Livigno: Der ewig hungrige Skifahrer
Von Axel Halbhuber
Es geht das Gerücht um, dass Skifahrer heute nicht mehr den ganzen Tag Ski fahren wollen, das Neun-bis-sechzehn-Uhr-mit-einer-Lulu-und-einer-Trinkpause habe ausgedient. Stattdessen wollen Skifahrer angeblich nach ein bisschen Skifahren auf Sonnenterrassen sitzen – und gut essen.
Nun weiß man nicht, ob das stimmt, aber es ist zu beobachten, dass nicht nur immer mehr Hütten aufmachen, sondern die auch immer mehr zu Restaurants mutieren. Das Essen im Skiumfeld war früher eher auf der scheußlichen Seite (kalte Wurst in breiiger Suppe), es sollte ja vor allem Kraft geben. Später war es auf der schnöseligen Seite (Garnelenschwänzchen auf körnigem Risotto), es sollte ja vor allem beeindrucken. Seit einigen Jahren findet es zu seiner Mitte: Echte Köche bereiten auf dem Berg traditionelle Speisen zu und erfinden nebenbei eine neue alpine Küche in hoher Qualität.
Vorbild dafür, dass Bergluft nicht zwingend zu Notfallskulinarik führen muss, war immer schon Italien. Auf Hütten südlich unserer Bergkämme bekommt man Kaffee, wie er gemeint ist, und Essen, wie es schmecken sollte.
Das Tibet der Alpen
Nehmen wir zum Beispiel das entlegene Livigno: Die lombardische Kleinstadt liegt auf 1.816 Meter und schmückt sich mit Schmugglerhistorie, die die Lage zwischen dem handelsreichen Italien und der reichen Schweiz mit sich brachte – noch heute ist das Hochtal EU-Freihandelszone und ganz nebenbei einer der schönsten Plätze der Alpen, selbst gewählter Kosename: Tibet der Alpen.
Olympia im Blick
Neuerdings schmückt man sich hier auch mit den Olympischen Winterspielen, die 2026 in Mailand, Cortina d’Ampezzo und zum Teil hier (Snowboard und Freestyle) stattfinden werden. Mit der perfekten Landschaft für das Gelände-Skifahren und Skitourengehen schmückt man sich auch (und tut mit „Managed Trails“ und dem „Livigno Freeride Projekt“ viel dafür) und mit Schneeblödeleien wie Biathlon im Selbstversuch oder Snowbiken.
Zugleich spürt der Gast das Aufeinandertreffen der Gemüter. Hinter den Bergen am Nordrand Livignos leben die rätoromanischen Schweizer, die zwar akkurat sind, aber bodenständiger als die anderen Schweizer. Verlässt man die Kleinstadt (gefühlt ein Ort) Richtung Süden, steuert man langsam, aber beständig dem Meer zu. Das ist zwar weit weg, aber das Italienische ist nah und hat es bis Livigno geschafft. Womit wir wieder beim Essen wären.
Dem man im Skigebiet Livigno ständig begegnet. Eigentlich sind es zwei Skigebiete, ein Berg auf jeder Talseite. Die werden gerade liftmäßig verbunden, damit man zwischen „Mottolino“ und „Carosello 3000“ keinen Bus mehr braucht. Ob man lieber auf diesem oder jenem brettert, hängt von Tageszeit (Sonne), Können und Vorlieben ab. Auf Hütten mit gutem Essen wird man immer stoßen. Der hungrige Skifahrer auf dem Bild empfiehlt jedenfalls einen Besuch beim Pastahouse im Camanel Di Planon.
Ski und Tour: Infos zum Skigebiet und den Skitouren-Strecken ohne Guide oder Vorwissen auf livigno.eu
Schlechtwetter: Wellness im aquagrandalivigno.com; „MUS! Museo di Livigno e Trepalle“ (museolivigno.it)
Anreise: Klimafreundlich mit Zug bis Landeck (rd. 5,5 Std. ab Wien, oebb.at), dann in 2 Std. per Bus (oft als Hoteltransfer) über Zernez (Schweiz), durch den Tunnel Munt-la-Schera, vorbei am Lago di Livigno