Leben/Reise

Ostsee – ganz schön anders

Es war auf Usedom und nicht auf Rügen. Diese eine Szene, die uns eine Vorstellung gab, was man so in Mecklenburg-Vorpommern machen kann, stammte aus Loriots genialem Film „Pappa ante portas“, ganz zum Schluss beim Fest zu Ehren der Schwiegermutter sind sie auf der Seebrücke. Wir dachten, irgendwo auf Rügen, aber nein, in Usedom.

Die Ostseeküste von „Meck-Pomm“ ist jetzt nicht ganz ums Eck von Österreich, aber jedenfalls eine Reise wert, weil man aus dem Staunen und Schauen gar nicht mehr rauskommt. Fälschlicherweise haben wir zum Beispiel immer mit Meeresküsten Trockenheit, Hitze und späte Abendessen verbunden. Aber nein, auf Rügen gibt’s Kuhweiden und Karottenäcker, und dahinter weißen Sandstrand, manchmal mit Steilküste. Und zauberhafte bis mondäne Seebäder. Und köstliche Fischbrötchen. Und blitzende Kreidefelsen, unverändert, seitdem sie 1818 Caspar David Friedrich gemalt hat. Und uralte Hansestädte. Und eine Geschichte, die weit zurückgeht. Sogar alpine Hüttengaudi in alten Nazi-Bauten gibt es inzwischen. Und Wirbel oder Ruhe, ganz wie man möchte. Kurzum: Es ist ganz schön anders.

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Wer die Region bereist, muss jedenfalls ein wenig geschichtliches Wissen parat haben, konkret: die Hanse. Das war ab Mitte des 12. Jahrhunderts ein Zusammenschluss von Kaufleuten, die den Schutz der Gruppe für die gefahrvollen Reisen suchten und ihre Interessen im Ausland gemeinsam vertraten. Als Hauptinteresse galt, wie heute, so wenig Steuern wie möglich zu zahlen. Dazu fanden sich die Kaufleute einer Stadt in einer Fahrgemeinschaft wieder. Im Ausland wurden die Waren dann in „Kontor“ genannten Niederlassungen verstaut und verkauft. Das gelang an der Ostsee besonders gut, weil sich zwischen den rohstoffreichen Gebieten Nordrusslands (z. B. Getreide, Holz, Wachs, Felle, Pelze), den nordischen Ländern und den Ländern Westeuropas (Flandern, Spanien, Italien, Frankreich und der süddeutsche Raum) mit seinen Fertigprodukten (wie Tuch, Wein, Bier) gute Geschäfte machen ließen.

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In Hansestädten wie Wismar, das einst vor allem für seine über hundert Bierbrauereien bekannt war, oder Stralsund, das Anfang des 14. Jahrhunderts zu den reichsten Städten der Welt gehörte (auch wenn in Stralsund eigentlich nichts hergestellt, sondern nur gehandelt wurde), finden sich auch heute zahlreiche Zeugen des damaligen Reichtums – vor allem einmal die Kirchen: die Stralsunder Marienkirche etwa war mit seiner 151 Meter hohen gotischen Spitze lange das weltweit höchste Bauwerk (bis 1647 ein Blitz einschlug und ein Feuer ausbrach).

Hansestädte

Wismar ist längst in die (Film-)Geschichte eingegangen: Hier wurde 1922 der erste Gruselschocker „Nosferatu“ gedreht – eine Kopie von Bram Stokers Roman Dracula, ohne Namensnennung.

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Meeresgiganten in Stralsund

Und Stralsund mag dafür bekanntsein, dass die Stadt zum Wahlbezirk einer Politikerin namens Angela Merkel gehörte. Merkel, damals frisch Bundeskanzlerin, kam freilich zur Grundsteinlegung des Ozeaneums, das man nur wärmstens empfehlen kann: ein Museum über die nördlichen Meere mit zahlreichen Aquarien und Fischen und Pflanzen. Das Highlight sind aber leblose Tiere. In einem etwa zwanzig Meter hohen und dreißig Meter langen Raum werden Wale und andere Riesen der Meere in ihrer originalen Größe gezeigt. Zur Ausstellung gehören unter anderem ein sechsundzwanzig Meter großer Blauwal und ein sechzehn Meter großer Buckelwal.

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Stralsund wird wegen der Lage am Strelasund, einer Meerenge der Ostsee zwischen Festland und der Insel Rügen, als „Tor zur Insel Rügen“ bezeichnet. Und Rügen ist – ganz schön anders: Es ist eine grüne, hügelige und wasserreiche Insel, die manche noch von der TV-Serie „Ein Bayer auf Rügen“ aus den 1990er-Jahren kennen.

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Eine Reise wert sind hier vor allem die Ostseebäder Binz, Sellin, Göhren, Baabe, Thiessow, Breege und Altefähr, mit ihren Seebrücken, das sind lange Stege, die einige hundert Meter ins flache Meer hinaus gehen, damit Schiffe anlegen können. Hier, und nur hier, darf man auch als Österreicher „lecker“ sagen, besonders zu den Fischbrötchen, meist mit Hering: Matjes-, Bismarck-, Brat- oder Pfefferheringsbrötchenstände finden sich überall in den Seebädern.

Nazi-Bau

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Erwähnt werden soll an dieser Stelle auch Prora, ja, der riesige Nazi-Freizeitbau von 1939. Teile der riesigen Anlage wurden wieder bewohnbar gemacht – und als „Mariandl am Meer“ als „nördlichstes Alpenresort Deutschlands“ mit 128 geschmackvoll eingerichteten Apartments beworben. Wunderschöne Seebäder sind aber nicht nur auf Rügen, sondern überall an der über 1.900 Kilometer langen Ostseeküste zu finden. Zu den schönsten und prächtigsten zählen vielleicht Kühlungsborn und Heiligendamm, das 1793 gegründete und damit ältestes Seebad auf dem Kontinent. Und natürlich Usedom.

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Klimafreundliche Anreise
Mit der Bahn von Wien (ein Umstieg in Berlin)  nach Stralsund, Reisedauer ab 10.45 Std., oebb.at

Übernachten
Am besten über ruegen.de oder auf-nach-mv.de nach Ferienhäusern, Villen oder Seeschlössern suchen

Essen
Bei Sternekoch Tillmann Hahn in Kühlungsborn: tillmannhahn.de

Sehenswert
– Ostseebad Sellin, ostseebad-sellin.de
–  Standorte der vier Ostsee-Tauchgondeln auf tauchgondel.de
– Ozeanum Stralsund: Infos über Veranstaltungen und Tickets: ozeaneum.de
– Naturpark Jasmund auf Rügen: nationalpark-jasmund.de/
– Golf- und Reiturlaube: ruegen.de/aktiv-und-natur

Veranstaltungen
– Störtebeker Festspiele, heuer von 24. 6. bis 9. 9.

Allgemeine Infos
mvp.de, ostsee.de