Gift für die Demokratie
In seinem Gastkommentar schreibt Hanno Lorenz von der Agenda Austria: „Verteilungskämpfe schaden allen“. Gehen wir die ungleiche Verteilung nicht bald an, dann erodiert die Demokratie aber zunehmend.
Der Beraterkonzern Deloitte – wirklich kein Fan von Umverteilung von oben nach unten – hat nun eine weltweite Studie mit 22.000 Befragten veröffentlicht. Die größte Sorge der heute 20- bis 40-Jährigen in Österreich? Die Lebenshaltungskosten. Knapp die Hälfte gibt das als größtes Problem an.
Die Sorge, sich das tägliche Leben nicht mehr leisten zu können, frisst die Zukunft der Jungen auf. Der Demokratie-Monitor, zeichnet ein ähnlich düsteres Bild. Das Vertrauen in die Demokratie und ihre Institutionen ist im einkommensärmsten Bevölkerungsdrittel im Sturzflug. Vor fünf Jahren sagten noch 64 Prozent: Das politische System in Österreich funktioniert. Heute sind es nur mehr 39 Prozent; im unteren Drittel sagen das nur mehr 24 Prozent. 61 Prozent der Besserverdiener fühlen sich gut von der Politik vertreten – von denen mit niedrigem Einkommen nur 16 Prozent.
Wenig Vertrauen, große Sorgen: Das ist Gift für die Demokratie und ein fruchtbarer Boden für Hetzer. Wer sich nicht vertreten fühlt und dem System misstraut, neigt zu Sympathien für Führerfiguren. „Sie sind gegen ihn, weil er für euch ist“, ließ schon Jörg Haider plakatieren – und hatte Erfolg damit.
Ein Blick auf unser Steuer- und Sozialversicherungssystem offenbart: Von 100 Steuer-Euros kommen 80 aus Arbeit und Konsum, da tragen somit alle bei. Nur sechs der 100 Euro kommen von Steuern auf Konzernprofite und nur 4 aus vermögensbezogenen Steuern. Das ist kein Naturgesetz, sondern Konsequenz politischer Entscheidungen: In wenigen Jahren wurde die Gewinnbesteuerung für Unternehmen von 34 auf 23 Prozent gesenkt. Ein Milliardär zahlt bei uns weniger Steuern und Abgaben aufs jährliche Einkommen als eine Durchschnittsfamilie.
Laut der jüngsten Erhebung der EZB ist in kaum einem anderen Land Vermögen so konzentriert. Ein Stockerlplatz in Ungerechtigkeit, darauf sollten wir nicht stolz sein. Denn das heißt auch: Wenn sich das Drittel mit den niedrigen Einkommen nicht gut vertreten fühlt … dann hat es recht damit.
Dutzende Studien belegen den Zusammenhang zwischen politischen Entscheidungen und dem Zulauf zu radikalen Parteien: Werden öffentliche Ausgaben um nur ein Prozent zurückgefahren, dann steigt ihr Stimmen-Anteil um etwa drei Prozent. Ganz besonders profitieren rechtsextreme Parteien.
Heuer könnten unverhohlene Demokratiefeinde bei der Nationalratswahl auf Platz eins landen. Das hat – neben anderen – auch ökonomische Ursachen. Keine Demokratie kann es sich auf Dauer leisten, die Interessen eines großen Teils der Bevölkerung zu missachten. Wer die Demokratie verteidigen will, muss alle an ihr beteiligen. Auch ökonomisch.
Barbara Blaha leitet das ökosoziale gewerkschaftsnahe Momentum Institut.