In einer gebildeten Gesellschaft ist die Lebenserwartung höher
Seit 150 Jahren ist es ein kontinuierlicher Trend: Jedes Jahrzehnt steigt die Lebenserwartung um mindestens zwei Jahre an. „Wir verbinden das immer mit dem medizinischen Fortschritt, neuen Therapien, Impfungen, etc.“, sagt Marc Luy vom Institut für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Ein Forschungsteam rund um Luy (beteiligt waren auch die Sophia-Universität in Tokio und die Universität La Sapienza in Rom) hat jetzt untersucht, wie sich Veränderungen in der Bildungsstruktur einer Gesellschaft auf die Lebenserwartung auswirken. Die Studie wurde im Fachjournal Genus - Journal of Population Sciences veröffentlicht.
Grundsätzlich wusste man, dass das Bildungsniveau einen Einfluss auf die Lebenserwartung hat. Nicht bekannt war: Ein höheres Bildungsniveau einer Gesellschaft macht ungefähr 20 Prozent des Anstiegs der Lebenserwartung in einem Land aus. „Diese Erkenntnis ist neu und überraschend.“
Die Forscher haben drei Länder untersucht: Italien, Dänemark und die USA. Etwa ein Fünftel der Zunahme der Lebenserwartung zwischen 1990/91 und 2010/2011 – in Italien und Dänemark ein Jahr, in den USA ein halbes Jahr (siehe Grafik) – geht nur darauf zurück, „dass der Anteil der Menschen in höheren Bildungsschichten angestiegen ist. Bildungspolitik ist deshalb auch Gesundheitspolitik.“
Dass Unterschiede im Bildungsgrad so eine starke Auswirkung auf die Lebenserwartung haben, dürfte verschiedene Ursachen haben: „Da gibt es viele Theorien. Ein Teil ist sicher das bessere Wissen durch das längere Lernen, aber nicht nur. Höher Gebildete haben seltener gefährliche Berufe, ihre finanziellen Mittel sind größer, sie finden rascher Zugang zu wichtigen Informationen und zum Gesundheitssystem, haben insgesamt eine höhere Lebensqualität.“
Luy rechnet damit, dass – aufgrund eines biologischen Alterslimits – der Anstieg der Lebenserwartung abflachen wird: „Gelingt es aber, den Anteil besser Gebildeter fortlaufend zu steigern, wird sich das auch in kommenden Jahren positiv auswirken.“
Die Studie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften wird jetzt die Grundlage für weitere Untersuchungen sein: Zum Beispiel zur Frage, ob sich die Informationen über Prävention und Therapien in höher gebildeten Gesellschaften über alle Bildungsschichten hinweg besser verbreiten, oder ob es in solchen ein generell stärkeres Bewusstsein für gesunden Lebensstil gibt.