Corona-Realität zum Lockdown-Ende: Jeder dritte Intensiv-Patient verstirbt
Von Karl Oberascher
In den ersten sieben Tagen des November-Lockdowns starben 295 Menschen mit Covid-19 in Österreich. In den vergangenen sieben Tagen waren es 765.
Die Todeszahlen sind noch immer hoch, "viel zu hoch", sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober am Donnerstag.
Ein Satz, der so oder so ähnlich schon zu oft gefallen sein mag.
"Es geht längst nicht mehr nur um Patienten, die ohnehin gestorben wären"
Wie dramatisch die Situation in den Krankenhäusern des Landes auch aktuell noch ist, das wurde gestern Abend auf Puls24 eindrücklich erzählt. In der Sendung mit dem Titel "Nah an der Hölle" verlasen die Schauspieler Cornelius Obonya, Katharina Stemberger und Serge Falck anonymisierte Emails von Pflegepersonal und Ärzten, die einem Aufruf von Puls24 gefolgt waren, die Situation auf den Intensivstationen zu schildern.
"Triage ist für uns nicht außergewöhnlich", schrieb da etwa ein Arzt. "Auch im Normalbetrieb würde man einen 90-jährigen Krebskranken im Endstadium nicht ins Intensivbett legen, wenn es von einem jungen Motorradunfall mit guten Überlebenschancen gebraucht wird. Aber nun treffen wir diese Entscheidungen täglich, und es geht längst nicht mehr nur um Patienten, die ohnehin gestorben wären." Covid-Patienten über 80 hätten vor kurzem noch die Wahl bekommen, ob sie Intensivbetreuung möchten. "Nun bekommen sie hier kein Intensivbett mehr, selbst 70-Jährige mit Vorerkrankung mussten schon abgewiesen werden. Das sind Entscheidungen, die man als Arzt nicht treffen will."
"Ausbildungsärzte, egal welcher Fachrichtung, MÜSSEN nun auf Covid-Stationen arbeiten und werden zwangsrekrutiert", schreibt ein anderer. "Bei Widerstand droht die Kündigung. Selbiges betrifft auch die Pflege, so oft habe ich mir bei älterem Pflegepersonal gedacht (mit offensichtlichen gesundheitlichen Vorbelastungen) dass das sicher nicht der richtige Arbeitsort für sie ist."
Eine andere: "Ich bin wirklich keine Freundin von Panikmache. Aber ich fand den Satz damals "Jeder wird bald jemanden kennen, der an Covid gestorben ist" nicht so verwerflich wie viele. Der Satz hat sich eingeprägt und die Menschen geschreckt. Das hat eine Änderung in ihrem Verhalten bewirkt."
Die gesamte Sendung können Sie hier nachsehen.
Wie dramatisch die Situation in den Intensivstationen ist, das geht auch aus dem neuen Factsheet „Intensivpflege und Covid“ - datiert auf den 27. November - des Gesundheitsministeriums hervor.
33 Prozent aller Patienten in Intensivbereich starben im Untersuchungszeitraum bis Ende September 2020. Sprich: Jeder Dritte, der mit Covid-19 auf eine Intensivstation in Österreich eingeliefert wird, verlässt diese nicht wieder.
Das entspricht einem Anteil von rund 25 Prozent an allen bis Ende September Verstorbenen Covid-Patientinnen und Patienten.
Dabei kommt längst nicht jeder, der in ein Krankenhaus eingeliefert wird, auch auf die Intensivstation, wenn sich sein Gesundheitszustand verschlechtert.
Denn, auch das geht aus dem Bericht hervor - und wird durch die Schilderungen der Krankenhausmitarbeiter nur unterstrichen - rund 50 Prozent der Verstorbenen wurden ausschließlich auf Normalstationen gepflegt.
Die verbleibenden 25 Prozent verstarben zu Hause.
Einzige Lichtblicke in dem Bericht: Mit Fortschreiten der Epidemie konnten eine niedrigere Todesrate in Intensivstationen sowie kürzere Belagsdauern verzeichnet werden, was auf eine verbesserte medizinische Behandlung von COVID-19-Patientinnen und Patienten hindeutet. Und: Nur 80 Personen auf Intensivstationen waren jünger als 50 Jahre alt, davon verstarben nur vier. Das entspricht einem Anteil von fünf Prozent.