Kolumnen

Gar so schön auch wieder nicht

Onkel Schmalschuh war kein böser Mensch. Und trotzdem verdarb Onkel Schmalschuh einem jede Freude. Dabei hieß Onkel Schmalschuh gar nicht Schmalschuh, er hieß Svaljuk, aber seine Frau, Tante Klara, nannte ihn immer Schmalschuh. Denn als er sich ihr seinerzeit mit Svaljuk vorgestellt hatte, hatte sie Schmalschuh verstanden, und dabei blieb es. Es war ein Kosename.

„Komm Schmalschuh“ sagte sie, wenn sie bei uns zu Besuch waren, „steh auf, bedanke dich für die Gastfreundschaft und komm!“ Und Onkel Schmalschuh stand auf und bedankte sich. Tante Klara sagte dann immer: „Das nächste Mal müssts aber ihr zu uns kommen. Es war so schön!“

Und Onkel Schmalschuh sagte: „Gar so schön auch wieder nicht!“

Er sagte es nicht böse, man hatte auch nicht den Eindruck, dass er sich nicht wohlgefühlt hatte, aber er sagte es vollständig emotionslos, sodass man keinen Grund hatte, beleidigt zu sein, aber einem auch keine Chance gelassen wurde, es wenigstens ein bisschen bloß als Spaß zu verstehen. Sonst sprach Onkel Schmalschuh kaum etwas, aber wehe jemand sagte: „Mein Gott, war das schön“, kam prompt, gewissermaßen ansatzlos: „Gar so schön auch wieder nicht.“

Der Alltag bietet uns kein „Mein Gott“ und schon gar nicht in Verbindung mit „War das schön“. Und darum wollen wir immer das Wundervolle und das Großartige herbeizitieren, indem wir jedem läppischen Vorkommnis den Nimbus des Besonderen andichten, um unser Sein zu bemagischen. Ja, einmal ist jeder Mann Held des Tages, einmal ist jede Frau die allerschönste, einmal können wir so viel Glück gar nicht verkraften, und das sind dann die schönsten Augenblicke in unserem Leben. Aber: Gar so schön sind sie auch wieder nicht.