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"Nachhaltigkeit ist das Drehbuch für die Zukunft"

Das Bürohaus Timber Pioneer ist der erste Holz-Hybrid-Bau in der Finanzmetropole Frankfurt. Immobilienentwickler Christian Paulus spricht im Interview über die Herausforderungen des Pionierprojektes und den Megatrend Nachhaltigkeit.

Ein Blick durch die Webcam zeigt: Auf dem Grundstück Europaallee 92-94 schreiten die Bauarbeiten voran. Am Baufeld 43, wo bis 2016 eine Minigolfanlage stand, entstehen nun zwei Leuchtturmprojekte im jungen Europaviertel von „Mainhattan“. Der repräsentative F.A.Z.-Tower als neuer Sitz der Frankfurter Allgemeine Zeitung und, direkt angrenzend, das Office Building Timber Pioneer.

Es ist das erste Bürogebäude in Frankfurt, das in nachhaltiger Holz-Hybrid-Bauweise errichtet wird und damit in den Bürogeschossen bis zu 80 Prozent CO₂ einspart. Dabei hatte die Widmung des Projektes vor der Pandemie noch ganz anders ausgesehen, wie Christian Paulus im Interview verrät. Er ist Geschäftsführer der Paulus Immobilien Gruppe, die beide Projekte an der Europaallee gemeinsam mit UBM Development entwickelt.

Sie sind seit fast 30 Jahren in der Immobilienentwicklung tätig. Was waren die bislang größten Meilensteine in diesem Sektor?

Christian Paulus: Einer der größten Meilensteine war die Umstellung auf alternative Energiekonzepte. Vor 30 Jahren hat man doch eigentlich noch Öl und Gas verheizt, als gäbe es kein Morgen. Die Entwicklung der Wind- und Solarenergie für Haustechnikanlagen steckte damals noch in den Kinderschuhen. Wir haben in unserer Firmengruppe bereits vor über 20 Jahren damit begonnen, die ersten Gebäude mit Grundwasserwärme- und Luftwärmepumpen zu bauen. Unser Firmensitz wird mit örtlicher Geothermie beheizt. Schließlich geht es auch darum, den nachfolgenden Generationen lebenswerte Städte zu hinterlassen.

Was sind die größten Leuchtturmprojekte der Paulus Immobiliengruppe?

Zur Jahrtausendwende realisierten wir das ABC-Forum in München, ein Premium-Gewerbebau im modernistischen Design, das mit Grundwasser geheizt und gekühlt wird. Das Glashaus am Park in München-Schwabing mit dem Wintergarten als Temperaturpuffer ist ein Bürogebäude, das auch nach 10 Jahren noch innovativ ist. Mit dem Vierschanzenhaus in Neuperlach haben wir eine Wohnanlage geschaffen, die ein gutes Beispiel für die städtische Nachverdichtung ist. Unsere aktuellen Leuchtturmprojekte sind natürlich der F.A.Z.-Tower und der benachbarte Timber Pioneer, mit dem wir in der Frankfurter Baugeschichte ein gänzlich neues Kapitel aufschlagen.

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Nachhaltigkeit heißt für mich auch soziale Verträglichkeit und Einbindung des Projektes in das Stadtumfeld.

Christian Paulus, Geschäftsführer der Paulus Immobilien Gruppe

Das Holz-Hybrid-Projekt Timber Pioneer ist für die meisten Beteiligten Neuland. Was waren dabei die größten Herausforderungen?

Natürlich gab es viele Unsicherheitsfaktoren, der größte war wohl, die Genehmigungsfähigkeit hinzubekommen. Aber die Stadt Frankfurt geht sehr konstruktiv damit um. Es gibt reges Interesse und Neugier an der Holz-Hybrid-Bauweise und großen politischen Rückenwind für dieses nachhaltige Bauprojekt. Eine weitere Herausforderung war die coronabedingte Umkonzeptionierung, denn ursprünglich hätte der Bau ein Hotel werden sollen. Das verursacht natürlich auch Mehrkosten.

Mehrkosten, die sich am Ende bezahlt machen?

Auf jeden Fall. Der USP als ökologisch nachhaltiges Gebäude wird in der Vermarktung eindeutig Vorteile bringen. Ein gesundes Gebäudeklima, eine gute CO₂-Bilanz und niedrige Betriebskosten sind Faktoren, die bei den Nutzern für positive Resonanz sorgen. Die beschleunigte Bauweise durch den sehr hohen Vorfertigungsgrad lässt uns die durch die Umkonzeptionierung verlorene Zeit wieder aufholen. Am Ende tragen wir mit unserer Pionierarbeit auch dazu bei, dass nicht nur wir in diesem Prozess dazulernen, sondern dass es für künftige Holzbauprojekte bereits standardisierte Verfahren gibt.

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Langsam beginnt der Holzbautrend Fahrt aufzunehmen. Welche Entwicklung sehen Sie hier in den kommenden Jahrzehnten?

Der Holzbau wird in Zukunft stärker in den Vordergrund treten und vielleicht wieder den Stellenwert einnehmen, den er über die Jahrhunderte bereits hatte. Zu Beginn der Industrialisierung ging man vom Fachwerkhaus zum Massivbau über, auch aufgrund der feuergefährdeten Wände und Decken. Mittlerweile haben wir hier das Thema Brandschutz im Griff, auch aufgrund der Hybridbauweise. Beim Raumklima und der Gebäudedämmung ist Holz eigentlich unschlagbar. Ich denke, es wird in Zukunft ein Miteinander unterschiedlicher Baustoffe geben, je nach Einsatzgebiet. Im Mittelpunkt wird die Nachhaltigkeit bei gleichzeitiger Wahrung der Effizienz stehen.

Wo fängt die Nachhaltigkeit für Sie an, wo hört sie auf?

Nachhaltigkeit ist ein weit gefasster Begriff, der eine ganzheitliche Herangehensweise impliziert. Für mich bedeutet er nicht nur das vordergründige Wohl von Mensch und Umwelt sowie Gesundheit und neue, ökologische Bauweisen, da hängt viel mehr dran. Es geht auch um den im Bauwesen neuen Begriff Smartness. Es darf nicht nur 30 bis 40 Jahre weit gedacht werden, sondern es muss auch über die Erstnutzungsphase eines Gebäudes hinaus geplant werden, bis hin zu einer möglichen späteren Umnutzung.

Nachhaltigkeit heißt für mich auch soziale Verträglichkeit und Einbindung des Projektes in das Stadtumfeld. Konkret heißt das: Baue ich Luxusapartments oder investiere ich in den sozialen Wohnbau? Will ich das gewachsene Quartier stützen oder gentrifizieren?

Wird die Nachhaltigkeit beim Bauen zum neuen Markttreiber werden?

Die von uns bereits seit 20 Jahren gelebte Nachhaltigkeit ist heute ein Megatrend, der sich in vielen Facetten manifestieren wird. Es kann keinen seriösen Marktteilnehmer geben, der diesem Trend aus dem Weg geht. Sonst wird man sehr schnell ein Marktakzeptanzproblem haben. Die Nachhaltigkeit ist das Drehbuch für die Zukunft, nach dem Projekte analysiert und realisiert werden.

Interview: Gertraud Gerst Foto: Paulus Immobilien Gruppe Renderings: Bloomimages

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