Farbenlehre trifft Sozialkritik: Das Künstlerpaar Kandl
Von Michael Huber
Der Vater von Helmut Kandl, geborener Schäffer, lebte bis 2002 in Laa an der Thaya. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, so ist einem Blatt in der Landesgalerie Niederösterreich zu entnehmen, war er sehr misstrauisch gegenüber jedem, der da über die Grenze kam. Als einmal ein tschechischer Laster vor seinem Haus stand, rief er die Polizei. Als der Wachmann meinte, dass der Senior ja auch selbst den Lenker hätte bitten können, von der Einfahrt wegzufahren, sagte der alte Herr: „Aber ich will ja gar nicht weg!“
Anekdoten wie diese haben Helmut und Johanna Kandl, seit 1997 verheiratet, zahlreich auf Lager. Manche transformieren sie zu Kunstwerken im engeren Sinn, etwa in Form schön illustrierter Blätter. Wo genau aber die Grenze zwischen Kunst, privater Erinnerung und Recherche verläuft, ist nicht immer ganz eindeutig festzustellen.
Die Landesgalerie in Krems hat nun den Gesamtkosmos des Künstlerpaares, seit Langem ein Fixstern der heimischen Szene, in den Fokus genommen. „Viva Archiva“ (bis 20. 2.) bietet einen Schlüsselloch-Blick auf eine außergewöhnliche Praxis, sich die Welt in Bildern und Dingen anzueignen.
Anders als der Weinviertler Vater von Helmut Kandl fährt das Künstlerpaar dabei gern weg. In Krems fällt besonders auf, dass die beiden dabei gern das Eigene im Fremden suchen: Orte der Peripherie, kleine Händler und Geschäfte, Menschen in prekären Lagen bekommen immer wieder einen Auftritt.
In Johanna Kandls Gemälden werden diese Motive auf sarkastische Art mit Sprüchen des westlichen Kapitalismus kombiniert – das Bild einer indischen Frau, die Kühe füttert, ist dann etwa mit dem Satz „Land is the new Gold“ untertitelt.
Farbgeschichten
Ein Bild zweier koreanischer Gastarbeiter, 1997 vom Ehepaar Essl angekauft, kommt ohne Text aus. Dafür verwirrt der Titel: „Preußischblau und Oxidgelb“ nimmt weniger auf den Inhalt des Bildes als auf die Farbpigmente Bezug.
Die Idee, über das Material der Malerei Geschichten zu erzählen und Sozialkritik zu formulieren, verfolgen die Kandls nun schon lange. Die Schau „Palette“ im Kunsthaus Graz (bis 13. 3.) nimmt diesen Aspekt in den Blick.
Auch wenn die Farb-Recherchen manchmal etwas lehrbuchhaft wirken, wird bald klar, dass die Auseinandersetzung sehr persönliche Wurzeln hat und stets die Lust am Ausufern und Abschweifen beinhaltet. Verlieren kann man sich dazu in einem Katalog, der von Landesgalerie und Kunsthaus koproduziert wurde.
Künstlergespräch heute, Freitag, 18 Uhr, Landesgalerie NÖ, Krems (Eintritt frei; 2 G plus, Anmeldung auf lgnoe.at)