Kultur/Medien

Aus für GIS fixiert: Wer künftig für den ORF bezahlen soll

Weißer Rauch in der Medienpolitik: Wie der KURIER erfahren hat, gibt es eine Einigung über die künftige ORF-Finanzierung. Ausverhandelt wurde demnach eine Haushaltsabgabe. Diese soll deutlich billiger werden als die bisherige ORF-Gebühr: Kolportiert werden in politiknahen Kreisen 16,50 Euro pro Haushalt. Ob mit oder ohne Umsatzsteuer war vorerst unklar. Das wäre jedenfalls eine deutliche Einsparung für die bisherigen Gebührenzahler. Das Programmentgelt beträgt derzeit 18,59 Euro (20,45 Euro inklusive Umsatzsteuer).

Kolportiert wird auch eine soziale Abfederung wie bisher - eine wiederholte Forderung der Grünen. Bis zuletzt hatte Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) mit ORF-Generaldirektor Roland Weißmann über die Form und die Höhe der ORF-Finanzierung Gespräche geführt. Raab meldete sich am Freitag mit folgendem Statement zu Wort: „Entscheidend ist für mich, dass ein substantieller ORF-Rabatt zugunsten der Menschen möglich wird.

Die Österreicherinnen und Österreicher, die den ORF finanzieren, sollen weniger zahlen als bisher. Vor diesem Hintergrund kann ich mir einen ORF-Beitrag pro Haushalt vorstellen. Dazu werden wir nun mit dem Koalitionspartner in Verhandlungen treten.“

Rund 300 Millionen Euro weniger

Dafür gibt es eine harte Einsparungsvorgabe für den ORF bis 2026. Kolportierte Höhe sind rund 300 Millionen Euro. Das entspricht in etwa dem angemeldeten zusätzlichen Finanzbedarf des ORF.

Die mittelfristige ORF-Finanzplanung (mit fortgeschriebenen GIS-Einnahmen) weist ein Minus von 70 Millionen Euro für 2024, ein Minus von 90 Millionen für 2025 und Verluste in der Höhe von 130 Millionen Euro für 2026 aus (bei einem Umsatz von rund einer Milliarde Euro) trotz weiterer eingeplanter z. Teil einmaliger Einsparungen (Aussetzen der Pensionskassenbeiträge etc.). Das muss er nun aus eigenen Kräften stemmen.

Der mit der bisherigen GIS-Gebühr eingehobene Länderanteil soll weiterbestehen. Dieser wird je nach Bundesland unterschiedlich hoch mit dem Rundfunkbeitrag abgebucht.

Mit Ende 2023 läuft die aktuelle Form der Einhebung des Programmentgelts für den ORF durch die GIS nach dem Spruch des Verfassungsgerichtshofs aus. Dieser verlangt die Schließung der Streaming-Lücke, weil sie gleichheitswidrig sei. Gleichzeitig formulierte das Höchstgericht eine "Finanzierungsgarantie".

Da auch das neue Modell wohl von der EU-Kommission als Beihilfe qualifiziert wird, muss es noch in Brüssel abgesegnet werden. Auch deshalb hat die Zeit gedrängt. Zuletzt sprach ORF-Generaldirektor Weißmann von längstens sechs bis acht Wochen, die man noch für eine Einigung habe.

Reaktionen

Die KURIER-Meldung über ein Gesprächsergebnis wollte der ORF vor dem Sonder-Finanzausschuss nicht näher kommentieren. "Grundsätzlich wäre eine Haushaltsabgabe eine nachhaltige Lösung für die Finanzierung des ORF und eine Digitalnovelle würde die gesetzlichen Grundlagen für die digitale Weiterentwicklung des ORF sicherstellen", hieß es in einer Stellungnahme. Man verweist darin, ohne das näher zu erläutern, auch auf Einsparungen seit 2017 von 450 Millionen. "Diesen Weg wird der ORF konsequent weitergehen."

Für NEOS-Mediensprecherin Henrike Brandstötter greift das zu kurz: "Die Menschen haben ein Recht auf einen unabhängigen, entpolitisierten ORF. Dafür braucht es aber tiefgreifende Reformen, die weit über die Finanzierungsfrage hinausgehen", erklärt sie in einer Stellungnahme. "Nur die Haushaltsabgabe einzuführen und dem ORF einen Sparkurs zu verordnen, kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein."

Für die SPÖ liegt "der Teufel im Detail": Entscheidend sei, "dass jedes neue Finanzierungsmodell die Unabhängigkeit des ORF sichert und sozial verträglich ist“, so Mediensprecher Jörg Leichtfried. Er vermisst zudem Entwicklungsperspektiven für den ORF im Digitalbereich.

