Kultur

Christiane Hörbiger: "Warum ich langsam aufhören möchte"

Geplant war ein ganz „normales“ Interview aus Anlass ihres unglaublichen 80. Geburtstags am 13. Oktober. Doch plötzlich sprach Christiane Hörbiger davon, dass sie sich aus ihrem Beruf zurückziehen und nur noch in Ausnahmefällen vor der Kamera stehen möchte. Zum Verständnis für die Leser: Wir kennen einander schon so lange, dass wir im Interview beim ehrlichen Du bleiben.

KURIER: ORF, ARD und ZDF veranstalten zu deinem 80. Geburtstag richtige Hörbiger-Festwochen. Schaust du dir deine alten Filme selbst an?

Christiane Hörbiger: Ich hab mir einige Folgen der „Julia“-Serie angesehen, aber ich bin mir jetzt lieber als damals. Ich hab so das Gefühl, dass ich jetzt erst ich selbst bin.

Das warst du mit 50 doch auch.

Nicht so sehr wie jetzt. Ich war immer durch etwas abgelenkt, auch durch die wunderbare Partnerschaft mit dem Gerhard. Da ich jetzt allein lebe, bin ich ganz auf mich konzentriert. Es geht mir jetzt gut und so soll es bleiben. So Gott will, bleib ich gesund.

Und das Ich-Selbstsein hat auch Auswirkungen auf deinen Beruf?

Ja, aber ich möcht nicht mehr so viel machen wie bisher. Ich hab die letzten Jahre je ein bis zwei Filme gedreht. Das möchte ich reduzieren.

Also ein bissl weniger?

Wenn nicht ganz aufhören. Damit kokettiere ich.

Das überrascht mich jetzt sehr. Das hast du noch nie gesagt.

Nein, das hab ich noch nie gesagt. Schau, meine Mutter hat auch mit 80 aufgehört – in ihrem Fall war es das Theater.

Aber heute ist man mit 80 doch viel jünger als damals.

Ja, das stimmt. Aber ich arbeite seit meinem 17. Lebensjahr und würde jetzt so gerne mein Leben genießen, ohne diesen ständigen Druck zu haben: Drehbuch lesen, Text lernen, Dreharbeiten, Pressetermine usw. Eigentlich möchte ich gar nichts mehr machen. Ich habe auch meinem Freund, dem Produzenten Markus Trebitsch, gesagt, dass ich leiser treten werde.

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Als ich dich zu deinem 75. Geburtstag für den KURIER interviewt habe, hast du gesagt: „Ich höre erst auf, wenn mir etwas weh tut oder das Publikum mich in Pension schickt.“ Beides trifft doch nicht zu.

Ja, das habe ich damals gesagt, aber ich hab’s mir anders überlegt. Und zwar heuer im Sommer am Wolfgangsee. Es war so wunderschön und ich war dort so glücklich, dass ich beschlossen habe, dass ich nächstes Jahr zwei Monate statt einen Monat an den See fahre. Dann kommen Leute, die sagen: Sie müssen das und das drehen – nein, ich möchte nicht! Ich möchte langsam aufhören. Ich habe nur dieses eine Leben.

Kann es einen Grund geben, der dich umstimmen würde?

Das müsste eine besondere Konstellation sein. Zum Beispiel ein Film von meinem Sohn (Sascha Bigler, 50, Regisseur, Anm.). Weil ich mit ihm so gerne arbeite und zusammen bin. Derzeit hat er eine winzig kleine Rolle in einem Krimi für mich, nur ein Drehtag, das werde ich machen.

Aber ein großer neuer Film ist nicht geplant?

Nein.

Und wie wär’s mit Theater?

Das schon gar nicht!

Hat dieser Meinungsumschwung etwas mit dem Tod von Gerhard Tötschinger zu tun? Nein, absolut nicht. Ich habe nur eine gesunde Form von Egoismus entwickelt.

Hast du die schlimmste Zeit der Trauer nach Gerhards Tod hinter dich gebracht? Elisabeth Gürtler, die vor mir ihren Mann (Helmuth Lohner, Anm.) verloren hat, hat zu mir gesagt, dass man nach zwei Jahren das Schlimmste überstanden hat. Am 9. August waren’s beim Gerhard zwei Jahre, aber er fehlt mir immer noch unendlich.

Was war das Wichtigste in eurer Beziehung?

Das gemeinsame Lachen, die Sicherheit, dass er zu 1000 Prozent hinter mir stand und sein unglaubliches Wissen.

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Kannst du dein Leben ohne ihn heute wieder genießen und Freude daran haben?

Das ist eine sehr gute Frage. Ich bemühe mich. Ich sage mir, es geht mir gut, draußen scheint die Sonne, du hast keine Existenzsorgen, du hast diese zwei entzückenden Hunde, du bist überall eingeladen und gern gesehen. Aber es ist schon so, dass ich mich an manchen Tagen dazu zwingen muss, mir zu sagen, dass es mir gut geht.

Vicco und Loriot, deine beiden Mopshunde, sind dir eine große Stütze?

Ja, merkwürdigerweise. Ich bin alleine, aber nicht einsam.

