Leben

Erste Erotikmesse nur für Frauen: "Männer gelten nie als 'Schlampen'"

Sie soll "für Göttinnen, Königinnen, Prinzessinnen" sein: Am 18. und 19. Oktober findet in Wien erstmalig die "Pure Pleasure" statt, Österreichs erste Erotikmesse nur für Frauen. 

Hinter der Idee steht Veranstalterin Manuela Eigelsreiter, die ihre langjährige Erfahrung aus der Hotellerie nun nutzt, um dieses hierzulande noch einzigartige Event auf die Beine zu stellen. 

Venue ist ein Sektkeller im 19. Bezirk, ein stimmungsvoll-passender Ort, wie Eigelsreiter findet. Angefragt hatte sie bei mehreren Wiener Locations, bekam jedoch einige Absagen aufgrund des Themas. "Alles, was mit Erotik und Sexualität zu tun hat, wird leider oft noch als 'schmuddelig' abgestempelt," so Eigelsreiter im Gespräch mit dem KURIER.

Frauen und Erotik: Bedarf nach Austausch

Seit zwei Jahren arbeitet die gebürtige Niederösterreicherin selbstständig als Toy-Beraterin, also präsentiert interessierten Gruppen hochwertige Sexspielzeuge im Rahmen von kleinen, privaten Feiern ("das kann man sich wie eine Tupper-Party vorstellen!"). Dabei habe sie insbesondere den Bedarf nach Information und Austausch bei vielen Frauen registriert. Daraus entstand vor etwa einem Jahr schließlich die Idee für die "Pure Pleasure". 

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Keine Männer: Erotikmesse nur für Frauen

Warum bei der Veranstaltung keine Männer zugelassen sind, weibliches Lustempfinden noch immer schief beäugt wird und wie das neue Event dabei helfen soll, Vorurteile abzubauen, erklärt Eigelsreiter im KURIER-Interview.

KURIER: Erotikmessen gibt es grundsätzlich schon seit langem in Österreich. Warum nun eine eigene für Frauen?

Manuela Eigelsreiter: Ich kenne die Erotikmessen, sie haben auch absolut ihre Daseinsberechtigung. Man findet dort aber ein anderes Publikum. Die Problematik ist: Sobald man als Frau zu solchen Veranstaltungen geht, wird man leider schnell mal zum "Freiwild" wodurch solche Messen für viele Frauen nicht ansprechend sind. Auf der "Pure Pleasure" soll für weibliches Publikum ein ungezwungener und entspannter Rahmen geschaffen werden, ohne Kommentare oder blöde Sprüche, dafür mit viel Toleranz.

Darum sind Männer also gar nicht auf der Veranstaltung zugelassen?

Genau. Es werden etwa fünf Männer auf der Messe sein, die dort aber mitarbeiten: Ein Experte, der einen Vortrag hält, Ausstellende und ein Stripper beim Unterhaltungsprogramm. Frauen sollen auch dezidiert alleine hingehen und sich wohlfühlen können. Mir geht es ganz stark um den sicheren Raum, den "Safe Space", den sie oft nicht haben. 

Inwiefern?

Man kennt das schon vom Fortgehen, wenn Frauen immer wieder angebraten werden und deshalb das Gefühl bekommen, sich zurückhalten zu müssen. Das möchte ich auf der Veranstaltung nicht. Die Besucherinnen sollen sich Sachen anschauen, mit Ausstellenden ins Gespräch kommen und sich über alles informieren können, es gibt auch keine "dummen Fragen". Denn rund um das Thema Sexualität findet man noch so viele Bereiche, in denen Frauen zu wenig Wissen haben.

Welche zum Beispiel?

Es gibt keine Toyparty, auf der ich nicht mindestens zehn Minuten lang etwa über das Thema "Beckenboden" spreche – und wie wichtig es ist, diesen zu trainieren, und zwar nicht nur nach einer Schwangerschaft, sondern immer. Das bringt nicht nur Vorteile im Sexualleben, sondern ist auch wichtig zur körperlichen Altersvorsorge, insbesondere in Hinblick auf Inkontinenz, von der nicht wenige Frauen später betroffen sind. Leider ist das auch heute noch ein großes Tabuthema. 

Zurück zum Thema Erotik: Sind Frauen, die offenkundig Spaß und Interesse an Sex haben, heutzutage tatsächlich noch so ungewöhnlich?

In vielen Bereichen ja. Als Frau wird man viel schneller abgestempelt und kritisch beäugt in dem Zusammenhang, Männern gelten nie als "Schlampen". Im Messeprogramm haben wir bei den Speakern beispielsweise einen Callboy dabei. Total spannend – aber genau das ist auch der Punkt: Es ist nichts Außergewöhnliches, dass Männer ins Puff gehen. Wenn aber eine Frau zu einem Callboy geht, reagieren viele doch ganz anders ... Obwohl es im Prinzip das Gleiche ist, aber es wird immer noch anders gesehen. Und das ist schade. 

Mit der Veranstaltung wollen Sie auch "Mythen entlarven" – welcher Art beispielsweise?

Eine weitere Vortragende auf der Messe ist zum Beispiel ein Cam-Girl aus Oberösterreich. Die wird davon erzählen, wie sie ihr beschauliches Leben mit Mann und zwei Kindern mit ihrer Nebentätigkeit, sich vor der Kamera auszuziehen, vereinbart. Sie wird laufend mit Vorurteilen konfrontiert, obwohl das für sie einfach zwei Welten sind, die zwar zusammengehören, aber doch von einander getrennt sind. Alleine die Möglichkeit, so jemanden persönlich kennenzulernen, kann hilfreich sein, um Voreingenommenheit abzubauen.

