Jugendliche wollen jeden Tag mit Sport beginnen und mehr Turnstunden
Von Heinz Wagner
Mindestens vier Stunden Sport pro Woche müssten an jeder Schule stattfinden. Da Bewegung allein nichts bringe, wenn ungesundes Zeug gefuttert werde, bräuchte es auch eine Stunde Ernährungsberatung. Ferner soll jeder Tag mit einer Bewegungseinheit beginnen. Einstimmig beschlossen dies Ende der Vorwoche 75 Abgeordnete des jüngsten Jugendparlaments. Auch die Fraktion weiß stimmte für den gemeinsamen Antrag von Gelb, Türkis und Violett, obwohl sie selber einen hatten in dem vier bis fünf Stunden sowie eine besser Kooperation mit Sportvereinen verlangt wurde.
Im Plenum des Nationalrates
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heinz wagner
Jugendparlament November 2012 (16)
Tiroler Schüler_innen
Das halbjährlich stattfindende Simualtionsprojekt im Hohen Haus wurde diesmal aus Tirol beschickt. Dafür hatten sich die Innsbrucker Gymnasien Reithmann- und Fallmerayerstraße sowie die PolyTechnische Schule Prutz qualifiziert. Für ihre äußerst sachlichen Beratungen, wenngleich beinahe ein wenig „sportlich-konkurrierenden“ Koalitionsverhandlungen hatten die Jugendlichen Fachleute Verfügung. Eine der Expert_innen war Mirna Jukić. Sie erläuterte engagiert die Bedeutung regelmäßiger Bewegung für Körper, aber auch Geist.
Ausschuss-Sitzung https://images.kurier.at/ausschuss-sitzung%2B%25287%2529.JPG/1.437.588 heinz wagner Jugendparlament November 2012 (07) Eros-Aziz Yıldız, diskussionsfreudiges Ausschuss-Mitglied der violetten Fraktion und quirliger, eloquenter Verhandler mit den anderen Gruppierungen (gelb, türkis und weiß) meint in der Sache selbst „am einfachsten wäre es wahrscheinlich, alle zwei Tage zwei Stunden Turnen oder Sport zu haben. Für die tägliche Turnstunde müsste sich sicher in unserem veralteten Schulsystem noch einiges erneuern.“Das Jugendparlament selbst findet der Innsbrucker Reithmann-Gymnasiast „großartig, dass wir Jugendlichen da in die wirkliche Welt der erwachsenen Abgeordneten hinein schnuppern können“.
Ebenfalls eher für zwei Stunden jeden zweiten Tag spricht sich in der MittagspauseMichelle Preugschat(BORG Fallmerayerstraße) gegenüber dem Online-KiKu aus. „Wir von weiß sind auch dafür, dass du, wenn du zum Beispiel in einem Verein Fuß- oder Volleyball spielst, dann weniger Turnstunden hast.
„Vier bis fünf Stunden wären gut!“, meint Katharina Krug (ebenfalls BORG) von der türkisen Fraktion. „und eine Stunde sollte Ernährung sei, ich persönlich mag Sport ja nicht so sehr.“
Beim Jugendparlament „waren einige am Anfang vielleicht gehemmt, aber nach kurzer Zeit ist das Reden in der Fraktion oder im Ausschuss total normal geworden.“
Schulkollegin Anna Haselsberger, die für die Gelben im Jugendparlament saß, sprach sich „neben 5 Sportstunden pro Woche vor allem für fünf Minuten in jeder Stunde“ aus, „da kannst du dich dann sowieso besser konzentrieren. Außerdem sollt’s in den Schulkantinen mehr Obst und Gemüse geben!“
Für „eine total gute Sache“ hältSophia Loos(ebenfalls BORG) das Jugendparlament. „Ich find’s wichtig, dass wir Jugendlichen sehen, was Abgeordnete so wirklich machen“.
