Clubszene in Wien: Verzweifelt, aber solidarisch
Von Marco Weise
Nachdem die Regierung Veranstaltungen in geschlossenen Räumen mit mehr als 100 Personen als Reaktion auf das Coronavirus untersagt hat, herrscht in der Clubszene Unruhe. "Man kann pauschal sagen, dass das für die ganze Szene eine Katastrophe ist", so Sabine Reiter, geschäftsführende Direktorin des Vereins Mica und Leiterin der neu eingerichteten Vienna Club Commission (der KURIER berichtete).
Am Montag tritt die neue Verordnung der Bundesregierung in Kraft. Damit werden bis auf Weiteres alle Bars, Clubs und Discos geschlossen bleiben.
Was vor der Bekanntgabe der neuen Maßnahmen passierte:
Die WTF Group, die in Wien mit dem "Club O" und dem "Inc." zwei große Clubs betreibt, wird den Clubbetrieb bis auf Weiteres einstellen. Man will damit einen wichtigen Beitrag "für unsere Gesellschaft" leisten. "Nur einen Bereich mit 100 Personen zu öffnen, klingt zwar verlockend, würde sich aber in dem ganzen Szenario vermutlich kontraproduktiv auswirken – daher sehen wir solidarisch auch davon ab und bleiben vorerst ganz geschlossen", heißt es in einem offiziellen Statement auf Facebook. Man hoffe, dass die nun getroffenen Maßnahmen Wirkung zeigen und somit ein normales (Nacht)-Leben bald wiederhergestellt werden kann.
Das Werk wird auf unbestimmte Zeit schließen
Auch der Club Das Werk hat am Mittwochabend via Facebook reagiert. "Es bleibt uns leider nichts anderes übrig euch heute mitzuteilen, dass wir Das Werk auf unbestimmte Zeit schließen müssen. An dieser Stelle wollen wir unsere Solidarität für alle Betroffenen unserer Branche bekunden. Es trifft uns alle mit gleicher Härte. Doch gemeinsam können und werden wir auch diese Krise bewältigen. Dazu braucht es aber selbstverständlich auch die finanzielle Unterstützung von der Stadt Wien und dem Bund um einem Massensterben der Kulturbranche in Österreich entgegenzuwirken.
Natürlich könnten wir für 99 Gäste unsere Räumlichkeiten öffnen. Aber auch wir haben eine soziale Verantwortung nicht nur gegenüber jenen, die sich nicht selbst schützen können. Auch gegenüber unseren MitarbeiterInnen, unseren Gästen und den bei uns auftretenden KünstlerInnen müssen wir Verantwortung zeigen.Selbst wenn wir über diese Verantwortung hinweg sehen würden: ein Betrieb mit fast 30 Angestellten, laufenden Kosten und gesetzlichen Abgaben, ist mit unter 100 Gästen jeden Abend nicht finanzierbar und würde über kurz oder lang das finanzielle Aus für Das Werk bedeuten."
Kein Risiko eingehen
Während so gut wie alle großen Clubs in Wien in den kommenden Wochen zusperren, hat sich die erst kürzlich eröffnete Bar „Praterstrasse“ bereits dazu entschieden, "den Bar-Betrieb mit maximal 99 Gästen weiterzuführen", so Hennes Weiss gegenüber dem KURIER. Der Clubraum bleibt aber bis auf Weiteres geschlossen. Allen DJs, die bereits für diesen Zeitraum gebucht wurden, haben bereits eine Absage von uns erhalten. Die Anzahl der Gäste werde vom Security-Team stets kontrolliert. "Wir gehen kein Risiko ein."
Es steht der komplette Kultursektor
"Viele sind verzweifelt und wissen nicht, wie es weitergeht", betonte Reiter im Gespräch mit der APA. "Der Umgang ist verschieden. Viele sagen ganz ab oder verschieben Veranstaltungen, manche fahren wiederum die Strategie, beispielsweise Konzerte zu splitten. Das geht aber nur, wenn der Raum entsprechend klein ist."
Am Mittwoch hat das Mica ein FAQ für Musikschaffende und Veranstalter veröffentlicht (abrufbar unter www.musicaustria.at), das sich den wichtigsten Fragen widmet. So gibt es im Epidemiegesetz beispielsweise grundsätzlich eine Regelung den Ersatz von Verdienstentgängen betreffend, allerdings ist dafür eine entsprechende Dokumentation notwendig. Gemeldet hätten sich seit der Bekanntgabe der Veranstaltungsbeschränkung jedenfalls viele beim Mica. "Die Telefone sind heiß gelaufen", sagte Reiter.
Kritik an der ORF-Berichterstattung
Einige Veranstalter und Club-Betreiber haben sich nach dem Erlass der Bundesregierung kritisch zur ORF-Berichterstattung geäußert.
Die mehrfach auf Facebook geteilte Kritik im Wortlaut:
"Aufgrund der derzeitigen Situation in Österreich und dem Erlass der Bundesregierung, der bei Veranstaltungen nicht mehr als 100 Besucher zulässt, wäre es sehr wünschenswert und angebracht gewesen auch über die heimischen Kulturvereine, Clubs und dessen Personal, Agenturen, Veranstaltern, Tontechnikern, Verleihfirmen und allen Künstlerinnen und Künstlern, die auf selbständiger Basis arbeiten und sich jetzt in höchster Existenzbedrohung wiederfinden, zumindest eine Minute in der ZIB zu erwähnen. Hier geht gerade österreichweit eine ganze Branche von Kultureinrichtungen und dem dazugehörigen Umfeld vor die Hunde und in der ZIB Sondersendung wird über Milliardenkonzerne wie Amazon, Facebook und Google, die Laptops an ihre Angestellten verteilen, berichtet.
Welche Maßnahmen werden hier noch getroffen um einem Massensterben von Unternehmer*innen im Kulturbereich entgegenzuwirken? Es gibt von politischer Seite bis dato keine Vorkehrungen für diejenigen die dieser Erlass besonders triff, noch sind Informationen darüber zu finden ob und in welchem Ausmaß es tatsächlich Unterstützung von der Regierung für die monatlichen Verluste gibt und wie man bei einem geschlossenen Betrieb die Fixkosten und das Personal weiterhin bezahlen soll. Über eine Diskussion zu diesem Thema würde ich mich in der ZIB als Zuseher sehr freuen."