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Beethoven, der Wiggal van Ruam-Ogga

Eine kleine Frau in karierter Kleiderschürze mit Kopftuch – einem solchen, das auch Des-Integrationist_innen nicht auf eine Verbotsliste setzen ;) – und Wischmob. Wer sie (noch) nicht kennt, könnte vor Beginn der Vorstellung meinen, eine aus der Zeit gefallene Putzkraft macht schnell noch einmal allzu sauberst, bevor der Theaterabend beginnt, stampert freundlich, aber mit einem Schuss herbem Charme, die Theatergäste in den Zuschauerraum.

Erdig

Die anderen – mittlerweile die meisten - wissen, sie DIE Frau Franzi (Marika Reichhold, Regie Christian Suchy), ist der Act des Abends. Genau im beschriebenen Outfit entert sie – nur noch bereichert um einen bunten Einkaufs-Trolley – die Bühne. Mit ihrem Talent zum komischen Schauspiel mit ohne viel Zeugs, viel – oft tiefgründigem – Wortwitz, ihrer „Schnodern“ mit der sie redet wie ihr der Schnabel – in Wien-naher niederösterreichischer Mundarbeit - gewachsen ist, erfüllt sie die Bühne mit Großem. Und dazu wechselt sie keinesfalls in hochgestochene Sprache, sondern vermittelt schlaueste Dinge heruntergebrochen in einfache Mundart, bringt sie auf den Punkt. Sie „entzaubert“ Bühnensprache und komprimiert Klassiker wie Hamlet, Romeo & Julia oder MacBeth in ihren „Schäggsbia“-Versionen auf den Kern der jeweiligen Machtgeschichten. Und bringt sie wieder zum Volkstheater, wie es William Shakespeare gedacht hatte.

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Schäggsbia, Haydn-Oawad, Wiggal

Auf diese ihre originäre Art hatte sie auch schon zu einem runden Haydn-Jubiläum (2009) ein Stück über Haydn („a haydn-oawad) entwickelt. In diesem Jahr ist Beethoven dran – Corona-bedingt starten die Aufführungen quer übers Land verstreut erst jetzt im Herbst. Natürlich vermittelt sie auch in diesem Stück wichtige Eckdaten über Leben und Schöpfungen des Komponisten, die viele Jahre in Wien – an sehr viel mehr Wohnorten – gelebt hat.

Aber wir erfahren viel mehr – manches ist sicher erfunden, aber das Wesentliche hat die spätberufene Theaterfrau und ausgebildete Kunsttherapeutin aus Biographien und der Musik Beethovens herausgekitzelt. Und sich für die Passage über die Anfangsjahre des Komponisten Kölschen Dialekt angeeignet. So spielt in dem höchst vergnüglichen, aber wie auch in all ihren anderen Stücken nie seichten, Abend wiederkehrend eine Sache eine große Rolle: Widersprüchlichkeit: „Anaseits und aundaraseids“.

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Anaseits - aundaraseits

Einerseits schon der Name, der auf adelige Herkunft schließen ließe. Andererseits kommt Beet vom in manchen deutschsprachigen Gegenden üblichen (rote) Bete für Rüben, hoven vom Hof oder Feld, sprich Rübenacker. Und schon an seinem Vornamen Ludwig, auch Wickerl oder „Wiggal“ hatte er zu kiefeln. Gut so hieß auch sein Großvater, kurfürstlicher Kapellmeister und Sänger. Aber auch sein zuvor geborener und verstorbener Bruder.

Einerseits war er ein Anhänger der fortschrittlichen Ideen „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“, „aundaraseids: dea wuid mid neamd bruada sei – ned amoe mid seine briada“.

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Zwischpoit

Außerdem war er oft auf die finanzielle Unterstützung Adeliger angewiesen, um komponieren, ja oft auch überleben zu können. Und wieder andererseits ging ihm oft der Kunst-Unverstand os mancher Gönner_innen auf den Wecker, die sich nur mit dem Herrn Genie brüsten wollten.

Und „Frau Franzi“ ordnet die persönliche Zerrissenheit in die Epoche ein. „Die Zeid woa zwigeschbalten“ – in Aufklärung und Romantik, Verstand und Gefühl, Industrialisierung und Naturverklärung. Beethoven konnte zwar trotz früher Schwerhörigkeit und späterer Taubheit seine Musik sozusagen innerlich hören, bedauerte aber die Töne der Natur nicht mehr vernehmen zu können.

Gesellschaftlich gab’s das einerseits von Feudalherrschaft und andererseits die Bewegung der Befreiung davon – die drei bekannten Slogans der französischen Revolution wurden schon genannt.

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Bis in sei Musik eini

„Und da Beethoven woa zwiigeschbalten – oesa Gaunza… bis sogoa in sei Musik eini“ (Original-Ton Frau Franzi): Eienrseits fest verankert in der Wiener Klassik in der Tradition von Haydn und Mozart. Andererseits ganz weit in der Romantik, in der Tondichtung, voll utopisch und zukunftsorientierter Kompositionen.

Einerseits: Volle Action, es geht zu wie auf einem Schlachtfeld. Andererseits: Romantisch, lieblich, süß, dass dir vor Rührung die Tränen kommen.

Einerseits: Forte fortissimo, „dass da die Oawaschln owafetzt“ und andererseits: Pause, Stille.

„Anaseids: Mochd a wundaschee Musik, aundaraseits is a so a Ungusdl.“

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Beethoven – da wiggal van ruamogga

Dramaturgie & Spiel: Marika Reichhold
Regie: Christian Suchy

Wann & wo?
5. November 2020; 20 Uhr
1010 Wien, Theater Franz-Josefs-Kai 21
Telefon: 0664 179 80 50

7. November 2020; 19.30 Uhr
2331 Vösendorf (NÖ), Schloss Vösendorf, Freskensaal
Schlossplatz 1
Karten und Reservierungen zu den Öffnungszeiten (Mo, 8-16, Di/Mi/Fr, 8-12, Do, 8-18) im Bürgerservice persönlich und per Telefon: (01) 699 03–42 oder 0650/551 03 81
eMail: ursula.stefaner@voesendorf.gv.at

11. November 2020; 19.30 Uhr
Theater am Steg: 2500 Baden, Johannesgasse 14
Telefon: (0 2252) 868 00 525

Events.at -> Da Wiggal

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