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Immer einen Ast im Ärmel

Um dem Wald möglichst nahe zu sein, haben Architekten für eine Großfamilie in Japan das „Haus im Wald“ gebaut. Ein Gebilde aus Holz und Stahl, das an einen gefällten Baum erinnert.

Jetzt kann man natürlich Witze machen. Weil nämlich das Architekturbüro namens Florian Busch Architects ein Haus inmitten von Büschen baut. Ein Haus, das zudem selbst aussieht, wie ein Baum und obendrein die Idee verfolgt, mitten im Gebüsch zu wohnen. Nomen est Omen! Oder so. Doch die Architekten des „Hauses im Wald“ sitzen halt in Tokyo und auf japanisch heißt „Busch“ eben かんぼく・そうoder in unserer Lautschrift:  [kanboku·sō].

Alles, nur kein normales Haus

Wie auch immer. Florian Busch Architects haben jedenfalls soeben stolz verkündet, das „Haus im Wald“, wie es offiziell genannt wird, fertiggestellt zu haben. Und tatsächlich ist dieses Objekt alles andere als alltäglich – das sieht man auf den ersten Blick. Im Gegensatz zur gängigen Vorstellung eines Einfamilienhauses besteht es keineswegs aus einer rechteckigen Fassade, die dahinterliegende Zimmer und Geschoße verbirgt. Vielmehr sieht es ein bisschen so aus, als hätte man einzelne besonders schicke Baucontainer zusammengewürfelt.

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Das ist freilich nicht der Fall. Die ungewöhnliche Form der einzelnen Wohneinheiten erklärt sich aus der Geschichte, die hinter diesen unorthodoxen Mauern schlummert.

Haus im Wald mit Geschichte

Also: Eine wohlhabende japanische Großfamilie hatte den touristischen Trubel in Hokkaido satt. Diesem wollte man entfliehen.

Bald fand die Familie ein drei Hektar großes Waldstück. Weit genug entfernt, um das Gefühl von Enklave zu vermitteln. Nah genug von Hokkaido, um dennoch jederzeit in die Zivilisation eintauchen zu können.

Quadratische Enklave

Vor allem aber umringt von Erdhügeln, die Einblicke verhindern. In der Mitte, ein Baugrund von exakt 160 mal 160 Meter im Quadrat und einer kleinen Lichtung. Hier sollte der neue Lebensmittelpunkt entstehen. Und zwar möglichst so, dass der Kiefernwald in das Wohnerlebnis integriert würde.

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„Die Stille des Waldes ist tatsächlich ein vollständiger und willkommener Kontrast zum Urlaubstrubel der Skipisten von Niseko“, erzählt Studio-Gründer Florian Busch und erinnert sich an seine erste Grundstücksbegehung: „Das Durchqueren des Waldes weckte meine Neugierde. Dieser Platz vermittelt ein Gefühl von Natürlichkeit und Ruhe. Es ist selten, dass man so nahe an der ungefilterten Natur sein kann.“

Leben zwischen Kiefern

Also erforschte er mit seinem Team das Gelände. „Wir kamen dann zu dem Schluss, dass es schade um diese Lichtung im Zentrum wäre. Dass wir die nicht verbauen wollen." Stattdessen suchte Busch nach einem Bereich, an dem die Kiefern so weit voneinander weg wuchsen, dass er ein Haus buchstäblich hineinpflanzen konnte.

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Man kann also sagen, Busch und seine Planer haben das Haus um die Bäume herum konzipiert. Gleichzeitig gelang es ihnen dabei, den Grundriss des Hauses so zu entwerfen, dass er selbst wie ein Baum aussieht. Von oben betrachtet wirkt das 230 Quadratmeter-Gebäude nach seiner Fertigstellung tatsächlich wie ein gefällter Riese, dem man seine Äste an der Hälfte abgeschnitten hat.

Äste als Gucklöcher in den Wald

Genau das ist ein weiteres Stilmittel der Architekten: „Sich durch das stille Refugium zu bewegen, soll einem Gang durch den Wald gleichen“, sagen sie. Dabei solle sich mit jedem Schritt und jeder Drehung der Blick in den Wald verändern. „Je weiter man zum Ende eines jeden Astes geht, desto näher kommt man dem Wald auf der einen Seite und entfernt sich von ihm auf der anderen. Aber man ist stets nur durch riesige Glaswände getrennt von ihm.“

Jedes herausragende Astende wird zudem durch einen Holzrahmen und einer Holzbank auf dem Boden klar definiert. So will man zum Panoramablick auf die Wildnis draußen noch bewusst hinweisen.

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"Da der Blick immer wieder von der Ferne in die Nähe wechselt, ist der Wald sowohl entfernter Hintergrund als auch taktile Umgebung", erklärt Busch. Wenn es Nacht wird, werfen die rechtwinkligen Öffnungen einen Teil der beleuchteten Innenräume nach draußen, die in der stillen Dunkelheit stehen und sanft beleuchtet werden.

So gut wie keine Einrichtung

Das schlichte Interieur mit minimaler bis gar keiner Möblierung hat man bewusst zu einer räumlich zusammenhängenden Szene zusammengefügt, die auf die Bewohner so beruhigend und zentriert wie der Wald wirken soll.

"Der Fokus und der Maßstab der Fenster intensiviert die Umgebung für denjenigen, der sie von innen betrachtet. Wir sitzen im Wald", führt Busch weiter aus. Das zentrale Rückgrat des Hauses – also sozusagen der Stamm im Grundriss – verläuft zickzackförmig und verschiebt sich.

Kein Durckblick durch das Haus im Wald

Das würde dem Wohndesign einen facettenreichen Rahmen verleihen, sich aber dadurch auch nie in seiner Gesamtheit offenbaren. Sprich: Man kann nicht einfach durch das Haus gerade hindurchblicken. In dieser Verschlungenheit verstecken sich aber natürlich nicht nur Waldleben und Baumkult, sondern auch ganz normale Wohnelemente: Ein gemütlicher Kamin. Eine Küche und ein Wohnzimmer. Die zehn sich verzweigenden Räume sind Schlafzimmer mit angeschlossenen Bädern, ein Esszimmer und ein großer Wohnraum, der sich als Terrasse förmlich in den Wald ergießt.

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"Beim Haus im Wald geht es nicht um eine feste Form, sondern um einen sich ständig verändernden Dialog mit dem Wald. Das Gebaute ist lediglich das Ergebnis eines Prozesses des Auslotens und Reagierens auf die Umgebung. Nur um einen Ort zu schaffen, an dem die Familie sowohl zusammen als auch für sich sein kann. An dem sie Teil des Waldes werden kann", kommentiert Busch so blumig, wie es sein floraler Nachname fast schon bedingt.

Vielleicht ist also doch etwas dran, an diesem Nomen est Omen-Ding …

Text: Johannes Stühlinger Bilder: Florian Busch Architects

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