Expressionist am Roten Hang
Von Juliane Fischer
Weinverkostungen finden wieder ohne Bildschirme dazwischen statt. Es war also Zeit für eine erste Ausfahrt. Diese Flaschenpost erreicht Sie direkt vom Rhein-Ufer und zwar vom Roten Hang. Die Parzellen von Kühling-Gillot im Pettenthal gehören zu den steilsten Abschnitten dieses Weinbergs. Ich finde die Flächen von H.O. und Carolin Spanier, denen das Unternehmen gehört (und by the way auch ein zweites namens Battenfeld-Spanier), weil Stroh zwischen ihren Stöcken rumliegt. Es soll der Verdunstung in dieser nach Süd-Osten ausgerichteten und irrsinnig hitzigen Lage vorbeugen und den Humusaufbau stärken.
Darunter ist etwas, das ich noch nie gesehen habe: Das Urgestein leuchtet rot wie der Tennisplatz unter meinen weißen Turnschuhen. Vor 280 Millionen Jahren haben sich die Eisenverbindungen unter subtropischem Klima gebildet, lese ich später. Durch den Druck der Überlagerung entstand aus dem Tonschlamm Tonstein und aus lockerem Sand fester Sandstein. Auf den Wein wirkt das ähnlich wie Schiefer. Das zeigt die Verkostung am Abend. Wir probieren zehn Jahrgänge vom Frauenberg, wo Kalk wie der Weichzeichner puffert. Ich denke an pastellgetupfte Bilder der Impressionisten. Denn dagegen kommen die Pettenthal-Rieslinge von 2010 bis 2019 daher wie Expressionisten – immer sämtliche Wetterverhältnisse und andere Bedingungen des jeweiligen Jahres farbenfroh und mit breitem Pinselstreif ausdrückend. Großes Kino, dieses große Gewächs!
Sie kostet sich durch die Weinwelt, arbeitet als freie Journalistin und zum Ausgleich in ihrem Weingarten in Niederösterreich.
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