Umstrittene Skandaldoku "Leaving Neverland" heute auf ProSieben
Der Hauptbeschuldigte kann sich nicht mehr wehren. Aber soll man seine mutmaßlichen Opfer deshalb nicht anhören? Dieses emotionale Minenfeld betritt die Doku „Leaving Neverland“, die Ende Jänner in den USA gezeigt wurde und heute, Samstag, erstmals auch im deutschen Sprachraum zu sehen ist (20.15 Uhr, ProSieben).
Die Doku von Dan Reed hat erneut eine breite Debatte darüber eröffnet, ob der „King of Pop“ junge Buben sexuell missbraucht haben soll. Oder ob er – wie seine hartnäckigen Fans glauben – tatsächlich nur ein Kind im Manne war, das sich und seinen minderjährigen Begleitern eine gute Zeit machte.
Der Trailer zur Doku:
Erwachsene outen sich
Bemerkenswert ist die Doku allenfalls. Allein schon wegen des Umstandes, dass zwei heute erwachsene Männer offen darüber berichten, was ihnen an sexuellem Missbrauch widerfahren sei. James Safechuck (41) und Wade Robson (36) schildern in schwer zu ertragenen Details, wie der 2009 gestorbene Sänger sie als Kinder missbraucht haben soll: „In Paris zeigte er mir, wie man masturbiert. Damit fing es an“, sagt Safechuck. Und dass Jackson sich überall auf seiner berühmten Neverland-Ranch an ihm vergangen haben soll. „Es klingt krank, aber es war wie in einer frischen Beziehung“, sagt er. „Ich war richtig verliebt in ihn.“ Robson erzählt ebenfalls erschreckende Details aus seinen Erinnerungen an Jackson: „Ich konnte entweder ihn anschauen wie er masturbierte oder Peter Pan“, sagt Robson in der Dokumentation. Angefangen habe der Missbrauch, als er erst sieben Jahre alt war. Robsons Mutter spricht von einem „Muster“: „Alle zwölf Monate hatte er einen neuen Jungen an seiner Seite.“
Ausgerechnet unmittelbar vor der Ausstrahlung der deutschen Fassung musste Regisseur Reed einräumen, dass ein Detail nicht so sein kann, wie Safechuck es erzählt. Er gibt in der Dokumentation an, von 1988 bis 1992 von Jackson missbraucht worden zu sein – unter anderem in einem Raum des Neverland-Bahnhofes. Der wurde aber erst 1993 gebaut, wie ein Jackson-Biograf in den offiziellen Unterlagen der Baugenehmigung herausgefunden hat.
Wütende Fans
Das ist Wasser auf die Mühlen der Jackson-Fans. Einige von ihnen haben für Samstag Demonstrationen vor der ProSieben-Zentrale in Unterföhring angekündigt, um auf „Verleumdungen und Falschaussagen“ in der Dokumentation aufmerksam zu machen. Französische Fanklubs haben den Filmemacher verklagt, Jacksons Nachlassverwalter tat dasselbe bereits in den USA. Ein Glaubenskrieg ist entbrannt – und das ausgerechnet in einem lukrativen Jubiläumsjahr: Heuer vor zehn Jahren starb Jackson seinen tragischen Tod nach einer Medikamentenüberdosis. Nach und nach rückten Prominente und Firmen vom „King of Pop“ ab. Die Macher der „Simpsons“ etwa wollten eine Episode verbannen, in der die Stimme des 2009 gestorbenen Sängers zu hören ist. Und das französische Luxuslabel Louis Vuitton ließ Teile einer für Juni angesetzten Kollektion zurückziehen, weil darauf das Konterfei Jacksons zu sehen war.
Missbrauchsopfer.Die Hotline 147 von „Rat auf Draht“ bietet Hilfe für Opfer sexueller Übergriffe.