Für FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker wäre die Haushaltsabgabe "ein Skandal der Sonderklasse." Bei vier Millionen Haushalten und einem kolportierten Programmentgelt von 16,50 Euro pro Monat bedeute das Einnahmen von 792 Millionen Euro - und damit ein Plus von den bisherigen GIS-Einnahmen von 676 Millionen pro Jahr. "Keine Spur von Einsparungen."

Der ÖVP-Koalitionspartner, die Grünen, begrüßen die Einführung einer Haushaltsabgabe als immer bevorzugtes Modell. "Sie käme den einzelnen Haushalten günstiger und würde den ORF und den heute noch wichtiger gewordenen öffentlich-rechtlichen Auftrag gut absicher", hieß es in der "ZiB1".

Corinna Drumm, Geschäftsführerin des Verbands Österreichischer Privatsender, kritisierte, dass von harten Einsparungsvorgaben nicht die Rede sein k0önne. "Denn es geht nicht um weniger Geld, sondern um weniger Mehr als gewünscht. Tatsächlich verändert sich die Relation sogar zu Gunsten des ORF, da private Medien in den letzten Jahren mit echten Erlösrückgängen konfrontiert waren und sind."

"Medien wie der ORF erleben bei Jugendlichen derzeit sowohl einen Rückgang in der Nutzung als auch im Vertrauen. Dass jetzt junge Menschen durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk weiter finanziell belastet werden sollen, stößt bei uns auf Unverständnis. Sollten die Pläne zur Haushaltsabgabe weiter forciert werden, braucht es Ausnahmeregelungen, von denen besonders die Jungen profitieren,“ so Julian Christian, Vorsitzender der Bundesjugendvertretung (BJV).
Die Lebensverdienstkurven zeige deutlich, dass die Einführung einer einheitlichen Abgabe, die ungeachtet der Nutzung des Programms und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit greift, zu einer überproportionalen Belastung junger Menschen führe.

Das Aus für ORF Sport+ befürchtet indes Hans Niessl. Der Präsident der Bundes-Sportorganisation Sport Austria beruft deshalb eine extra Präsidiumssitzung ein. Der ORF verweist auch hier auf die Beratungen von Unternehmensführung und Stiftungsräten am Montag. Laut ORF-Gesetz sind die Spartensender ORF Sport+ und ORFIII sowie das Radio Symphonie Orchester nur „nach Maßgabe der wirtschaftlichen Tragbarkeit“ zu betreiben. Alle anderen Sender im Gesetz ebenso festgeschrieben wie die neun Landesstudios.

ORF-Finanzen
Nach dem Wegfall der GIS mit Ende 2023, durch Mehrkosten   und ohne neues Finanzierungsmodell hätten dem ORF 2024 740 Millionen gefehlt. Man hätte also den Küniglberg sofort zusperren müssen  

Mehrkosten
Wegen Inflation, Energiekosten und erhöhter GIS-Abmeldungen rechnet der ORF mit zusätzlichen Mehrkosten von 325 Millionen kumuliert für 2024 bis 2026    

Einsparungen
Luxuspensionsregelungen gibt es seit mehr als zwei Jahrzehnten nicht mehr. Mit 2,1 Prozent (2023) und 2,4 Prozent plus 500 Euro Einmalzahlung in 2024 hat der ORF mit die niedrigsten Lohnabschlüsse des Landes. 900 Posten wurden seit 2007 abgebaut

Ein Teil Österreichs

Kurz vor dem Durchsickern einer Einigung mahnte der Stiftungsratsvorsitzende Lothar Lockl gegenüber dem KURIER: "Die Kernfrage an die Politik lautet: Will man den ORF stärken und ihm auch in Zukunft ermöglichen, das Publikum zu erreichen? Oder will man den ORF schwächen und damit die Konkurrenz des ORF, nämlich amerikanische und chinesische IT- Plattformen wie YouTube, Facebook, TikTok oder Google, stärken?"

Lockl verwies auch auf den Stellenwert des ORF und seiner Information in Zeiten von Fake News. "Der ORF ist ein Teil Österreichs. Er ist einer der wesentlichen Kulturträger dieses Landes. Er ist nicht gewinnorientiert, sondern einem gesetzlichen Auftrag verpflichtet."

Der Chef des obersten ORF-Aufsichtsgremiums unterstrich: "Der ORF spart seit Jahren und wird auch in Zukunft weiter auf Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Effizienz achten." Das sei der klare Auftrag des Stiftungsrates an das ORF-Management, dem das ORF-Direktorium nachkomme und auch weiter nachkommen werde. "Aber, auch eines muss klar gesagt werden: irgendwann ist das Ende erreicht. Dann geht es nicht mehr um kostengünstige Strukturen, sondern um die Substanz, dann ist das Programm gefährdet und das Publikum betroffen."

Er hoffe sehr, dass die Medienpolitik im Sinne des Spruchs des Verfassungsgerichts eine nachhaltige Finanzierung des ORF im Interesse von täglich 6,5 Millionen Seher, Hörer und Nutzer sicherstelle.