Meinung/Gastkommentar

Zu alt für das Ehrenamt?

Eine Blaulichtorganisation änderte vor kurzem ihre Statuten und führte für ihre FunktionärInnen eine Altersobergrenze ein. Jetzt ist man mit 70 Jahren zu alt – zu alt, um die Finanzen zu überwachen, zu alt, um Protokolle zu führen, zu alt, um den Verein nach außen zu vertreten.

Wer so eine Altersgrenze einführt, hat die Entwicklung der letzten Jahrzehnte verschlafen und weiß nichts über die Neuen Alten, für die „siebzig das neue fünfzig“ ist (© Cathrine Deneuve). Macht das Beispiel der erwähnten Blaulichtorganisation Schule, dürfen sie in Zukunft zwar mitarbeiten, aber nicht Funktionen im Vorstand übernehmen. Andere Hilfsorganisationen empfehlen (!) die Ausbildung zur Mitarbeiterin der Telefonseelsorge über 65 erst gar nicht zu beginnen. Nicht unbedingt ein Anreiz für ältere Menschen als Freiwillige weiterzumachen.

Da die Gruppe der über 70-Jährigen durch die Babyboomer Generation in den nächsten Jahrzehnten stark wächst, graben sich Vereine personell das Wasser ab. Die deutsche Kommission gegen Altersdiskriminierung stellte bereits 2012 fest, dass Altersgrenzen bei Ehrenämtern einfach nicht mehr zeitgemäß sind. Die Experten warnten, dass Altersgrenzen Ältere vom Engagement für die Gesellschaft abhalten. Knapp 750.000 Menschen über 60 arbeiten ehrenamtlich. 225.000 von ihnen sind über 70. Durchschnittlich fünf Stunden pro Woche stehen sie „ihrer“ Organisation zur Verfügung. Das macht insgesamt 188 Millionen Stunden im Jahr – unbezahlt wohlgemerkt.

Die meisten Vereine könnten es sich überhaupt nicht leisten, sie durch bezahlte Arbeitskräfte zu ersetzen. Schon heute sind die 60- bis 69-Jährigen im Sozialbereich die mit Abstand wichtigste Gruppe der Freiwilligen. Stimmt, ihr coronabedingter Ausfall ließ sich durch das erhöhte Engagement Jüngerer wettmachen. Doch wie weiter, wenn wieder der normale Alltag einkehrt ohne Kurzarbeit oder hohe Arbeitslosigkeit?

Werden die Alten dann wieder brav die Arbeit aufnehmen, solange man sie halt haben will? Übersehen wird dabei nämlich, dass die Menschen nicht nur älter werden, sondern immer selbstbewusster auftreten: In der Schweiz findet gerade die Großmütter-Revolution statt. Frauen über 65 finden es dort einfach nicht in Ordnung, dass ihr freiwilliger Beitrag zum Funktionieren der Gesellschaft für selbstverständlich gehalten wird. Sie stellen drastisch klar, dass es sich hier nicht um Beschäftigungstherapie für gelangweilte Alterchen handelt, sondern um einen wesentlichen Beitrag zur Volkswirtschaft und zum Funktionieren der Gesellschaft. In Österreich braucht es hier noch Klage, um ins 21. Jahrhundert aufzuschließen. Im Bereich der Banken und Versicherungen ist man den Gang zu Gericht aufgrund von Altersdiskriminierung bereits gewöhnt: Anfang des Jahres kippte der Oberste Gerichtshof 12 Klauseln in Versicherungsverträgen als altersdiskriminierend! Solche Entscheidungen haben dann hoffentlich Vorbildwirkung für Vereine.

Ingrid Korosec ist stellvertretende Vorsitzende der Alterssicherungskommission.