Kicken und Baggern gegen Abschiebungen
Von Heinz Wagner
Update: Sonntag, 15. Juli 2018, 21.57 Uhr: Weitere Fotostrecke und zwei Videos hinzugefügt.
Update: Sonntag, 15. Juli 2018, 22.40 Uhr: Weitere Fotostrecken hinzugefügt.
Update: Montag, 16. Juli 2018, 0.35 Uhr: Ergänzungen im Text, z.B. das sonntägliche Finale des Turniers usw.
Update: Montag, 16. Juli 2018, 1.13 Uhr: Ergänzungen um Ergebnislisten der beiden Turniere.
Update: Montag, 16. Juli 2018, 16.37 Uhr: Ergänzung um weitere geehrte Sportler
Fußball zu „Füßen“ der UNO-City. An den Gittern, die eine Längsseite des Spielfeldes begrenzen, hängen bunte Fahnen – von Brasilien ebenso wie vom FC Barcelona – und etliche andere ebenfalls von Ländern bzw. Vereinen. Während auf dem Spielfeld die Matches der Gruppenphase des achten Integrationsturniers „Von Kabul bis Wien“ im Gange sind, wärmen sich Teams, die demnächst dran kommen rund um das Spielfeld mit Gaberln, Kopfbällen im Kreis, Pass-Spielen auf, darunter auch die Jungs von „Bruck hilft“, die wie Ehsan erzählt, „drei Mal in der Woche trainieren“.
Sonntag am frühen Nachmittag stieg hier das Finale - zwischen TALK Wien und Victory Linz. Die Oberösterreicher entschieden es denkbar knapp im Elfer-Schießen mit einem mehr verwandelten Penalty - nach einem zuvor torlosen Unentschieden in den regulären zwei mal 25 Minuten.
Davor fand Sonntag um die Mittagszeit auf dem Kleinfeld ein U12-Spiel statt. So manche der jungen Fußballspieler waren deutlich jünger, Erfan mit nur fünf Jahren der Allerjüngste auf dem Platz. Unter seinem orangen Jäcken, das seine, die spätere Siegermannschaft vom anderen Team unterschied, trug er ein Österreich-Leiberl, sein Bruder Alisino (9) eines des portugiesischen Nationalteams, "weil ich Ronaldo-Fan bin".
Einige Meter weiter „baggern“ Sportler auf mehreren nebeneinander liegenden Beach-Volleyball-Spielfeldern.
Der afghanische Sport- und Kulturverein „Neuer Start“ hat am Wochenende Mitte Juli zum achten internationalen Turnier eingeladen. Junge Fußballer, deren Wurzeln in Afghanistan, dem Iran, Pakistan, Somalia und nicht zuletzt Österreich liegen, spielen in 16 Teams – am Samstag in vier 4er-Gruppen bevor es am Sonntag die Achtel-, Viertel- und Semifinali gibt. Das Finale war so angesetzt, dass es sich ausgeht, nach den verschiedenen Siegerehrungen, gemeinsam das große Fußball-WM-Finale anzuschauen.
Afghanistan ist nicht sicher
An Infotischen wurden die Besucher_innen zum Thema Integration und zu neuen gesetzliche Rahmenbedingungen für Geflüchtete informiert. „Es ist uns ein Anliegen, den Menschen in Österreich zu zeigen, dass Afghanistan nicht sicher ist und die Abschiebungen aufhören müssen“, sagt Ali Rezae, der neue Obmann von „Neuer Start“. Im Mittelpunkt steht aber der Sport mit dem Ziel, Menschen aus unterschiedlichen Ländern zusammenzubringen, „denn sobald gemeinsam auf dem Feld dem Ball nachgejagt wird, ist es den Jugendlichen völlig egal, woher der Mitspieler kommt!“, freut sich der Vereinsobmann.
"Wenn Afghanistan so sicher ist, warum fliegen dann nicht Regierungsmitglieder gemeinsam nach Kabul", fragt Shokat Ali Walizadeh von "Neuer Start". Es vergeht doch keine Woche wo nicht irgendwo im Land ein Bombenanschlag verübt wird. "Mehr als 300 Menschen, darunter auch ungefähr ein halbes Dutzend Familien, sind allein heuer schon abgeschoben worden. Das erzeugt auch sehr viel Ängste in der Community in Österreich, verhindert die Integration, macht viele Menschen unsicher. Außerdem was sollen Menschen, von denen manche gar nie in Afghanistan waren, weil sie im Iran aufgewachsen sind, nach der Abschiebung machen. Es besteht doch dann die Gefahr, dass sie, weil sie keine Perspektive haben, kein Leben aufbauen können, in die Hände von Radikalen fallen. Der Westen verkauft ja genug Waffen."
