Genuss-Momente auf der Terra Madre
Wer genießen will, muss kein Gourmet sein oder ein nobles Restaurant besuchen. Frisch gepflückte Beeren schmecken genauso herrlich wie eine herzhafte Jause am Berg. Genuss entsteht nicht nebenbei - er verlangt nach Zeit und Aufmerksamkeit.
Während rundherum alles immer schneller, kompakter, knapper passieren muss, entwickelt sich der Trend in Richtung Entschleunigung und bewussterem Umgang mit dem Alltag - allen voran dem Essen. "Der Geschmack ist dabei nur ein Bruchteil dessen, was wir beim Essen wahrnehmen - der Geruchssinn dominiert", erklärt die Ernährungswissenschaftlerin
Eva Derndorfer. Doch auch die anderen Sinne spielen bei unserer Wahrnehmung von Genuss und Geschmack eine Rolle: Die Art der Musik, die wir beim Weintrinken hören, beeinflusst etwa die Empfindung dessen. Bei schwerer Musik wird auch der Wein schwerer empfunden - und umgekehrt.
Training
In ihrem Buch ("Genuss. Über Epikur, Erdmandeln und Experimente beim Essen" Maudrich Verlag, 24€) gibt Derndorfer Tipps, wie sich der
Geschmackssinn trainieren lässt - und damit auch der Genuss. Erdbeeren entfalten unterschiedliche Nuancen - je nachdem, ob sie frisch, getrocknet, tiefgekühlt oder püriert sind.
Der sonst eher bittere Grapefruitsaft enthält auch viel Süße - allerdings können wir diese erst schmecken, wenn wir den Grapefruitsaft salzen. Derndorfer macht Mut zu eigenwilligen Kombinationen: Roquefort und Lebkuchen sorgen etwa für eine wahre Explosion der Geschmacksknospen - und doch passen sie hervorragend zusammen.
Die Auseinandersetzung mit Genuss und Geschmack wird ab Donnerstag auch bei der "Terra Madre" im Wiener Rathaus zelebriert. Bei der Slow-Food-Messe lernen nicht nur Erwachsene, sondern bereits Kinder, woher gutes Essen kommt und wie sie es genießen können. Denn: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr, sagt der Volksmund.
Entdeckung
Gilt das auch fürs Schmecken? Das Gejammer ist groß über die verloren gegangene Fähigkeit der Kinder, natürliche Aromen zu schmecken. Industriefutter hat ihnen den Geschmack verdorben, heißt es. Kein Schüler weiß mehr, wie eine Karotte oder eine Suppe ohne Maggi schmeckt. Der Burger scheint das Maß aller Dinge.
Der britische TV-Star-Koch
Jamie Oliver versuchte schon vor Jahren, den Schulkindern in England natürliches (und damit auch gesünderes) Essen schmackhaft zu machen. Der Erfolg soll überschaubar gewesen sein. Vielleicht stimmte sein Rezept einfach nicht.
Die "Schule des Geschmacks" bei der "Terra Madre" setzt genau hier an und macht Lust auf Entdeckung von Genuss. Während Erwachsene sich mit Köstlichkeiten wie Wein, Fisch, Fleisch und Käse auseinandersetzen, werden für Kinder (und ihre Eltern) Fragen aus unserer Geschmackswelt aufgeklärt: Wie wird Korn zu Brot verarbeitet? Ist Honig gleich Honig? Und wie kommt der Geschmack in die Schokolade oder in den Tee?
Das Erlebnis, ein Ei zu kochen
Zu den Lehrerinnen der "Schule des Geschmacks" gehört auch Roswitha Huber - sie führt auf ihrer Rauriser Alm die "Schule am Berg". Mathe wird dort nicht unterrichtet, dafür bringt sie ihren Schülern viel über das Zusammenwirken von Essen und Landwirtschaft bei. "Es gibt so viele Kochkurse. Leider gibt es wenig Kochschulen für Kinder. Die Eltern halten die Kinder vom Ausprobieren ab", meint Huber. "Irgendwie hatte die letzte Elterngeneration nicht soviel Sinn fürs Kochen zu Hause." Es müsse ja nicht gleich ein selbst gemachtes Beef Tatar sein. "Einmal selbst ein Ei kochen, darum geht es."
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