Letzte Vorbereitungen für Friedensküche
Von Heinz Wagner
Bevor am 26. April (2019) die Friedensküche in der Wiener Pilgramgasse offiziell eröffnet, lief am Osterwochenende ein Probebetrieb. Der Kinder-KURIER durfte sowohl in die Küche schauen und fotografieren, als auch Zeuge der letzten Umbauarbeiten sein.
Vom italienischen zum internationalen Lokal
Noch hängt über dem Eingang das Schild des vorherigen, seit geraumer Zeit leerstehenden italienischen Lokals „Sale e Pepe“ (Salz und Pfeffer). Drinnen klettert Hasanrezi alle paar Meter auf die Leiter, montiert alte Lampen ab und verkabelt neue. Die sind alle in orientalischem Design - jede aber unterschiedlich. Auf eine ganz ohne Muster, lediglich aus durchsichtigem bauchigem Glas aber in einem seltenen Mittelding aus matt und glänzend, zeigt Ehsan Bamyani, der Erfinder dieses Lokals - und Vater des erst kürzlich 19 gewordenen Inhabers Atila - ganz stolz. „Das Glas hat ein in Österreich lebender Türke geblasen, das Metall an dem das Glas befestigt ist, stammt aus der Türkei.“
Fotos vom Schilder-Tausch
Der Name ist Programm
Der Name für das Lokal ist übrigens nicht zufällig gewählt oder weil’s gut klingt. Ehsan Bamyani, der in Afghanistan Direktor der regionalen Rundfunk- und TV-Anstalt in Bamiyan (bekannt durch die weltberühmten Buddha-Statuen, die 2001 von den Taliban zerstört wurden) war, musste mit seiner Familie flüchten. Auf der Flucht verloren sie einander für einige Zeit. Nadia und Atila landeten in Wien, Ehsan zunächst in Italien. Der Antrag auf Familienzusammenführung zog sich über Jaaaahre.
Fotos von den letzten Arbeiten
Potenzial
„Ich möchte mit Peace Kitchen einerseits, dass wir Flüchtlinge zeigen, dass wir der Gesellschaft was geben, was bringen können. Andererseits wollen wir mit dem Lokal auch Menschen Arbeit geben. Und weil die Flüchtlinge, die hier arbeiten aus verschiedenen Ländern kommen und wir alle auf unseren Fluchtwegen auch durch viele Länder gekommen sind, wollen wir eine küchenmäßige Brücke bauen. Wir kochen Speisen aus Afghanistan, Pakistan, Syrien, Irak, Ägypten, der Türkei, weil wir das auf der Flucht auch kochen gelernt haben. Und die Torte, die Fatemeh heute gemacht hat, ist zwar eine iranische, aber irgendwie ist sie auch so ähnlich wie manche österreichische Torte.“
Viele Blicke in die stundenlange Arbeit in der Küche
Mehr als ein Gasthaus
Peace Kitchen soll aber, so der Erfinder, noch mehr sein. „Jeden Freitag werden wir Veranstaltungen machen mit Musik und vielleicht Lesungen oder Erzählungen und sicher auch viele Diskussionen.“ Letztere nicht nur organisiert. Gespräche sollen sich auch zwischen den hier Arbeitenden und den Gästen ergeben.
An den Glaswänden an der Rückwand des Lokals, so der „Friedensküchenmeister“ werden wir Fotos oder Bilder von Künstlerinnen und Künstlern aufhängen und so kleine Ausstellungen haben“.
Wenn die Augen übergehen ...
Kunst an den Wänden
Während die Lampen der Reihe nach montiert werden, malt der Künstler Parviz an zwei Wänden die letzten persischen Schriftzeichen bzw. setzt er die letzten Farbtupfer an seinen schon zuvor gemalten Blumenmustern.
Die Verkleidung des offenen Türbalkens zwischen den Lokalteilen ist übrigens die Arbeit eines in Wien lebenden ebenfalls geflüchteten Handwerkskünstlers - er schnitzte aus langen Holzbrettern blumenartige Muster.
Essen auf bunten Tellern
Groß aufgekocht
In der Küche wird’s fast ein bissl eng. Azza, Najiba, Rahela und Askar teilen sich den Raum zwischen dem großen Herd, der Abwasch und der Arbeitsfläche. Da muss zwischendurch einmal auch der große Topf mit Reis auf dem Boden abgestellt werden. Seit den frühen Morgenstunden putzen die drei Frauen und der eine Mann Gemüse, schneiden dieses, kochen Reis - verschiedene Sorten, ebenso unterschiedliches Fleisch, haben Fladenbrot gebraten, das später klein zerbrochen über Fetush, einen bunten, frischen Salat, gestreut wird.
