besondere Liaison

Und nun das. Die heimischen Eismacher kürten gestern ausgerechnet die irritierend altmodische Kombination Schoko-Banane zum Eis des Jahres.

Die sich aufdrängende Frage, welche Leistungen ein Eis vorweisen muss, um den Titel zu verdienen, werden wir hier nicht klären. (Die Vermutung, dass die Aktion den Gelatieri hilft, Restbestände besonders unbeliebter Sorten an Mann und Frau zu bringen, geziemt sich nicht.)

Genießen wir lieber das wohlige 90er-Jahre-Gefühl – und die Erinnerungen an eine Zeit, in der Laktoseintoleranz noch nicht erfunden war und schlicht Bauchweh hieß, man sich nicht um den ökologischen Fußabdruck der Import-Banane sorgte (er ist riesig!) und man beim Bestellen eines Bananensplit im Freibad vorrangig darüber diskutierte, ob er nur mit Vanille-, oder zudem mit einer Kugel Schokoladeeis serviert werden muss. (Zweiteres ist natürlich richtig.)

Der Bananensplit – quasi der Inbegriff der Schoko-Bananen-Liaison – beging übrigens unlängst seinen 100. Geburtstag. Mehrere US-Städte behaupten, ihn erfunden zu haben – und feiern gar eigene Bananensplit-Festivals.  Eine Tradition, an die wir uns auch hierzulande gewöhnen könnten.