Banksy & Co: berühmt & unbekannt
Von Andreas Bovelino
Künstler haben etwas zu sagen. Sie haben ein Bild im Kopf, eine Melodie oder eine Geschichte. So ist das. Normalerweise haben sie aber auch einen gewissen Hang zur Selbstdarstellung. So soll es zumindest bei Kreativen nicht ungewöhnlich sein ...
Jetzt gibt es aber einige Ausnahmen. Die wollen partout nicht, dass man ihre Namen, ihre Gesichter erkennt. Das mag praktische Gründe haben, wie bei den Schwestern Brontë im England des 19. Jahrhunderts. Emily („Wuthering Heights“) und Ann („Agnes Grey“) schrieben unter den männlichen Pseudonymen Ellis und Acton Bell. Weil es für Frauen zu ihrer Zeit schwierig und vor allem nicht schicklich war, Romane zu verfassen.
Im 20. Jahrhundert wollten einige Stars einfach ihre Ruhe, wie Schriftsteller Thomas Pynchon oder aktuell Sängerin Sia, die ihrem Alter Ego, der jungen Tänzerin Maddy Ziegler das Rampenlicht überlässt und selbst mit Perücke im Hintergrund bleibt.
Manche bleiben auch aus Selbstschutz anonym, wie die Autorin der berühmten „Geschichte der O“. Und manche, wie William Shakespeare, müssen ein für uns kaum nachvollziehbares Doppelleben geführt haben. Biederer und glücklicher Familienvater im hübschen Haus in Stratford-upon-Avon – exaltierter, manischer und genialer Autor und Schauspieler im sündhaften London. Aber sehen Sie selbst ...
BANKSY
Wie der gute alte Fantomas schleicht sich der mysteriöse Künstler zur Versteigerung seines eigenen Bildes, zerstört es unerkannt vor aller Augen, nachdem es gerade für 1,2 Millionen Euro verkauft worden ist – und schlendert dann gemütlich davon.
Was für ein Coup! Der natürlich nur gelingen konnte, weil niemand weiß, wie Kunst-Superstar Banksy aussieht. Er macht seit den 1990ern Street Art, Schablonengraffiti, weil es vor Ort schnell gehen muss, wenn man nicht erwischt werden will. Bilder gegen den Krieg, gegen Gewalt, gegen Kapitalismus. In den 2000ern wurde er zum Star. Manche glauben es ist Robert Del Naja von Massive Attack, der ein „guter Freund“ Banksys sein soll. Es sieht allerdings nicht so aus, als ob dieses Rätsel bald gelöst werden wird.
ELENA FERRANTE
Das Nachrichtenmagazin „Time“ zählt die Italienerin zu den „100 einflussreichsten Personen weltweit“ – obwohl man nicht einmal genau weiß, ob die Bestseller-Autorin überhaupt eine Bestseller-Autorin ist. Oder doch ein Autor. Das hat für „sie“ aber auch einen künstlerischen Aspekt: „Mensch und Autor stimmen nicht überein“, sagt sie – und der Autor sei ja bekannt: Elena Ferrante, Mutter von Töchtern, berufstätig, aus Neapel. Auch die härtesten Nachforschungen brachten bisher kein Licht in die Sache ...
SIA
Es war der Erfolg, der Superstar Sia dazu brachte, sich fast völlig zurückzuziehen. „Eine Freundin sprach mit mir gerade über ihre Krebserkrankung, als uns jemand unterbrach und ein Selfie mit mir wollte ...“ 2010 begann sie, auf der Bühne Masken zu tragen.
Vor fünf Jahren ließ sie sich ihre mittlerweile zur Trademark gewordene Perücke machen, die das halbe Gesicht verdeckt. Und entdeckte die junge Tänzerin Maddie Ziegler, die zu ihrem sichtbaren Selbst wurde ...
BUCKETHEAD
Der Mann aus Kalifornien gilt, da sind sich alle Experten einig, als einer der besten Gitarristen der Welt. Vielleicht sogar der schnellste. Metal, Rock, Techno, Jazz – er kann alles, hat mit Bootsy Collins und Bill Lasswell ebenso zusammengespielt wie mit den Guns’n’Roses.