„Es wäre schon gut, wenn das, was wir da vorschlagen, so ungefähr fünf Stunden in der Woche und ein paar Minuten in jeder Stunde auch in echt dann in allen Schule sein würde“, hofft Dominik Federspiel von der PolyTechnischen Schule Prutz. Er und seine beiden Schul- und gelben Fraktionskollegen René Kneringer bzw. Lucas Zangerl finden auch das Jugendparlament insgesamt „spannend, gut ist auch, dass wir da so aus verschiedenen Schulen durchmischt in den vier Fraktionen sind und nicht jede Schule extra für sich untereinander diskutiert.. Und gut ist auch, dass wir sehen, wie es hinter den Kulissen im Parlament wirklich zugeht.“
Diskussion im Plenum
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heinz wagner
jugendparlament november 2012 (1)
Vereine, Ausbildung, Gratis-Obst und-Gemüse
Neben den Anträgen für eine Schulgesetz-Änderung gelb-türkis-violett (mindestens vier Stunden) auf der einen und weiß (vier bis fünf Stunden aber weniger für jene, die in einen Sportverein gehen) auf der anderen Seite, brachten mehrere Abgeordnete auch Entschließungsanträge ein, insgesamt vier.
Einer von Weiß fordert die Regierung auf, „Maßnahmen für eine verstärkte Kooperation zwischen Schulen und Sportvereinen zu setzen.“Die Abgeordnete Giulia Prissmann verlangte namens mehrerer türkiser 1-Tages-Mandatar_innen, „umfassende Aus- und Weiterbildung der Lehrerinnen und lehrer für Bewegung und Sport“.Fraktionsübergreifend (gelb, türkis, violett) wurde gefordert, Schüler_innen regionales Obst und Gemüse kostenlos zur Verfügung zu stellen.Ebru Kicik, Catharina Sieberer und Gina Vetter (alle drei violett) brachten schließlich einen weiteren Entschließungsantrag ein, in dem „Ernährungskunde fächerübergreifend in den Stundenplan integriert“ gefordert wird.
Mirna Jukić, was ist deine Meinung zu dem Gesetzesantrag und den Diskussionen des Jugendparlaments?Ich bin prinzipiell schon dafür, dass man versucht, Jugendlichen, Kindern und ihren Eltern nahe zu bringen, dass Bewegung wichtig ist. Es geht ja hier nicht um Sport, es geht in erster Linie um Bewegung und da ist es meiner Meinung nach schon genug, wenn man vor jeder Stunde ein bissl Bewegung macht, Gymnastik oder so, damit man überhaupt diese Angewohnheit kriegt, es tut mir, es tut meinem Körper gut, sich zu bewegen: Nachher kann man daran anknüpfen an diese Forderung, jeden Tag eine Turnstunde. Da gibt’s sicher Variationen, man muss schauen, was am leichtesten durchzuführen ist. Aber ich find wichtig, zuerst einmal dieses Sport-, dieses Bewegungsbewusstsein zu wecken, weil das ist sicher bei vielen nicht der Fall.
Wenn’s nicht gleich geht mit der täglichen Turnstunde, dann bringen jedenfalls zehn Minuten – das muss auch nicht am Anfang der Stunde sein, das kann auch zwischendurch nach 20 Minuten sein. Du merkst dir dadurch ja auch vieles viel leichter. Und das kann jede Lehrerin und jeder Lehrer, auch wer Mathe unterrichtet, kann leicht und schnell Schwunggymnastik oder andere Übungen lernen. Das muss machbar sein, neben dem Schreibtisch das zu machen.
Londoner "Nullnummer"?Schon vor einem Jahr wurde in einem Jugendparlament ähnliches thematisiert, damals gab es kaum eine öffentliche Resonanz auf den Beschluss der Schüler_innen, jetzt nach der „Nullnummer“ von London ist die tägliche Turnstunde fast in aller Munde, was hältst du davon?Ich find’s in erster Linie einmal gut, dass man sich endlich einmal breiter über diese Sachen Gedanken macht. Aber London hat nichts mit einer täglichen Turnstunde zu tun, weil jemand, der Leistungssport betreibt, ist da ohnehin weit drüber, trainiert oft bis zu acht Stunden am Tag.Gut ist diese Diskussion, schlecht ist, dass sie wegen der Nullnummer in London ausgebrochen ist, da reden wir einfach von zwei verschiedenen Paar Schuhen. Die tägliche Bewegung gehört einfach in die Gesellschaft, in unsere Gehirne. Wir müssten uns alle bewusst sein, dass es die braucht, wenn man lang, wenn man gesund leben will und Kinder eine Chance haben sollen auf richtiges und gesundes Leben.
