Allen Unterdrückungen zum Trotz: „Wir dürfen alles wollen“
Von Heinz Wagner
129 Jahre alt und doch - nicht in allen Details, aber im Kern -, so frisch – tragischerweise. Aus der Geschichte wenig bis nichts gelernt. Das ist Frank Wedekinds „Frühlings Erwachen“, das auch den Untertitel „Eine Kindertragödie“ trägt. Kein Wunder, dass dieses Stück über erwachende Gefühle und Bedürfnisse in der Pubertät, die vom herrschenden System bzw. erwachsenen Individuen unterdrückt werden, immer und immer wieder auf den Spieleplänen von (Jugend-)Theatern stehen. Im großen Haus des Theaters der Jugend inszeniert der Direktor himself das Stück (ab 26. März).
Jugendliche spielen Jugendliche
Im Dschungel Wien spielt derzeit – bis 22. Februar 2020 - eine ganze 7. AHS-Klasse (BORG 1, Hegelgasse 12) das Stück mit schwungvollen Tanzeinlagen und Musik. Diese szenischen sowie chorische Elemente und die Streichung einiger dann doch aus der Zeit gefallen wirkender Passagen überträgt die rund 100-minütige insgesamt flotte, fast showartige Version – trotz großer Originaltexttreue - ins Hier und Heute. Trotz der Tragödie des Originals - zwei der Hauptfiguren werden in den Selbstmord getrieben – ist Wedekinds Text immer wieder von groteskem Humor durchzogen. Das von ihm 1891 fertiggeschriebene Werk, wurde wegen seiner „Skandalträchtigkeit“ erstmals 15 Jahre später – 1906 von Max Reinhardt inszeniert – und dabei sogar stark zensuriert. (Die erste Vollversion musste nochmals 18 Jahre auf die Erstaufführung warten.)
Vielumjubelte Premiere
Im BORG für Musik und Kunst hat die 7. Klasse als großen Projekt die Aufgabe, ein Bühnenwerk zu erarbeiten. „Der Dschungel Wien hat uns angeboten, wenn wir Frühlings Erwachen machen, können wir das hier aufführen. Das war eine so tolle Möglichkeit, dass wir uns dafür entschieden haben, statt was anderes nur in der Schule zu machen“, erzählte eine Runde mehrerer der 23 Darsteller_innen dem Kinder-KURIER nach der viiiiel-umjubelten Premiere in diesem Theaterhaus für junges Publikum im Wiener MuseumsQuartier. Und weil es sich um eine beeindruckende Ensemble-Leistung handelt, drum sei hier auf die Erwähnung Einzelner verzichtet – alle – samt den Rollen, die sie verkörperten – finden sich unten im Info-Block.
Viel Gespür
Überrascht waren die meisten, die das Stück vorher nicht kannten, dass es trotz allen alten, für viele überholten Anscheins, wie aktuell so manches ist. In der frühen Probenphase kristallisierte sich heraus, wer in welche Rolle schlüpfen würde. Das ergab sich aus den eigenen ausgewählten vorgespielten Szenen, aus viel Gespür des jungen Regisseurs – der übrigens als Jugendlicher in einem Stück der Dschungel-Direktorin gespielt hatte – und der Klassenvorständin und gleichzeitig Chorleiterin.
Das führte auch dazu, „dass er die, die eine Kussszene haben, sanft herangeführt hat, dass wir das locker spielen konnten und es nie peinlich war. Außerdem haben wir das dann sicher 1000 Mal geprobt.“ So kämen die Betreffenden selbst beim mit Jugendlichen vollbesetzten großen Saal im Dschungel Wien nie in die Lage, dass es unangenehm oder komisch würde.
Spannende Neuerungen
Das Leben genießen – trotz der Anklage an prügelnden Eltern, runtermachende Lehrkräfte – dieses Plädoyer Wedekinds wird lebendig und vielfältig von den 23 Jugendlichen gespielt, getanzt, gesungen – gekannte Hits und ein von einer Schülerin selbst kreierter Song. Und trotz der Tragödie, dass sich so manche von Strukturen und nicht-wertschätzenden Haltungen, die (nicht nur) Jugendliche unterdrücken in diesen 1 ¼ Jahrhunderten nicht geändert haben, strahlt die Truppe Optimismus aus. Nicht zuletzt im kräftigen, sehr lebensfrohen Schluss-Song: „Lust, Liebe, Leidenschaft ohne Zwänge… Wir dürfen alles wollen …“ Diese Jugendlichen lassen sich nicht bald klein kriegen!
Frühlings Erwachen
BORG 1 für Musik und Kunst, Hegelgasse 12
Ab 13 J., 1 ½ Stunden
Autor: Frank Wedekind
Regie: Cornelius Edlefsen
Mit Liedern von Sarah Connor, Spring Awakening, Meg Myers, Amanda Palmer, Tamino und einem Originalsong von Hannah Kuhn
Es spielen: Schüler*innen der 7d des BORG 1 für Musik und Kunst:
Melchior Gabor: Lukas J. Hagenauer
Wendla Bergmann: Alma Grausam
Moritz Stiefel: Florian Klingler
Otto: Lea S. Echtermeijer
Robert: Anton C. Hörmann
Georg Zirschnitz: Alessa K. Steiner
Ernst Röbel: Emma Berghold
Hänschen Rilow: Amelie Winter
Lämmermeier: Hannah Kuhn und Astrid T. Fabian
Martha Bessel: Paula Spitzy
Thea: Saveria E. Frühmann
Ilse, ein Modell: Jasmin Safadi
Rektor Sonnenstich: Ella M. Fliri
Hungergurt: Clara Schmoll
Knüppeldick: Nefeli Koptsas-Anastassiou
Zungenschlag: Klara Hatter
Fliegentod: Anna S. Weber
Habebald, Pedell: , Lena Strobl
Der vermummte Herr: Lino Eckenstein
Frau Gabor: Sabrina Lang-Muhr, Tarina Mair und Lena Wolsegger
Lehrer_innenchor/Frau Bergmann: Nefeli Koptsas-Anastassiou, Lena Strobl, Klara Hatter, Clara Schmoll, Ella M. Fliri, Anna S. Weber
Musikalische Leitung: Theresa Bannholzer
Leitung Bühne und Kostüm: Sascha Reichstein, Ramona Zdarsky
Leitung Choreographie: Lino Eckenstein, Amelie Winter, Emma Berghold
Leitung Maske: Ella M. Fliri, Nefeli Koptsas-Anastassiou, Clara Schmoll, Anna S. Weber
Bühnenbildassistenz: Emma Berghold, Lea S. Echtermeijer, Lino Eckenstein, Sabrina Lang-Muhr, Tarina Mair, Alessa K. Steiner
Kostümassistenz: Alma Grausam, Lukas J. Hagenauer, Klara Hatter, Jasmin Safadi, Paula Spitzy, Amelie Winter, Lena Wolsegger
Regieassistenz: Nefeli Koptsas-Anastassiou, Lena Strobl
Requisite: Astrid T. Fabian, Saveria E. Frühmann, Anton C. Hörmann, Florian Klingler, Lena Strobl
Wann & wo?
Bis 22. Februar 2020
Dschungel Wien: 1070, MuseumsQuartier
Telefon: (01) 522 07 20-20
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