Schnappschüsse (1)
Spezialitäten
Azza, gelernte Änderungsschneiderin und Köchin aus Palästina und zwar dem Gaza-Streifen, „zaubert“ ein klassisch palästinensisch-arabisches Gericht. „Maklouba heißt umgedreht. Und so wird es auch gekocht“, erklärt sie. „Erst wird Fleisch in den Topf gegeben, drauf kommen gekochte Melanzani-Scheiben und Zwiebel und Reis und Kichererbsen ... Das wird dann im Topf gekocht. Und wenn es fertig ist, wird der Topf über einem großen Teller oder einer Schüssel umgedreht.“ In der Zwischenzeit brät sie abwechselnd mit Askar in einer Pfanne Mandeln mit Zutaten an - „das ist mein Geheimnis“ - und verstreut diese Mixtur über das fertige Maklouba.
Den Rand eines anderen Topfes hat sie mit einem Tuch umwickelt. Und darauf einen Topf mit Couscous „aus Libyen“ gestellt. Der untere Teil wird so zu einer Art Kochtopf, der Dampf lässt das Couscous sanft aufquellen.
Schnappschüsse (2) made by Aydin
Verschiedene Reis-arten
Daneben mischt Rahela unter ihre verschiedenen, teils auch gefärbten - Reissorten Nüsse, Cranberries und natürlich Gewürze. Fleischbällchen mit Soße, verkochte Spinatblätter - was auch immer die vier hier kochen und zubereiten, sie verzieren es fast künstlerisch, bevor sie die Schüsseln hinaus in die Vitrinen des neuen Lokals bringen.
Später kommt noch Fatemeh und bringt zwei kunstvolle Torten mit. Zwischen Biskuit-schichten findet sich Creme, in die geriebene Nüsse untergehoben sind. Obendrauf Erd- und Heidelbeeren.
Orientalische Rhythmen
Vielsprachiger Schilderkünstler
Bevor die Tortenbäckerin kommt, hat das Lokal übrigens auch schon außen dran seinen neuen Namen. Der vielsprachige Hassan, gebürtiger Usbeke, lange Zeit in Russland aufgewachsen, der neben diesen beiden Sprachen und Deutsch noch Türkisch und Jiddisch spricht, kam mit drei Rollen an. Schnappt sich die Leiter, holt das alte Schild über der Tür herunter, entfernt die schwarz-weiß gehaltene Klebefolie, und ersetzt sie nun durch die mit dem weißen Schriftzug Peace Kitchen auf orientalisch blauem Untergrund. Links und rechts neben der Eingangstür klebt er zwei Folien mit Blumenmuster.
Schülerduo erstellt Businessplan
Während Alem und Hasanreza - alle Lampen sind montiert - zum xten Mal den Boden saubermachen, und der sechsjährige Aydin lustvoll die letzte Plastiktrennfolie zum schon zuvor gereinigten Hinterzimmer wegreißt, sitzen Atila und Tim mit dem Grafiker Amin an dessen Laptop. Sie feilen und tüfteln an der Gestaltung der Facebook-Veranstaltung zur Eröffnung der Friedensküche. Die beiden ersten besuchen die vierte Klasse der privaten Handelsakademie VBS (Vienna Business School) in der Wiener Akademiestraße (Innere Stadt). Ersterer ist - wie oben schon erwähnt - Inhaber des Lokals. Sein Schulkollege und Freund und er haben sich einen Businessplan für dieses Lokal als Aufgabe für ihr Diplomprojekt gestellt.
Video-Rundblick
Genuss
Schön langsam neigen sich die Vorbereitungsarbeiten dem Ende zu. Manche äußern auch schon, dass sie beginnen Hunger zu verspüren. Und dann geht‘s los - schwierig ist nur die Entscheidung. Am besten von allem ein bisschen.
Schon vor dem Essen, vor allem aber danach, greift Yahya zu seiner Trommel und sorgt für musikalische Stimmung. Zu den von ihm gespielten Rhythmen tanzen vor allem die eineinhalbjährige Anita und Aydin, ihr sechsjähriger Bruder, Geschwister von Atila und damit schon in Wien geboren Kinder von Nadia und Ehsan Bamyani.
Täglich offen
Letzterer erzählt dem Kinder-KURIER noch, dass nach dem großen Eröffnungsfest am 26.April „wir täglich von 11 Uhr bis ungefähr Mitternacht offen haben werden. Jeden Tag wird es sowohl Fleisch- als auch vegetarische Speisen geben.
1050 Wien, Pilgramgasse 18
https://www.facebook.com/peace.kitchen.9678
Singende Köchin bzw. kochende Sängerin
Am Freitag, den 10. Mai, findet um 19 Uhr ein Syrienabend im Peace Kitchen Café - Restaurant statt. Unter anderem wird Wedian Youssef, eine Köchin hier, mit Speisen UND Gesang die Gäst_innen verwöhnen. Sie ist begabte Köchin UND professionelle Sängerin - traditioneller orientalischer Weisen. Außerdem gibt's noch Livemusik von Bashir und Abdulmoin.
Ferner wird Dr. Maysoon Brimo, eine Expertin für Umwelt und Kultur, einen kurzen Vortrag halten.
Tischreservierung unter: 0699 10 55 04 06