Leben wir nur mehr als Scheiben-Wischer?
Von Heinz Wagner
Vier Tänzerinnen sitzen am Boden vor projizierten Bilderrätseln, die meist um Begriffe um digitales im Alltag kreisen – etwa Drinks und schwarze Längsstriche – Bar-Code ;) Erraten – vier Daumen hoch. Die Rätselphase endet, bis alle im Publikum sitzen. Spiegel in Handflächen und typische Selfie-Posen folgen als erste Tanzszene in „Und die Erde ist doch eine Scheibe“. Das nicht ganz einstündige Stück setzt sich damit auseinander, wie die meisten Menschen einen zunehmenden Teil ihres Lebens in die Welt von Smartphones-Displays verlagern – auf diesen Scheiben die Realität oder das was sie dafür halten – er„leben“.
Von der Decke hängen senkrecht durchsichtige Kunststoffplatten mit abgerundeten Ecken, die an Smartphone-Displays erinnern. Die kommen in der Tanzperformance in unterschiedlicher Form zum Einsatz – mal als Fläche auf der die Protagonistinnen ihr Leben spielen, mal als Wände, die sie um sich bauen, sich sozusagen einmauern, in einer anderen Szene werden sie durch unterschiedlich starkes Biegen zu Klanginstrumenten.
Multimedial
Tanz, Musik und dazu immer wieder eingespielte computergrafische Spielereien fließen ineinander, versuchen atmosphärisch das Gefühl des Verschwindens aus der Realität in die Virtualität zu vermitteln, allerdings oft weitgehend eher abstrakt und assoziativ – was die wenigen Kinder bei der Premiere nicht so besonders erreichte. Am ehesten traf dies auf die gar nicht so stark übertriebene Zuspitzung eines Vlgos (Video-Blog) zu, wo ein simples Experiment mit Luftballons und Backpulver in marktschreierischer Werbemanier zur urkrassen Sensation hochstilisiert wurde.
Als nach einer ¾ Stunde die vier Performerinnen ihre persönliche digitale Assistenz, die sie leitet, kurzfristig verlieren und sie sozusagen in der realen Welt landen, fühlen sie sich verloren. Doch „zum Glück“, es war nur ein Virus, Iris, wie sie diese Assistenz, die alles weiß und vorgibt, nennen, „lebt“ wieder auf – endlich wissen sie wieder, wann sie trinken müssen usw. Ein Denkanstoß, der just zum Zeitpunkt kommt, wo fast täglich mehr bekannt wird davon, wie Facebook-Daten für Manipulationen verwendet wurden/werden.
Strange, dass es erwachsene Besucher gibt, die sich nicht einmal auf diese knappe Stunde Live-Erlebnis im Theatersaal einlassen können, sondern das Geschehen immer wieder durch ein Smartphone-Display sehen wollten ;(
Infos: Was? Wer? Wann? Wo?
Und die Erde ist doch eine Scheibe
kollektiv kunststoff
Performance, eine Stunde, ab 8 J.
Konzept: kollektiv kunststoff
Performance:
Christina Aksoy, Waltraud Brauner, Raffaela Gras, Stefanie Sternig
Visuals: nita.
Klangregie, Sound:
Peter Plos
Kostüm: Sophie Baumgartner
Dramaturgische Beratung: Martina Rösler
Technische Leitung: Silvia Auer
Wann & wo?
Bis 7. April 2018, 14. bis 16. Mai 2018, 4. bis 6. Juni 2018
Dschungel
Wien: 1070, MuseumsQuartier
Telefon: (01) 522 07 20-20
www.dschungelwien.at