Kultur/Buch

Aus Peter Handkes Tagebuch: "Jedem Tag sein Wurm“

Was waren das für Zeiten, als man ein Buch ins Grab mitnehmen durfte!

Das fragt man sich immer, wenn Neues aus Peter Handkes Tagebüchern veröffentlicht wird.

Man hätte Zeit, bei vielen seiner aus der Reihe tanzenden Gedanken sehr lang zu verweilen ... was ist die zweite Bedeutung von: „im Dunkeln lesen“?

Lacht man, denn er hat Humor (manchmal) – etwa, wenn er nach seinem Beruf gefragt wird und „Liebhaber“ antwortet, „zum Beispiel Liebhaber von alten Hemden“ ... no, das bisschen Heiterkeit wird dem Friedhof gut tun.

Lieber Rotkehlchen

So war das bei „Gestern unterwegs“ (Aufzeichnungen 1987 bis 1990), auch „Vor der Baumschattenwand nachts“ (2007 bis 2015) wäre in der Einsamkeit ein treuer Gefährte, und jetzt kommen die Jahre 2016 bis 2021, „Innere Dialoge an den Rändern“.

In diese Zeit fällt der Literatur-Nobelpreis, aber der dürfte Handke nicht über die Maßen beschäftigt haben – das Jahr 2019 ist mit Eintragungen über Rotkehlchen, Brennessel, Feuerwanzen gefüllt und über Adalbert Stifter: „kein Autor, der so spannend ist wie Adalbert Stifter.“

Immer muss dieser Mensch gegen die Mehrheit sprechen.

Nicht zu vergessen, wurde 2019 die kleine Philosophie notiert:

„Jedem Tag sein Wurm.“

Es ist Peter Handkes zweites Buch heuer (nach „Zwiegespräch“ im Suhrkamp Verlag), und im Tagebuch finden sich ebenfalls Gespräche mit sich selbst.

Auffallend oft drehen sie sich ums Anderssein, um „anders altern“, „Andersgrün“, die „Andere Zeit“, die „Andere Litanei“, mitunter mit großem Anfangsbuchstaben – „wer sind die Anderen? Ich bin’s.“ Vermutlich kann er Krieg und Frieden.

Überlegen mag noch besser sein als Lesen. Aber wenn man etwas zu lesen hat, ist man wenigstens in Sicherheit (findet auch Handke).

H. zu H.: „Was ist Ihre Lieblingsbeschäftigung?“

„Im Moment Zwiebelschneiden.“


Peter Handke:
„Innere
Dialoge an den
Rändern“
2016 – 2021
Jung und Jung Verlag.
384 Seiten.
26 Euro

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

 

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