Kultur

David Bowie: Nicht nur als Sänger unersetzlich

25. Juni 2000. Vor der Pyramid Stage des Glastonbury-Festivals haben sich 250.000 Leute versammelt. Sie warten auf David Bowie, das absolute Highlight des gesamten Festivals.

Bowie hat für diese Show einen speziellen Beginn geplant: Sein Pianist Mike Garson soll als erster auf die Bühne gehen, alleine ein bisschen improvisieren, bevor Bowie und die Band dazukommen und „Life On Mars?“ anstimmen. Doch als Garson in die Tasten greift, kommt kein Ton. „Ich bin fast ausgeflippt“, erzählt der 73-Jährige im KURIER-Interview. „Ein Haufen Leute rannte auf die Bühne, fummelte an Kabeln rum. Am Ende stellte sich heraus, dass jemand die Lautstärke auf dem Instrument abgedreht hatte.“

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Trotz dieser anfänglichen Schreck-Sekunden ist der Glastonbury-Auftritt von Bowie, der soeben als Live-Album/DVD erschienen ist (siehe unten) der Moment in Garsons Arbeit mit der Rock-Ikone, an den er sich am liebsten erinnert – obwohl der sowohl in Klassik als auch Jazz ausgebildete Musiker schon 1972 zu Bowies Band kam. Engagiert wurde er, nachdem er nur acht Takte vorgespielt hatte.

Neugierig

David war nicht im Aufnahmeraum sondern hinter der Glaswand im Regieraum“, erinnert sich Garson an die erste Begegnung. „Ich bekam die Akkorde von ,Changes’, spielte sie zehn Sekunden und dann sagte David: ,Du hast den Job’. Er war von Anfang an unglaublich warmherzig und neugierig. Er fragte eine Million Dinge über meine Jazz-Musik und die Erfahrungen mit Klassik. Das war mir zuerst peinlich, denn ich wollte spielen, was er brauchte, mich ihm anpassen. Da habe ich aber unterschätzt, wie intuitiv David sich immer genau die richtigen Musiker auswählte, und dass er mich geholt hatte, weil er genau dieses Flair von Jazz und Klassik haben wollte.“

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Es war eine Begegnung, die Garsons Leben veränderte – obwohl er anfangs Zweifel hatte, mit einem der Rockmusiker zu arbeiten, die damals speziell in Jazz- und Klassiker-Kreisen noch weit von ihrem heutigen Ansehen entfernt waren. Aber: „Ich konnte einfach nicht verleugnen, dass David ein Genie war. Alle Vorurteile, die ich hätte haben können, wurden von seinem Talent und der Chance, etwas beitragen zu können, weggewischt. So habe ich über 1000 Shows mit ihm gespielt und bin auf 19 seiner Alben zu hören.“

Auch wenn sich Bowies Todestag am 10. Jänner schon zum dritten Mal jährt, arbeitet Mike Garson heute immer noch mit voller Leidenschaft mit dessen Songs. Er steckt hinter den „A Bowie Celebration“-Tourneen, bei der Musiker aus den verschiedenen Inkarnationen der Bowie-Band mit Gastsängern auf Tour gehen.

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Am 22. Jänner macht Garson mit dieser Tour auch in der Wiener Arena Station. Mit dabei sind die Gitarristen Earl Slick, Gerry Leonard und Mark Plati und Bassist Carmine Rojas, die alle viele Jahre mit Bowie auf Tour waren. Bassistin Gail Ann Dorsey fehlt allerdings, weil sie als Mitglied der Band von Lenny Kravitz auf Tour ist.

Das größte Problem bei diesen Shows ist für Garson die Wahl der Sänger. In Wien werden Gaby Moreno, Corey Glover (Living Colour) und Bernard Fowler (der langjährige Backing-Sänger der Rolling Stones) Hits wie „Moonage Daydream“, „Rebel, Rebel“ „Heroes“, „Under Pressure“, „Ziggy Stardust“ und „All The Young Dudes“ singen.

Unersetzlich

„Es braucht fast ein ganzes Dorf, um die Vokals gut hinzukriegen“, sagt Garson mit hörbar traurigem Unterton. „Als Sänger ist David unersetzlich. Ich jedenfalls haben noch keinen gehört, der mich so tief berühren konnte, wie David das tat. Keiner hat seinen Stimmumfang und die stilistische und emotionale Bandbreite.“

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Ebenfalls mit dabei ist Stings Sohn Joe Sumner, der unter anderem „Life On Mars?“ interpretiert. Ein Song, bei dem Garsons Klavierspiel die tragende Rolle zukommt: „Das war immer ein extrem spezieller Moment in den Shows mit David. Denn ich konnte meinen Part jedes Mal ein bisschen anders spielen. Nur ganz wenige Sänger können mit solchen Variationen umgehen. Aber David hat das begrüßt und gefördert. Er hatte ähnlich wie Jazz-Sänger wie Frank Sinatra die Fähigkeit und die Flexibilität, spontan mit dem Fluss der Musik mitgehen zu können.“

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Weil Bowie so ein Ausnahme-Talent war, und Garson heute mit anderen Sängern arbeitet, gibt es etwas, das er bereut: „Durch die lange Zeit, die ich mit David gespielt habe, habe ich zu seinen Lebzeiten sein Talent schon ein bisschen als selbstverständlich angesehen. Ich stand bei unseren Shows ja auch immer hinter ihm und habe mich darauf konzentriert, ihm die beste Basis für seinen Gesang zu bieten. Erst nach seinem Tod habe ich mir auf YouTube all die Videos und das Ganze von vorne angesehen und gemerkt, wie David seine Fans anlächelt, sich ihnen und der Stimmung hingibt. Ich wusste zwar, dass er ein toller Künstler ist, aber von seiner hypnotischen Wirkung habe ich nicht viel mitgekriegt.“

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So will Garson mit den „A Bowie Celebration“-Shows auch in den nächsten Jahren weitermachen. Denn, das spürt er dabei genau, der „Respekt für Bowies Musik ist ungebrochen“.

„Natürlich spielen wir jetzt in kleineren Hallen. Aber die Fans singen jeden Ton genauso inbrünstig mit, wie damals, als David noch unter uns war. Das liegt nur an der Kraft seiner Songs. Und es ist der Grund dafür, dass er für mich der Größte auf seinem Gebiet war. Er war einfach eine ältere, höher entwickelte Seele, und hat all das in seine Musik gelegt.“