Chaos de Luxe: Die heilende Kraft des Humors
Von Polly Adler
Zwei Tage vor dessen unerwarteten Tod hatte ich das Glück, Kabarett-Großmeister Gerhard Bronner interviewen zu dürfen. Das Gespräch kreiste auch um die heilende Kraft des Humors. Im radioperfekten Timbre erzählte er mir seinen Lieblingswitz, wo ein Jude den anderen fragt, was er zu tun gedenke, wenn der NS-Irrsinn endlich vorbei sei. Der antwortet: „Ich werde in mein Stammcafé gehen, nehm' mir meine Lieblingszeitung, und wenn dann der Hitler kommt und fragt, ob die frei ist, sag ich: Für Ihnen nicht, Herr Hitler.“ Ich bin eine miserable Witze-Erzählerin, aber den borge ich mir oft. Er erzählt nämlich auch vom hohen Zivilisationsstand einer versunkenen Welt, in der die größte Perfidie in der Verweigerung einer Zeitung besteht. Scherz und Schmerz sind ja auch nicht von ungefähr nur durch einen Konsonanten getrennt und die Phrase „Da haben wir Tränen gelacht“ hat ihren Sinn. In viele von uns kriecht jetzt ein Angstgefühl, das sich aus der Verunsicherung nährt. Wie wird das alles weitergehen? Wann können wir unsere Freunde wieder abbusseln? Wann müssen wir nicht mehr im Bankräuber-Gesichtsoutfit ins Stammcafé? Wie zeigt man der Einsamkeit beherzt den Mittelfinger? „Nebbich“, würde der Bronner sagen, denn im Vergleich zu seinem Flucht-Schicksal ist das Tal, durch das wir jetzt hatschen, eine Lachnummer. Für uns hoffentlich auch in absehbarer Zeit. Gemäß der Charlie-Chaplin-Formel, die da lautet: Tragödie + Zeit = Komödie. Die therapeutische Wucht des Witzes hatte Sigmund Freud schon 1905 erkannt. Freuds Lieblingswitz soll jener über einen Verbrecher gewesen sein, der zu seiner Hinrichtung gebracht wird. Der fragt den Henker: „Welchen Tag haben wir heute?“ Dessen Antwort: „Montag.“ Daraufhin der Todgeweihte: „Na, die Woche fängt ja gut an.“ Lachen Sie also, um ein wenig zu vergessen, und vergessen Sie mir bloß nicht zu lachen.
Pollys Scherztherapie „Nymphen in Not“ am 4. & 11. Oktober im Rabenhof. Mit den Damen Beimpold & Morzé.