Vučić: "Wir werden Unpopuläres tun - den europäischen Weg gehen"
Von Mirad Odobašić
Sieben Tage lang hat Aleksandar Vučić sein Volk zappeln lassen. Bereits am vergangenen Freitag wollte der serbische Präsident ausführlich über "all die großen Probleme" sprechen. Die Menschen in Serbien waren vorgewarnt: Wenn ihr Präsident eine detaillierte Ansprache ankündigt, dann sollte man Popcorn und ausreichend Softdrinks bereithalten.
Auch an diesem Freitagabend sollte es nicht anders sein. Über zehn Punkte wolle er reden, sagte Vučić kurz nach 18 Uhr im Palast Serbiens. Eine halbe Stunde danach war er erst beim dritten Punkt angelangt. Doch, Hand aufs Herz, die ersten beiden Punkte hatten es sich, sprach der 52-Jährige dabei über die EU, Wladimir Putin und den Kosovo.
"Der Weg Serbiens" lautete der erste Punkt. Obwohl es heutzutage in Serbien unpopulär sei und laut neuesten Umfragen 44 Prozent der Bevölkerung gegen den EU-Beitritt, wolle sich Vučić der öffentlichen Meinung nicht beugen. "Unsere Aufgabe ist es, zuzuhören, nicht der öffentlichen Meinung zu schmeicheln, sondern das zu tun, was im Interesse des Staates liegt. Serbien wird auf dem europäischen Weg stärker sein", betonte er. Die Handelskooperation mit der EU betrage mehr als 60 Prozent. "Die meisten Investitionen kommen aus der EU". Deshalb wolle Serbien "für einen Platz in der europäischen Familie kämpfen".
Kritik an Putin
Der zweite Punkt seiner Ansprache handelte vom ewigen Zankapfel Kosovo - und Wladimir Putin. "Unsere Position hat sich nach der Erklärung des russischen Präsidenten Wladimir Putin zur Kosovo-Frage zum Schlechteren gewendet", erklärte der erst kürzlich im Amt bestätigte Präsident Serbiens. Vučić las den Teil des Gesprächs zwischen Putin und UN-Generalsekretär António Guterres, in dem es um den Kosovo geht, vor. Ihm zufolge habe Putin, beim Versuch, die russischen Interessen zu verteidigen und den Angriff Russlands auf die Ukraine zu rechtfertigen, ein Argument benützt, das "nicht einfach" ist.
Alle europäischen Leader hätten ihm in persönlichen Gesprächen erzählt, dass Putin in seiner Rechtfertigung des Krieges immer wieder den Kosovo erwähnt. "Deshalb werden wir jetzt noch mehr unter Druck stehen. Das Thema Kosovo wird unseren politischen Diskurs dominieren. Das bedeutet aber nicht, dass Russland Kosovo anerkennen wird. Ich glaube auch nicht, dass in dieser Frage etwas passieren wird, außer dass wir unter großem Druck stehen werden, viel größer als in den vergangenen Jahren. Das wird unerträglich“, erklärte Vučić.
Der Wunsch nach Neutralität
Trotz allem habe er nicht vor, "die Freundschaften Serbiens im Osten" aufzugeben. "Ich denke nicht daran, wie sehr auch immer der Druck auf uns anwachsen sollte", sagte Vučić, um im nächsten Satz zu wiederholen: "Der strategische Weg Serbiens führt in die EU". Zudem äußerte Vučić den Wunsch, dass sein Land militärisch neutral bleibt und dem NATO-Bündnis nicht beitritt. Er befürworte aber eine Einführung des Pflichtwehrdienstes, der 90 Tage betragen soll.
Nach mehr als eineinhalb Stunden war die Ansprache vorbei. Bei anschließenden Journalistenfragen konnte sich Aleksandar Vučić nicht mehr erinnern, welchem Medium der Fragende gehört. "Seht ihr, ich bin wohl zu müde", räumte er ein. Kein Wunder, tanzt er doch auf mehreren Hochzeiten. Das wird sich, so scheint es, vorerst nicht ändern.