Unter den vielen Filmen, die zu deinem Geburtstag gezeigt werden, sind zwei neue, darunter„Die Muse des Mörders“, in dem Sascha Bigler Regie führt. Ist es nicht ungewöhnlich, vom eigenem Sohn Anweisungen zu erhalten?

Er sagt bei den Dreharbeiten nicht Mama zu mir, sondern Christiane und behandelt mich wie jeden anderen Schauspieler. Ich genieße die Zeit auch deswegen, weil er da ganz lieb zu mir ist, wie er das privat oft gar nicht ist, weil ich ihm, wie das Mütter so tun, manchmal vielleicht auf die Nerven gehe.

Als du 75 warst, hast du auch zu mir gesagt: „Ich fühle mich wie eine 50-Jährige, mir tut nichts weh und mithilfe von sehr guten Maskenbildern sehe ich vor der Kamera so gut wie möglich aus.“ Würdest du die Antwort heute genauso geben?

Ganz genauso, daran hat sich nichts geändert.

Und was tust du für deine Gesundheit?

30 Kniebeugen an jedem Morgen. Aber nicht gerne. Ich wache in der Früh auf und sage zu mir: Nein, heute nicht! Aber dann zwinge ich mich dazu. Und ich sag mir jedes Mal: Erst nach den Kniebeugen beginnt die Hetz.

Ist der 80. Geburtstag ein großer Einschnitt für dich? Nein, gar nicht. Ich bin froh, wenn ich ihn hinter mir habe. Ich kann dir gar nicht sagen, wie ich mich auf alles freu, was nach diesen Feiern sein wird. Aber dass ich 80 werde, macht mir gar nichts aus.

Wie wirst du die Tage verbringen, wenn du nicht mehr Rollen lernst, Filme drehst und plötzlich viel Zeit hast?

Ich werde leben, einfach so. Vielleicht werde ich endlich kochen. Oder vielleicht lieber doch nicht, weil ich nicht zunehmen möchte.

War es eine Belastung, im Sommer dort Urlaub zu machen, wo du mit Gerhard viele glückliche Stunden verbracht hast?

Ich wohne nicht in der Wohnung, in der er gestorben ist. Ich wohne einen Stock höher. Ich hatte große Bedenken, als ich zum ersten Mal wieder hinkam. Aber da fiel mir der Satz eines Herrn ein, der auch dort wohnt und zu mir gesagt hat: So einen schönen Platz gibt man nicht auf. In St. Gilgen ist es so schön, dass man immer wieder hinfahren will. Und wenn ich an der Wohnung, in der ich mit dem Gerhard gewohnt hab, vorbei gehe, mach ich ein Kreuzerl.

Die Religion hilft dir?

Ja,enorm. Ohne sie ginge gar nichts. Allein, dass ich mit dem Gerhard reden kann, ist mir sehr wichtig. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass ich da oben eines Tages alle meine Lieben wiedersehe, das wäre schön.

Wie wirst du deinen Geburtstag verbringen?

Im kleinen Kreis, mit meinen Schwestern, Neffen und einigen wenigen Freunden.

Zum Geburtstag: „Hörbiger-Festspiele“ in ORF, ARD und ZDF

Christiane Hörbiger Geboren am 13. Oktober 1938 in Wien als Tochter von Paula Wessely und Attila Hörbiger. Sie drehte  mit 17 ihren ersten Film, war 1959 erstmals am Burgtheater, später an deutschen Bühnen. Bei den Salzburger Festspielen war sie von 1969 bis 1972 die Buhlschaft. Nach ihrer ersten Ehe mit dem Regisseur Wolfgang Glück heiratete sie den Schweizer Journalisten Rolf Bigler (1930-1978), mit dem sie einen Sohn hat: den Regisseur Sascha Bigler. 1967 bis 1985  am Schauspielhaus Zürich, konzentriert sich ihre Arbeit seither auf Film und Fernsehen. Heute ist sie eine der beliebtesten Schauspielerinnen im deutschen Sprachraum. Vom KURIER erhielt sie sechs ROMYS sowie eine für das Lebenswerk. 32 Jahre, bis zu seinem Tod 2016, war der Regisseur und Schriftsteller Gerhard Tötschinger ihr Lebenspartner.

Zum 80er Derartige „Festspiele“ zum Geburtstag einer Schauspielerin hat es noch nie gegeben: ORF, ARD und ZDF bringen zwei neu gedrehte Filme mit Christiane Hörbiger: „Die Muse des Mörders“ (Regie: Sascha Bigler am 6. Oktober in ORF 2) und „Einmal Sohn, immer Sohn“ (am 12. Oktober in ORF 2).

Zum Wiedersehen  Außerdem werden im Oktober 21 Hörbiger-TV- und Kinofilme zum Wiedersehen gezeigt, darunter „Kronprinz Rudolfsletzte Liebe“, den sie mit 17 Jahren drehte, sowie „Tafelspitz“ (1994), „Annas zweite Chance“ (2009) und „Oma wider Willen“ (2012), Ebenfalls im Programm: Frühere Talkshows, eine Christiane-Hörbiger-Gala, die dreiteilige Doku „Die Hörbigers“ von Christian Reichhold in ORF III und die legendäre Serie „Julia – Eine ungewöhnliche Frau“.