Drei Bücherwürmer fliegen durch den Prunksaal
Von Heinz Wagner
Massen von Besucher_innen aus fast der ganzen Welt drängen und schlängeln sich in dieser vielleicht pompösesten Bücherei, dem Prunksaal der österreichischen Nationalbibliothek, schauen in dieser Bücher-Halle, die so lang ist wie ungefähr neun Schulklassen hintereinander (80 Meter), aber vor allem hooooch ist (mehr als sechs Klassenzimmer übereinander (20 Meter). Fast eine Viertel Million Bücher, die meisten davon hunderte Jahre alt, sind hier in Regalen bis fast an die Decke geschlichtet. An manchen Stellen sind „Geheimtüren“ geöffnet. Vorne ein Bücherregal und hinter der dicken Tür kleine Kammern – auch mit Büchern.
Dieser herrliche Saal beherbergt aber nicht nur viele alte Bücher und einige ziemlich große Globen mit Darstellungen der Welt aber auch des Himmels und wunderbare Gemälde nicht zuletzt an der Decke der großen Kuppel. Immer wieder sind in diesen Aal Ausstellungen eingebaut, derzeit über den bekannten Komponisten Ludwig van Beethoven – Anlass: Er wurde vor 250 Jahre geboren.
Erweiterte Wirklichkeit
Zwischen den Massen, viele von ihnen immer wieder (handy-)fotografierend, hindurch schlängeln sich am Weihnachtstag Flora (9) und ihre Schwester Hannah (14). Der Kinder-KURIER darf sie begleiten und fotografieren.
Sie haben knapp nach dem Eingang in den Prunksaal von ihrem Guide jeweils ein Tablet mit Schutzverkleidung und Tragegurt sowie Kopfhörer ausgehändigt bekommen. Damit gehen sie zunächst ein paar Schritte bis sie ein Foto mit einem Ausschnitt aus der Bibliothek sehen, auf dem sich comicartige Bücherwürmer befinden. Tablet drauf gehalten und das Programm, das für diese spezielle Führung geschrieben wurde, startet. Ann, Wolfi und Bruno, so die drei bunten Würmer mit Flügeln, die Bücher lieben aber nie und nimmer anknabbern würden, fliegen oder schweben durch den Raum – auf dem Display des Tablets, aber mit exakt der Abbildung der Wirklichkeit, also auch all den Beinen und Körpern der gerade gehenden oder stehenden anderen Besucher_innen. Die Wirklichkeit wird also erweitert, oder wie’s im Fachbegriff heißt Augmented Reality.
Drei fliegende Bücherwürmer
Die drei fliegenden Bücherwürmer landen auf der Kante der nächsten Glasvitrine, schwanken, drohen hinunter zu fallen und erzählen davon, dass viele Menschen lange geglaubt haben, die Welt wäre eine Scheibe und keine Kugel. Aber schon die alten Griechen vor gut 2500 Jahren wussten, dass das mit der Scheibe nicht stimmen könne.
Das Trio landet nun...
... bei einem großen Globus, einem, der bekannte und andere Sternbilder zeigt.
Wolfi: „Und woher haben die das gewusst?“
Bruno scheint nicht mehr zu wissen, worum’s gerade geht und fragt: „Was meinst du jetzt?“
Wolfi: „Na, wie haben die Griechen herausgefunden, dass die Erde rund ist?“
Bruno: „Ah! Durch genaues Beobachten und angestrengtes Nachdenken!“
Weil du zuerst den Mast siehst
Das wissen Flora und Hannah bei der späteren Kontrollfrage durch den Guide und sagen: „Wenn man am Hafen sitzt und ein Boot taucht am Horizont auf, siehst du zuerst den Mast. Wäre die Erde eine Scheibe, würdest du das ganze Boot, zumindest aber auch den vorderen Teil sehen“
Das haben sie aus dem Gespräch der Bücherwürmer mitgenommen. In dieser animierten Szene zeichnete Bruno während er das erklärte die Bewegungen des Bootes über die runde Form in der Luft nach.
