Popstar-Blues: Ein halbes Jahrhundert Gwen Stefani
Von Barbara Reiter
Generell ist ein Geburtstag eine feine Sache. Man feiert ein weiteres Lebensjahr und genießt, mit zunehmendem Alter im besten Fall reifer und weiser geworden zu sein. So gesehen könnte sich Gwen Stefani freuen, wäre sie nicht Popstar. Am 3. Oktober wird die Sängerin 50 Jahre alt und ist damit wohl endgültig kein „Hollaback Girl“ mehr, so der Titel einer ihrer größten Hits. Denn auch, wenn es viele nicht wahrhaben wollen: Alter ist besonders im Show-Business ein Thema, ungerechterweise vor allem bei Frauen. Da drängt sich die Frage auf: Wie lange kann man eigentlich Popstar sein?
Aussehen und Performance betreffend müsste sich Stefani keine Sorgen machen. Sie hat den Look einer 25-Jährigen, die 2016 mit „This Is What The Truth Feels Like“ ihr drittes Studioalbum veröffentlicht hat und zusätzlich als Jurorin bei „The Voice“ gut im Geschäft ist. Da geht also noch was, obwohl sie 2014 schon einmal das Ende ihrer Solo-Karriere verkündet hatte. Vielleicht, weil sie ahnt, was auf sie zukommen könnte?
Reiferen Kolleginnen ergeht es im Popgeschäft nämlich in einigen Fällen weniger gut. Ein solches Beispiel ist wohl Madonna, die im August 61 Jahre alt wurde und ihr Alter im Juni gezwungenermaßen thematisierte. Anlässlich der Veröffentlichung ihres Albums „Madame X“ war in der New York Times nämlich ein Porträt über sie mit dem Titel „Madonna im Alter von 60“ erschienen, verfasst von Vanessa Grigoriadios. Darin schrieb die Journalistin, dass Madonna in den Achtzigerjahren als „höchst autobiografischer, überselbstbestimmter, hypersexualisierter weiblicher Popstar“ zu einem dominanten Vorbild der Weiblichkeit in den USA geworden, aber inzwischen eine Sechzigjährige sei, die ihren Platz zwischen Künstlern suche, „die zwei Generationen jünger sind als sie“.
Das saß, was Madonna nicht verheimlichte: „Der Artikel ist durchzogen von endlosen Kommentaren über mein Alter, das nie erwähnt worden wäre, wäre ich ein Mann“, konterte sie auf Instagram. Schon im Mai wurde die „Queen of Pop“ entthront, nachdem sie beim Song Contest in der Tat stimmlich danebenlag. Unisono wurde medial ihre „längst fällige Pensionierung“ gefordert.
Es besteht aber die Chance, dass es sich bei all der Kritik nur um Liebesentzug auf Zeit handelt. Denn Grace Jones, seit Mai 71 Jahre alt, lief im März bei der „Paris Fashion Week“ zu ihrem Song „Pull Up To The Bumper“ über den Laufsteg und erntete tosenden Applaus. Die Schlagzeilen überschlugen sich. „Amazing Grace“, „Alter ist nur eine Zahl“ oder „Rückkehr einer Ikone“. Die Ikone postete kürzlich auf Social Media ein Foto aus dem Musikstudio mit den Worten: „Etwas Abgefahrenes ist im Gange.“ Die Crowd freute sich. Über 70 werden weibliche Popstars offenbar wieder Kult. Auch abgefahren irgendwie.