https://images.kurier.at/mirna_ausschuss7.jpg/1.431.501 Heinz Wagner Jugendparlament_Minra Jukic (2) Jugendparlament?!Was ist dein Eindruck vom Jugendparlament insgesamt?Ich find’s gut, seh das zum ersten Mal. Die Jugendlichen sind sehr geschickt, stellen auch gescheite Fragen, du siehst dass sie sich auseinandersetzen. Ich fände es wichtig, dass sich viele echte Abgeordnete das anschauen, sich da Anregungen holen.Und ich finde es gut, dass es diese Chance für Jugendliche gibt, dass sie sehen und erleben, wie funktioniert so ein Parlament, vielleicht entdecken manche ja auch, dass sie selber in die Politik einsteigen wollen.Insgesamt bin ich sehr beeindruckt und positiv überrascht.
https://images.kurier.at/mirna_fraktionB1.jpg/1.431.713 heinz wagner jugendparlament_mirna jukic (1) Selber einsteigen?A propos einsteigen, kannst du dir vorstellen, auch selber irgendwann in die Politik einzusteigen, um beispielsweise die Interessen des Sport stärker zu vertreten, selber Abgeordnete zu sein?Politik war nicht meins, ist auch nicht meins. Natürlich beschäftige ich mich mit Politik, weil das ja meine bürgerliche Pflicht, nein viel mehr mein Recht ist, ich seh’s als Recht und deswegen nutz ich das auch und gehe jedenfalls wählen. Aber ich bin viel zu wenig in diesem ganzen Geschehen als dass ich sagen würde, ich kandidier mich da jetzt.Das hier ist zwar schön, aber ich glaub nicht, dass das immer so abgeht im Nationalrat wie hier beim Jugendparlament. Die Jugendlichen sind sehr gesprächsbereit, sehr friedlich, sehr kompromissbereit, sehr nett zu einander. Nein, die echte Politik wär nichts für mich.
Danke für das Gespräch, hvala lepaBitte, gerne.
Auch beim jüngsten Jugendparlament (diesmal Schüler_innen aus Tirol) ergriff rund ein Drittel der Jugendlichen das Wort am wohl berühmtesten Redner_innen-Pult des Landes. Dort hätten nicht nur ihr, sondern fast allen Nationalratsabgeordneten bei ihrer Premiere die Knie geschlottert, meinte Parlamentspräsidentin Barbara Prammer anerkennend.
Überrascht zeigte sich auch Mirna Jukić, die sich als Expertin wie immer im Umgang mit Jugendlichen höchst engagiert einbrachte, über die Ernsthaftigkeit, aber auch die angenehme Diskussionsatmosphäre.
Die Jugendlichen aus drei Tiroler Schulen beschränkten sich nicht auf die kurzen, präzisen Statements, Beiträge und Anträge am Ende des jugendparlamentarischen Tages. Anfangs vielleicht noch gehemmt, brachten sich die meisten zunehmend schon den ganzen Tag über in den Fraktionssitzungen, im Ausschuss bzw. als Jungjournalist_innen in der Zeitung und bei der Produktion eines Films ein.
Viel gebracht
Wen auch immer du gefragt hast, praktisch alle fanden – wie schon ihre Vorgänger_innen bei früheren Jugendparlamenten – den Tag mehr als gelungen. Angenehm überrascht, „dass wir so ernst genommen wurden“, „viel spannender als erwartet“, auch „ganz schön anstrengend, aber gerade deswegen hat’s viel gebracht, weil wir sehr selbstständig arbeiten mussten oder durften“, lautete der Tenor vieler Einschätzungen.
Vielleicht sollte Schule davon lernen. Unterforderung führt ganz arg zu Langeweile. Und wenn Schüler_innen Aufgaben eigenverantwortlich übertragen bekommen, dann strengen sie sich meist ziemlich an!
Anders reagieren?
Ach ja, bin schon gespannt, ob diesmal mehr oder gar besser auf die Beschlüsse des Jugendparlaments reagiert wird als vor einem Jahr. Damals hieß es beispielsweise aus dem Bildungsministerium: Wir geben den Schulen in Sachen mehr Sport und Bewegung nix vor. Jetzt dank der großen Unterschriftenaktion nur wegen der Londoner „Nullnummer“ (übrigens nicht bei den Paralympics), einem 6-PArteine-Antrag im „alten“ Nationalrat pro täglicher Turnstunde könnten vielleicht auch die Jugendparlamentsbeschlüsse ernster genommen werden.