Fabelhafte Welt: Backwerk - Made by Oma
Von Vea Kaiser
Meine verstorbene Großmutter war eine meisterliche Konditorin. Ihre
Backwerke sahen aus wie gekauft und schmeckten nach Made by Oma. Als Kind befremdete mich jedoch, dass Backen nicht bloß ein Hobby für sie war, sondern eine Obsession. Auf ihrer Küchenanrichte stand immer frischer Kuchen/Strudel/Torte. Für den Fall, dass etwaigem unangemeldeten Besuch eine Sorte nicht schmeckte, hatte sie mindestens drei andere eingefroren. Zu allen Anlässen produzierte sie gewaltige, mehrstöckige Gebilde aus Teig und Creme. Musste der Opa ins Krankenhaus, rückte sie tags darauf mit Süßem für das ganze Stationspersonal an. Und wann immer ich meine Großeltern besuchte, musste ich Kuchen essen – egal ob ich wollte oder nicht. Bis heute mag ich Süßspeisen nicht besonders, was aber nicht heißt, dass ich keine backe. Die Neffen brauchen zum Geburtstag schließlich eine anständige Torte! Die sind ja noch klein. Aber auch enge Freunde und ältere Verwandte haben das Recht auf selbstgemachten Kuchen, wir wollen sie nicht aufgrund ihres Alters diskriminieren. Mein Ehemann ist Arzt. Die Arbeit im Spital ist sehr hart, da muss ich ihm regelmäßig Backwerk für die ganze Station mitgeben, egal ob er das will. Und für unangemeldeten Besuch hat sowieso etwas vorbereitet zu sein. Ja, auch ich backe obsessiv. Ich versuchte mir einzureden, mein Backwahn sei eine Rebellion gegen die genussfeindliche Zucker-ist-giftig-und-Weizen-tödlich-Lobby, doch es ist simpler. Meine Oma fehlt mir so schrecklich. Wenn ich allerdings Eier aufschlage und Mehl mit Backpulver versiebe, ihre Rezepte durchforste und mit der Konzentration eines Bomben-Entschärfungskommandos glasiere, dann habe ich das Gefühl, sie ist bei mir. Das Gedenken an unsere Lieben kann die verschiedensten Formen annehmen. Aber solange wir es Teil unsers Lebens sein lassen, sind sie bei uns.
vea.kaiser@kurier.at