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Auch werden auf der Messe Informationen rund um sexuelle Praktiken geboten, BDSM ist etwa ein großes Thema. Seit "50 Shades Of Grey" gibt es viele Menschen, die damit spielen und die es auch verurteilen. Obwohl eigentlich nichts dabei ist, jeder soll doch einfach machen können was ihm oder ihr Spaß macht, solange der Konsens vorhanden ist. Es gibt in Österreich zahlreiche Communities, mit denen man sich dazu austauschen kann – wenn man sich einmal traut, hinzugehen. 

Die Erotik- und Porno-Industrie ist nach wie vor stark vom "Male Gaze" geprägt – was hat sich in den letzten Jahren in dem Bereich getan?

Das Angebot speziell für Frauen wird langsam größer, immer mehr Anbieter erkennen diesen Markt für sich. Ein Beispiel sind etwa die erotischen Hörbuch-Geschichten von Femtasy, oder das Berliner Magazin Séparée. Auch haben wir in Wien mit dem "Liebenswert" einen Sexshop speziell für Frauen – was von der Erfahrung her doch etwas ganz anderes ist, als wenn man etwa in den "Spartacus" auf der Mariahilfer Straße geht, auch wenn beide tolle Geschäfte sind. 

Es gibt noch immer mehr Angebote für die männliche Zielgruppe, aber dafür findet man laufend neue Einzelunternehmende, die sich mit außergewöhnlichen Ideen für Frauen positionieren. Mir war es auch ein Anliegen, solche Klein- und Ein-Personen-Unternehmen auf der Messe vor den Vorhang zu holen.

Wo verorten Sie Nachholbedarf in der Erotik-Industrie?

Es muss sich noch viel am Image ändern. Sex und Erotik werden leider noch häufig mit "schmuddelig" konnotiert, obwohl das auf viele Bereiche längst nicht mehr zutrifft – im Gegenteil, vieles davon ist sehr hochwertig bis hochpreisig. Auch stecken bei den Angeboten oft jede Menge Arbeit und Liebe zum Detail dahinter, weshalb es einfach schade ist, alle Dienstleistenden in die Schmuddel-Ecke abzuschieben.

Woher stammen die Ausstellenden, die auf der "Pure Pleasure" vertreten sein werden?

Größtenteils sind es kleine Firmen und Einzelunternehmer aus Österreich, die zum Teil handgefertigte Einzelstücke anbieten. Auch das war mir wichtig, denn da weiß ich, dass hinter dem Produkt eine Person steht, die Wert auf hohe Qualität legt. Das ist doch etwas anderes als Massenware. 

Was wird auf der Messe noch alles geboten?

Wir haben beispielsweise auch einen Travestiekünstler als Speaker, der aufzeigt, wie unaufgeregt und normal es ist, dass er als glücklich verheirateter Mann eben auch gerne Frauenkleider trägt. Das eine muss das andere ja nicht ausschließen. 

Auch wird es eine Shibari-Show geben (aus Japan stammende Kunst des erotischen Fesselns, Anm.), einen Vortrag rund um Aphrodisiaka beim Essen, einen Stand zu Tantra-Massagen oder eine Beraterin zum Thema "Lust und Unlust" in Beziehungen – und was alles dahinterstecken kann. Auch wird eine Künstlerin vor Ort, in einem separat abgetrennten Bereich, Vulva-Abdrücke machen. 

Vulva-Abdrücke werden ja immer mehr zum Trend. Warum?

Weil es dringend an der Zeit ist, dass Frauen sich mehr damit beschäftigen. Wir wurden als kleine Mädchen dazu erzogen, dass wir unseren "Schambereich" verdecken müssen, während Burschen meist recht früh anfangen, zu vergleichen, wie sie "da unten" aussehen. Das ist bei Mädchen nicht so, viele Frauen haben noch nie in ihrem Leben eine andere Vulva gesehen. Diese Abdrücke können zumindest teilweise die Vielfalt aufzeigen – denn auch hier sind wir von der Porno-Industrie mitunter stark geprägt, die ein Körperbild als Norm zeigt, das einfach nicht der Realität entspricht. 

Am 18. und 19. Oktober findet die erste "Pure Pleasure" statt. Wie war das Feedback im Vorfeld und welche Pläne gibt es für die Zukunft?

Die Reaktionen sind sehr positiv bisher. Ich hatte sogar mit etwas mehr Widerstand von den Herren gerechnet (lacht). Aber im Gegenteil: Ich hab schon von einigen gehört, dass sie verstehen können, warum ich keine Männer zum Event zulasse. 

In Zukunft soll die Messe mehrfach stattfinden und auch in die Bundesländer gehen. Das Thema ist einfach so groß, es braucht mehr Raum. Auf mehrfache Anfrage soll es in künftigen Ausgaben auch einen "Pärchen-Tag" geben, bei dem Frauen ihren Partner mitnehmen können. Der Fokus wird aber stets auf der weiblichen Zielgruppe bleiben. Auch das Thema "Sexualität und Menopause" soll demnächst eigens aufgegriffen werden – ebenfalls sehr wichtig, denn nur, weil eine Frau in die Menopause kommt, hört sie nicht auf, ein sexuelles Wesen zu sein.