Peter Handke war laut Pass "Jugoslawe"
Von Michael Huber
Die Debatte um die Balkan-Verstrickungen des Literaturnobelpreisträgers Peter Handke ist um eine Facette reicher: Wie die vom einstigen Guardian-Journalisten und Edward-Snowden-Mitstreiter Glenn Greenwald mitbegründete Aufdeckerplattform "The Intercept" berichtet, bekam der Schriftsteller im Juni 1999 vom damaligen Milosevic-Regime einen jugoslawischen Pass ausgestellt. In diesem wurde auch seine Nationalität mit "Jugoslawisch" angegeben.
Der Journalist Peter Maass entdeckte das Dokument auf den von der Österreichischen Nationalbibliothek betriebenen Archiv-Seiten "Handke Online". Es war als Teil eines Konvoluts aus dem Besitz von Hans Widrich, dem langjährigen Pressechef der Salzburger Festspiele, an die Bibliothek gelangt. Handke und Widrich kannten einander aus ihrer Internatszeit im Kärntner Tanzenberg. Der Schriftsteller hatte von 1979 bis 1987 in Widrichs Haus am Mönchsberg gewohnt und blieb mit ihm befreundet; er hinterließ ihm zahlreiche Fotos und persönliche Gegenstände.
Kurz vor Veröffentlichung des Intercept-Artikels wurde das Bild des Passes von der "Handke Online"-Seite entfernt. Wie Bernhard Fetz, Leiter des Literaturarchivs der ÖNB, gegenüber dem KURIER betont, habe es sich dabei nicht um Zensur gehandelt, man habe lediglich die Rechtslage befolgt: Da das Bild aus dem Privatarchivs Widrichs stamme, habe man seiner Bitte, das Bild offline zu nehmen, entsprochen. In Rücksprache mit Handke habe Widrich die Veröffentlichung mittlerweile wieder autorisiert.
Billiger ins Hotel
Der Pass wurde am 15. Juni 1999 ausgestellt - eine Woche zuvor, am 9. Juni, war im Kosovo der NATO-Einsatz zu Ende gegangen, Handkes Stück "Die Fahrt im Einbaum oder das Stück vom Krieg" wurde unter der Regie von Claus Peymann im Wiener Burgtheater uraufgeführt.
An sich hatten nur Staatsbürger des damaligen Jugoslawien (der Staat hieß bis 2003 so und umfasste Serbien, Montenegro und den Kosovo) Anspruch auf ein solches Dokument. Ob Handke eine jugoslawische Staatsbürgerschaft beantragt oder verliehen bekommen hatte, ist nicht eindeutig zu beweisen - es ist gut möglich, dass die Behörden den Prozess "abkürzten". Wie der Standard im zuständigen Kärntner Referat in Erfahrung brachte, hat Handke hierzulande nie einen Antrag auf Doppelstaatsbürgerschaft gestellt.
Wie Hans Widrich gegenüber "The Intercept" erzählte, sei er mit Handke einmal auf den jugoslawischen Pass zu sprechen gekommen. Der Schriftsteller erklärte, er habe darum angesucht, weil er als Österreicher bei seinen Reisen in die Balkan Region immer überhöhte Hotelpreise zu zahlen gehabt hatte. Als "Einheimischer" hätte er sich diese erspart.
"The Intercept" gibt sich aber mit dieser Erklärung nicht zufrieden. Handke, schreibt der Autor, hätte gewiss weniger in den Hotels bezahlt, aber "das wäre eine unzureichende Erklärung dafür, ein solch ungewöhnliches und kontroversielles Geschenk von einem Regime anzunehmen, das wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Bosnien und im Kosovo in weiten Kreisen verurteilt worden war. Einen Pass von Milosevics Regime anzunehmen, ähnelt eher einem politischen Akt, der Unterstützung und Übereinstimmung signalisierte."