Leben/Reise

Lódz: Stadt der Frauen

Wütende Rufe und laute Trommelschläge, die Stimmung in Polens zweitgrößter Stadt ist aufgeheizt – wie immer am Weltfrauentag. In der Piotrkowska-Straße, der längsten Einkaufsstraße Europas, drängen sich Protestierende mit bunten Plakaten für mehr Demokratie und Gleichberechtigung und gegen die nationalkonservative Regierung. Der Zug bewegt sich langsam vom Freiheitsplatz zum Platz der Unabhängigkeit die vier Kilometer lange Piotrkowska entlang.

Diese Straße ist berühmt und ein Wahrzeichen der Stadt. Wo heute Reisende die Geschäfte, Musik-Clubs und Restaurants besuchen, wurde früher schon protestiert – von Frauen. Die Geschichte dahinter ist auch für Besucher spannend: Im 19. Jahrhundert waren es Frauen, die Lódz von dörflicher Größe zu einer Metropole anwachsen ließen. Grund dafür war die boomende Textilindustrie. Minimierte Ausfuhrzölle für Stoffexporte nach Russland und China führten zu einer dynamischen Expansion und binnen kürzester Zeit nannte man Lódz „Manchester des Ostens“ und „Stadt der Frauen“. Der Industrialisierungsprozess brachte für die Fabrikarbeiterinnen jedoch katastrophale Bedingungen, es gab sogar Missbrauchsvorwürfe, die Folge waren Streiks und Unruhen in den Fabriken.

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Das „Manufaktura“-Gelände zeigt auch heute noch den anhaltenden Modernisierungsprozess eindrucksvoll wie kein anderer Ort: Die alten Gebäude der industriellen Epoche sind heute Einkaufszentren, die neben Geschäften auch Freizeitattraktionen beherbergen. Hier bekommt man alles und kann nachts in eine hippe Discowelt abtauchen.

Lohnenswert ist ein Besuch des Kunstmuseums MS2, wo die damaligen Ereignisse reflektiert werden: Ausstellungen über die Textilgeschichte zeigen die Spannungen zwischen Ost-Gewohnheiten und West-Einflüssen; Handarbeitstraditionen wie Stricken, Weben oder Häkeln werden in künstlerischen, oft kritischen Werken in aktuellen politischen Kontext gesetzt.

Und wer nach den Eindrücken des Weltfrauentages am 8. März und dem Museumsbesuch eine Pause braucht, kehrt abends zurück zur Piotrkowska und findet dort – bestimmt – das passende Restaurant für sich.kristin butz

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Klimafreundliche Anreise
Wien–Lodz per Zug: mind. 8:15 Std., 1 Umstieg, oebb.at

Restaurants
– OFF Piotrkowska: moderne Bars, Foodtrucks und Restaurants im stillgelegten Industriekomplex. Besonders abends zu empfehlen
– Manufaktura: Das 27 Hektar große Vergnügungs- und Einkaufszentrum bietet ebenfalls viele Restaurants

Kunst und Kultur
– Street Art Szene: immer offen und gratis, zählt zu den größten Polens. In ganz Lódz gibt es Kunst zu bestaunen
– MS2-Kunstmuseum auf dem Manufaktura-Gelände:
msl.org.pl/ms2-en/

Auskunft lodz.travel