„Spiele alles mit Bällen“
Neben dem Fußballfeld – auf Kunstrasen – wärmen aber nicht nur Turnierteilnehmer auf, hier kicken immer wieder auch Kinder. Die fünfjährige Amine lässt sich in ihrem Bewegungsdrang auch nicht durch ihr langes pinkes Kleid behindern, auf das sie auch stolz ist. Sie trifft eines der Mini-Tore die hier aufgestellt sind, recht oft, während ihr zwei Jahre älterer Bruder Mahdi offenbar Anleihe bei den theatralischen Bodenübungen genommen hat. „ich spiele gern und oft Fußball, aber auch Volleyball und Tischtennis, einfach alles mit Bällen“, vertraut sie dem Kinder-KURIER an.
Bei den Turnieren selbst spielen nur Burschen und Männer, „aber das ist von Jahr zu Jahr verschieden, wir hatten auch schon Turniere mit Mädchen – solche mit und solche ohne Kopftuch“, sagt Shokat Ali Walizadeh, (Mit-)Initiator und -organisator des Turniers sowie des genannten Vereins.
Ehrungen für verschiedene Sportarten und anderes
Die Ehrungen sowie Musik, Tanz, Speis und Trank findet im großen Veranstaltungszelt nahe dem Fußballfeld statt. Geehrt werden übrigens nicht nur die siegreichen Teams der beiden Ball-Turniere, sondern auch erfolgreiche Aktive anderer Sportarten. Einige erhielten ihre Medaillen schon am Samstag, etwa jene, die regelmäßig Kampfsporttraining absolvieren. Das Ziel, den eigenen Körper zu beherrschen, führten sie in einem KA-TA vor, den sie mit ihrem Trainer Amir Sahil erarbeitet hatten. Er ist Mitglied des österreichischen Kickbox-Nationalteams.
Sonntagnachmittag wurden natürlich die siegreichen Teams von Beachvolley- und Fußball mit Pokalen und Medaillen ausgezeichnet, auch die besten Einzelsportler. Auszeichnungen und Medaillen gab es aber auch beispielsweise für künstlerische Darbietungen, etwa der beiden Mädchen Tabsom und Nadia - siehe weiter unten.
Ergebnisse der beiden Turniere
Volleyballturnier unter Koordinator Habib Rezae mit 20 Mannschaften aus ganz Österreich:
1. Platz: Team Junbish
2. Platz: Team best frieden
3. Platz: Team Adler Wien
Fairste Mannschaft: Jawanan Baghlan
Bester Spieler: Mahdi, Omid, Sher Nazar, Rahmat und Helal
Fußbalturnier unter den Koordinatoren Sharafat Qasemi, Razik Zamiri und Murtaza Mohammadi 16 Mannschaften aus ganz Österreich:
1. Platz: FC Victory Linz
2. Platz: FC Talk Wien
3. Platz: FC Wahdat Wien
Fairste Mannschaft: FC Watan
Bester Spieler und bester Tormann von FC Talk Wien
Torschützenkönig: Zia Qaderi von Victory Linz
Weiteres wurden folgende Sportler ausgezeichnet und mit Medaillen geehrt:
Wahid Rostamzadah (Kickboxen)
Zia Qasemi und Lutfullah Behbudi (
Tae Kwon Do)
Sher Khan Hunardost (Bodybuilding)
Sharafat Qasemi (Gewinner mehrere Goldmedaillen im Bereich Tae Kwon Do)
Das – von Zahra Tavakoli und Atlas Nazari moderierte Programm im Zelt - stand am Samstag vor allem im Zeichen von Musik der Band „Musik gegen Traurigkeit“ zu der immer wieder auch spontan von manchen Gästen getanzt wurde. Auch am Sonntag spielte die Band begeisternd auf.
Ganz junges Gesangs-Duo
Zuvor hatten die elfjährige Tabasom und ihre achtjährige Schwester Hadia – deren Namen auf Deutsch Lächeln und Geschenk bedeuten - mit zwei berührenden, bewegenden Kinderliedern die Festgäste im Zelt begeistert: „Wir sind alle Kinder dieser Welt“ (Komposition: Axel Schulze, Text: Wolfgang Goldstein) und „Fremde Freunde“. „Ein bisschen nervös waren wir vorher schon und ein wenig Angst hatten wir am Anfang auf der Bühne schon“, gestehen die beiden dem KiKu.
Hintergrund: Neuer Start
Der Afghanische Sport- und Kulturverein „Neuer Start“ wurde 2010 von jungen Afghan_innen gegründet, die als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nach Österreich gekommen sind. Ziel des Vereins ist es, junge Afghan_innen in ihrem Integrationsprozess zu unterstützen. Dies passiert durch Vermittlung von Sprachkursen, Nachhilfe, Arbeitsplätze und Workshops sowie durch eine umfangreiche Vernetzungsarbeit. Der Verein unterstützt die Kampagne #SicherSein.
www.facebook.com/neuer.start.2010
Wann & wo?
Fand Samstag und Sonntag 14./15. Juli 2018, 8 bis 20 Uhr statt
Sportcenter Donaucity: 1220, Arbeiterstrandbad Straße 128