Meinung/Mein Tag

Cassoulet: Hausmannskost verlangt Gefühl, Erfahrung – und Respekt

Es ist mehr als zwei Jahrzehnte her, da schipperte Ihr Kolumnist in einem Hausboot den südfranzösischen Canal du Midi entlang. Ein Ausflug führte zu einem quälend langen Rundgang durch eine mittelalterliche Stadt. Aus Sicht des Kindes, das er damals war, die Höchststrafe.

Entschädigung erfuhr er an ungeahnter Stelle: in einem Gasthof. Dort gab es einen Eintopf, an den er bis heute mit Ehrfurcht denkt. Die Stadt hieß Carcassonne und der Eintopf war ein Cassoulet – ein legendäres Bohnengericht mit Speck, Würsten und den hervorragendsten Sorten Fleisch. Mollig und warm.

Hausmannskost steckt voller Gefühl, sie verlangt Zeit und Erfahrung. Bis heute hat Ihr Kolumnist Respekt davor. Ans Cassoulet, von dem es so viele Variationen wie französische Großmütter gibt, wagte er sich lange nicht. Schon die Zutatenliste – er las von eingemachten Entenkeulen, Saucisse de Toulouse, Schweinefüßen – ließ ihn erstarren.

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Er wandelte das Rezept mit Sorgfalt ab: Er lässt das Fett von 200 Gramm Speck aus und brät eine Vorderkeule vom Lamm, eine Entenbrust und zwei Scheiben Schweinsschopf darin, bevor er alles mit grob gewürfeltem Selchfleisch in ein Reindl schlichtet. Dann brät er je zwei Schalotten, Karotten, und Stangen vom Sellerie mit Knoblauch an, würzt mit Salz, Pfeffer, einer Msp. Nelkenpulver, Rosmarin, Salbei und viel Thymian – und hebt den Star des Gerichts unter: 800 Gramm weiße Riesenbohnen aus der Dose.

Ab ins Reindl und mit Suppe aufgießen, bis alles leicht bedeckt ist. Im Rohr schmurgelt der Eintopf bei maximal 180 Grad, bis das Fleisch weich und die Sauce etwas eingedickt ist. Die Kunst: Die Bohnen dürfen dabei nicht zerfallen! Zwei Stunden sollte man mindestens rechnen.

Bildet sich eine leichte Kruste, hat man viel richtig gemacht. (Der Legende nach muss diese siebenmal untergerührt werden, dann schmeckt’s.) Den Abschluss bilden vorgebratene Bratwürstel, die kurz vor Ende der Schmorzeit – und bevor alles übergrillt wird – ins Gericht kommen.

Das Reindl muss heiß auf den Tisch – und alle bedienen sich. Besser geht Hausmannskost kaum!