Über sein Leben ist so gut wie nichts bekannt. „In einem Hühnerstall geboren und von Hühnern großgezogen“, sagt er selbst. Sein kreativer Output ist jedenfalls phänomenal: Mr. Buckethead produziert eine CD pro Woche. Derzeit steht er bei weit über 300 Stück...
CRO
Bei einem groß angekündigten „Maske ab!“-Auftritt kamen immer mehr Tänzer mit Panda-Maske auf die Bühne, die am Ende des Songs alle ihre Masken abnahmen – und abgingen. Mit dem echten Cro. Geiler Gag.
„Ich laufe ohne Maske durch die Stadt und werde null erkannt – darum geht’s“, sagt der sympathischste Rapper von allen.
DAFT PUNK
Seit 25 Jahren sorgen die beiden Franzosen für internationale Dance-Hits – und schaffen es ebenso erfolgreich, ihre Identitäten aus den Medien rauszuhalten.
Nicht verkrampft, man findet durchaus Fotos ohne Helme, wenn man sich ein wenig Mühe gibt. Allerdings: Wer weiß schon, ob das dann wirklich die beiden sind, wenn sie KEINEN Helm auf haben?
THE RESIDENTS
60 Alben, 10 DVDs, 3 CD-ROMs und tonnenweise Film- und Video-Material – und dabei nicht eine Spur ihrer wahren Identität. Die Avantgarde-Rocker aus Louisiana sind geheimer als jeder Geheimdienst.
„Es sind die Beatles“, hieß es in den 70ern hoffnungsvoll, dann glaubte man an die Jungs von Devo, dann Primus. Erstaunlich nur: Sie scheinen seit fast 50 Jahren nicht zu altern! Hm ...
THOMAS PYNCHON
40 Jahre lang schaffte es der legendäre US-Schriftsteller, praktisch jeden Kontakt mit den Medien zu vermeiden. Es gab kaum Fotos von ihm, außer aus seiner College-Zeit, Interviews gab er sowieso kaum. Nur für die „Simpsons“ ließ er 2004 seine Stimme aufnehmen. 2014 wurde er heimlich in New York fotografiert, als er gerade einem Obdachlosen Geld gab (Bild o.) ...
J.D. SALINGER
Der Kult-Autor („Der Fänger im Roggen“) zog sich 1955 sofort nach Veröffentlichung seines Bestsellers in ein Haus mit hohen Mauern zurück und ließ niemanden mehr an sich heran. Außer seine meist sehr jungen Frauen. Und Nicolas Cage. Der musste, so erzählt er jedenfalls, ein Autogramm von ihm besorgen, um seine angebetete Patricia Arquette heiraten zu können. Er schaffte es, Patricia sagte „ja“. Die Ehe hielt immerhin sechs Jahre.
PAULINE REAGE
„Die Geschichte der O“ – einer der sattesten Literaturskandale des 20. Jahrhunderts. So ein Schmutz, und noch dazu von einer Frau! Ja, nur hieß die nicht Pauline Réage. Es war die Lektorin Anne Cécile Desclos, die angestachelt durch eine Bemerkung ihres Liebhabers, des Schriftstellers Jean Paulhan, dass Frauen keine erotischen Romane schreiben können, zur Sache ging. Und zwar sehr heftig. Vollständig aufgeklärt wurde das Geheimnis erst 1995.
B. TRAVEN
Er kam aus Deutschland, lebte in Mexiko, und verfasste einige der berühmtesten „amerikanischen“ Romane der Geschichte, unter anderem „Der Schatz der Sierra Madre“ (1948 mit Humphrey Bogart verfilmt). Angeblich steckt hinter dem Pseudonym der deutsche Anarchist Ret Marut – aber auch das scheint nur ein Pseudonym zu sein, für Otto Feige vielleicht, oder für Berick Traven Torsvan oder ...
SHAKESPEARE
Natürlich hat Herr Shakespeare gelebt. Keine Frage. Ob er auch der Autor der berühmten Stücke ist, das stellen manche Wissenschaftler aber immer wieder in Frage. Weil sie sich nicht erklären können, wie aus dem Sohn des Handschuhmachers von Stratford-upon-Avon, der mit Frau und Kindern in einem hübschen Haus wohnte, der Dichter-Gott von
London werden konnte ... Francis Bacon war’s! Nein, Christopher Marlowe! Oder doch der gute Willy?