Zaz ist als Aktivistin milder und als Mensch sanfter geworden
„Es fühlt sich an, als würde ich aus einem zweijährigen Winter auftauchen. Mit dieser Platte ist es wieder Frühling geworden.“
Das sagt Zaz über ihr neues Album „Isa“, das nach ihrem bürgerlichen Namen Isabelle Geffroy benannt ist und zum Großteil während des Lockdowns entstand. Wie schon in ihrem Durchbruchshit „Je Veux“ von 2010 verbindet die Französin dabei Swing, Jazz, Pop und Gipsy-Rhythmen zu einem meist fröhlichen Sound, der die Alltagssorgen vergessen lässt und tatsächlich schon jetzt den Frühling ins Wohnzimmer holt.
Dahin zu kommen, war nicht leicht für die 41-Jährige – vor allem wegen des Lockdowns. „Wir alle haben dunkle Bereiche in unserer Persönlichkeit, denen wir uns irgendwann stellen müssen“, erklärt sie im Interview mit dem KURIER. „Für mich ist es das Paradoxon, dass es mir leicht fällt, auf der Bühne zu stehen, zu singen und Songs zu performen. Das gibt mir Energie. Auf der anderen Seite widerstrebt es mir, in privaten Situationen angestarrt und beobachtet zu werden. Was ich in den letzten Jahren erlebt habe, war nährend. Alles war neu und ich habe viel experimentiert. Dann war das plötzlich aus und ich fühlte mich ohne diese exzessive Routine sehr verletzlich. Da konnte ich dieses private Problem nicht länger verleugnen.“
Deshalb nahm Zaz während der Pandemie Schauspiel- und Tanz-Unterricht, begab sich mit Absicht in die Situation, in intimerem Rahmen beobachtet zu werden. Und sie entwickelte den Wunsch, dass Zaz stirbt: „Die öffentliche Figur hatte den ganzen Raum eingenommen, dass nur wenig Platz für Isa blieb. Ich hatte zehn Jahre damit verbracht, meine Energie in die Welt hinaus zu senden. Jetzt musste ich Isa wieder entdecken.“
Das bezieht sich nicht nur auf die Künstlerin, sondern auch auf die Aktivistin, die sie im Laufe der Karriere geworden war. Zaz engagiert sich bei Colibri, einer Bewegung für die Erde und den Humanismus, die sich um ein neues Gesellschaftsmodell bemüht, und spendet ihre Merchandising-Einnahmen an basis-ökologischen Organisationen.
„Ich hatte mich über diesen Kampf definiert, als Künstlerin, die die Welt verändern will“, sagt sie. „Ich habe geglaubt, ich könnte ein Superheld sein und die Welt besser machen. Ich war hypersensitiv und so einfühlsam, dass es mich überwältigt hat. Ich habe die Gefühle rund um mich aufgenommen und glaubte, für alles verantwortlich zu sein. Jetzt gehe ich sanfter mit mir selbst um und kann besser erkennen, was ich erreichen kann und was nicht.“
Das kam, weil sie 40 und reifer geworden war. Es aber auch durch den Stopp der Tourneen und die Notwendigkeit bedingt, in Zaz die private Isa wiederzufinden.
Hoffnung
„Ich bin als Aktivistin milder geworden. Ich mache aber immer noch jeden Tag etwas, um Falsches zurechtzurücken. Ich habe zum Beispiel das Festival Crussol gegründet, mit dem wir kleine Bürgerinitiativen aus den Bereichen Ökologie, Bildung, CO2-Ausstoß und gewaltfreie Kommunikation ins Rampenlicht holen.“
Dieses Thema greift Zaz in ihrem jüngsten Hit „Imagine“ auf. Damit will sie nicht dem Klassiker von John Lennon Konkurrenz machen, sondern Hoffnung verbreiten und dazu aufrufen, für den Traum von einer besseren Welt, bei sich selbst zu beginnen.
„Es ist traurig und beängstigend, wenn man sieht, in welchem Zustand die Welt ist. Aber es gibt eine ganze Reihe von Menschen, die tatsächlich etwas tun. Und der Satz ,Sei du selbst die Veränderung, die du in der Welt sehen willst’ könnte nicht wahrer sein. Man muss sich zuerst auf sich selbst fokussieren. Denn deine eigenen Probleme zu lösen und inneren Frieden zu finden, macht dich zu einem besseren Menschen. Dadurch kannst du positive Energie ausstrahlen, was die Leute um dich herum positiv beeinflusst.“
Das Thema Liebe greift Zaz in „Le Jardin Des Larmes“ im Duett mit Rammstein-Sänger Till Lindemann auf: „Mir ist klar, dass sein Image als dieser charismatische Frontmann konträr zu dem ist, was ich aussenden will. Aber für mich ist Till zu allererst ein einzigartiger Künstler, ein wahrer Poet, höchst sensibel und eine so liebenswerte Person. Er war ein Fan von mir und hat mich zu einem Rammstein-Konzert in Frankreich eingeladen. Dort habe ich ihn backstage begrüßt. Als ich wieder rausging, begann er ,Je Veux’ zu singen – in einem Gladiatoren-Outfit! Es war surreal. Aber wir waren sofort auf einer Wellenlänge.“