Tiergarten auf einer Kugel
Der Himmelsglobus schaut eher aus wie eine runde Abbildung von Bewohnern eines Tiergartens, meinen die drei Comic-Figuren und Anna führt ihre Wurmkollegen – und natürlich die Besucherinnen mit den Tablets quer durch den Kuppelraum vom Himmelsglobus zu einem Regal vor der sogenannten Sternkammer – hinter einer geöffneten „Geheim“tür. Wolfi fliegt mit seinem Art Spielzeugteleskop in die Kammer und hat dort drinnen scheinbar Seiten eines Sternen-Atlanten kopiert – die nun auf dem Tablet erscheinen. Anna „zaubert“ aus dem Stapel an Seiten, die Wolfi mitgebracht hat, die einzelnen Seiten hervor – die „Tiere“ werden zu Verbindungslinien einzelner Sterne. ;)
Apropos Sterne. Das Trio erzählt, dass die alten Griechen zwar schon wussten, dass die Erde eine Kugel ist – der Guide ergänzt, dass sie auch schon ziemlich genaue Berechnungen angestellt hatte, wie groß der Erdumfang an seiner dicksten Stelle (dem Äquator) ist – aber: Sie dachten, die Sterne würden oben an der Innenseite einer Kugel rund um die Erde „kleben“.
Die vielleicht schönste Stelle dieser Mischung aus realer und virtueller Führung ist, wenn dieser Himmelsglobus als riesige durchsichtige Kugel auf dem Tablet-Display erscheint, du rund um und sogar scheinbar hindurch gehen kannst.
Echte und Fabel-Tiere
Und weil schon viele Sternbilder an Tiere erinnern – wir ja auch beispielsweise von Tier- ebenso wie Sternkreiszeichen reden wenn’s um die Horoskope geht – schweben Anna, Bruno und Wolfi quer durch den Raum zu einem anderen Regal. Aus diesem brachte der zuletzt genannte Bücherwurm wieder mit seinem „Teleskop“ Seiten aus Conrad Gessners Historia Animalium, einem mehrbändigen Tierlexikon, das er vor mehr als 450 Jahren schrieb, mit in die Runde und lässt die großformatigen bunten Seiten über den Boden flattern – mit echten Tieren wie etwa einem Biber und Fabelwesen wie u.a. einem Einhorn.
Anna: „Heute gibt es in einem Tierlexikon keine Fabelwesen mehr. Mit der Zeit setzt sich die Wahrheit durch. Die Menschen brauchen halt ein bisserl länger als wir...“
Bruno: „Wolfi !? ...Woher kennst du eigentlich dieses Tierlexikon?“
Wolfi: „Es wurde einmal in einer Führung für Menschen hier in der Bibliothek erwähnt ... Das Buch hat früher dem Prinzen Eugen gehört. Berühmtester Feldherr in der Geschichte Österreichs und ein großer Bücherwurm!“
Anna: „Bücher waren damals extrem wertvoll. Seine Bücher hier in der Bibliothek waren mehr wert als das Schloss in dem der Prinz gelebt hat!“
Anna: „Ich mag Menschen die viel lesen ...“
Bruno: „Solange sie keine Besserwisser sind!“
Süß und cool
Flora und Hannah, die nicht zum ersten Mal hier im Prunksaal sind und damit schon so manches wissen und kennen, haben für den Kinder-KURIER sozusagen diese neue, spezielle Führung getestet. Zwischendurch fielen manches Mal in dieser ¾ Stunde Ausrufe des Entzückens. „Süß gemacht, witzig“ und „cool, weil sich die drei Figuren der Umgebung anpassen und auch wirklich zum Beispiel auf der Kante der Vitrine gelandet sind“, meinten die beiden Schon-Auskennerinnen. Außerdem „gar nicht fad und sogar für uns Neues dabei´“, so die Expertinnen zum begleitenden Reporter.
Augmented Reality-Führung im Prunksaal der ÖNB
Die Tour mit Tablets und Kopfhörern – für höchstens sechs Kinder gleichzeitig - dauert ca ¾ Stunde. Die Teilnahme an einer öffentlichen Kinderführung kostet für Kinder 5 €, Erwachsene zahlen den Eintrittspreis für den Prunksaal – 8 €.
Die Teilnehmer_innen-Anzahl ist begrenzt. Anmeldung unbedingt erforderlich – siehe Link unten
Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, private Führungen für Kleingruppen zu Wunschterminen zu buchen; diese Führungen kosten pauschal 69 € (einschließlich Eintrittspreis).
Reservierung öffentliche Führung
Telefon: (01) 534 10-520
kulturvermittlung@onb.ac.at
augmented-reality-fuehrung
Wer steckt dahinter?
Konzept: Silvia Iannetti und Kris Hofmann
Kreative Leitung: Kris Hofmann
Animationen: Neuer Österreichischer Trickfilm
Musik: Alexander Zlamal
Ein Projekt der Österreichischen Nationalbibliothek, gefördert von der Wiener Wirtschaftsagentur