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Ein neues Monument für Wien

Mit dem Umbau des Wien Museums bekommt der Karlsplatz ein architektonisches Makeover. Direktor Matti Bunzl erklärt, was der Neubau bringt, und wie die Fusion von Alt und Neu erreicht wird.

Kasten, Klotz, fette Matratze. Kaum wurden die ersten Renderings des Wettbewerbssiegers bekannt, hatte der neue Überbau des Wien Museums bereits wenig schmeichelhafte Beinamen. Während die Hamburger trotz der gigantischen Kostenexplosion ihrer Elbphilharmonie stets am liebevollen Kosenamen „Elphie“ festhielten, herrscht in Wien offenbar ein anderer Umgangston mit zeitgenössischen, öffentlichen Bauprojekten.

Der Donaumetropole mit dem ausladenden historischen Erbe wird immer wieder unterstellt, sie liege seit Jahrzehnten mit der modernen Architektur im Clinch. Die ewige Suche nach Konsens – der Grundstein der Zweiten Republik – sei daran schuld, sagen die einen. Zu viele Beschränkungen durch Weltkulturerbe und Denkmalschutz die anderen.

Fusion von Alt und Neu

Das Projekt Wien Museum Neu mitten am geschichtsträchtigen Karlsplatz kann dieses Image der Modernisierungskneifer jedenfalls nicht bestätigen. Der Entwurf des Architektenteams Certov, Winkler + Ruck verbindet Alt und Neu in einer kongenialen Wechselbeziehung und schafft einen neuen, selbstbewussten Solitär am Platz.

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Nach bewegten Diskussionen rund um die Standortfrage des neuen Wien Museums wurde 2015 schließlich ein internationaler Architekturwettbewerb ausgeschrieben. Eine der Hauptvorgaben war der Erhalt und die Miteinbeziehen des alten Museumsgebäudes von Oswald Haerdtl aus dem Jahr 1959. Eine herausfordernde Aufgabe, schließlich sollten Neubau und Bestand nicht in Konkurrenz zu einander treten oder eine gezwungene Verbindung eingehen.

Für Architekt Roland Winklerwar es deshalb besonders wichtig, „aus der Qualität des Baus von Oswald Haerdtl herauszubauen. Dies ist eine Chance, an die Geschichte anzuknüpfen“, was gerade bei einem Wien Museum wichtig sei.

Inszenierung einer transparenten Fuge

In ihrem Entwurf kappten die Architekten die Verbindung zum benachbarten Zürich-Gebäude, setzten einen schwebenden Betonblock als zusätzliches Geschoß über das alte Museum und einen gläsernen Pavillon in den Eingangsbereich. Eine Einheit sollte der Neubau herstellen, keine Dualität.

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Mit dem lichten Fugengeschoß, das die schwebende Konstruktion mit dem Altbau verbindet, schaffen wir den Übergang von Alt zu Neu.

Matti Bunzl, Direktor des Wien Museums

Für Museumsdirektor Matti Bunzl ist die Beziehung zwischen Alt und Neu eine „respektvolle“. Doch um diesen Respekt zu gewährleisten, brauche es eine Verbindung auf Abstand. „Mit dem lichten Fugengeschoß, das die schwebende Konstruktion mit dem Altbau verbindet, schaffen wir den Übergang von Alt zu Neu. Dieses entmaterialisierte Zwischengeschoß schafft zugleich aber auch die notwendige Distanz. Der neue Ausstellungsraum schwebt also in respektvollem Abstand darüber“, so der Anthropologe und Kulturwissenschaftler, der das städtische Wien Museum seit 2015 leitet.

Dieser Zwischenraum zwischen Alt und Neu „soll als transparente Fuge inszeniert werden“, hob auch die Jury in ihrer Begründung hervor. „Diese symbolische und gestalterische Geste ist die große kompositorische Qualität des Beitrags.“

Radikal bescheiden

Das Schwebegeschoß hievt den Haerdtl-Bau auf die internationale Bühne der zeitgenössischen Architektur und schafft ein neues Monument am Karlsplatz. Die unterschiedlichen zeitlichen Bezüge sind zu einem homogenen Ganzen zusammengefügt und begründen den selbstbewussten Charakter des neuen Bauwerks. „Ein klassisch moderner Pavillon mit geschlossener Fassade soll auf das Dach des in anderer Form klassisch modernen Haerdtl-Pavillons gesetzt werden“, lobte die Jury die stilistische Einheit.

Das neue Wien Museum soll weniger Designerstück denn bequemes Sofa sein – ein offenes, nicht elitäres, die Menschen einladendes Gebäude.

Matti Bunzl, Direktor Wien Museum

Statt eines exzentrischen Star-Architekten-Tempels setzt man stattdessen auf eine subtile architektonische Geste, die mit Geschichte und Ort behutsam umgeht. Für Bunzl ist das neue Wien Museum „radikal in seiner Bescheidenheit“, wie er sagt. Man wollte keine Architektur-Ikone schaffen, sondern gemeinsam mit den Architekten einen klugen Museumsbau entwickeln, der letztendlich in seiner Funktionalität besticht. „Sagen wir es so: Weniger Designerstück denn bequemes Sofa – ein offenes, nicht elitäres, die Menschen einladendes Gebäude.“

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Neuer Selfie-Hotspot

Die Öffnung zum öffentlichen Raum hin war ein wichtiger gestalterischer Ansatz des Projektes. Eine Plaza mit Gastro-Konzept und Schanigarten vor dem Haus soll dem Raum zu neuer Qualität verhelfen und – ähnlich wie beim Wiener Museumsquartier – zum Tummelplatz für Caffe-Latte- und Aperol-Schlürfer machen. „Das Museum wird den StadtbewohnerInnen sozusagen die Hand reichen und sich zum Karlsplatz hin öffnen“, versprechen die Architekten. „Dementsprechend wird der Eingangsbereich großzügig gestaltet.“ 

Das Museum wird den StadtbewohnerInnen sozusagen die Hand reichen und sich zum Karlsplatz hin öffnen.

Architekten Certov, Winkler + Ruck

Auch das neue gläserne Foyer vor dem ehemaligen Eingangsbereich soll die Öffnung nach Außen vollziehen und mit multifunktionaler Bespielung die Neugier von Passanten und Besuchern wecken. Die hochgelegene Terrasse im Fugengeschoß wird zum öffentlichen Raum erklärt und frei zugänglich sein. Sie eröffnet ganz neue Ausblicke auf die barocke Karlskirche und über weite Teile der Stadt. Dass das Wien Museum damit als neuer Selfie-Hotspot in die Reiseführer und Travel-Portale eingehen wird, ist wohl vorprogrammiert.

Polemik um Karlskirche

Mit der gewonnenen Höhe und Präsenz des neuen Bauwerks sieht Bunzl eine Gleichwertigkeit gegenüber den Gebäuden westlich der Karlskirche hergestellt. „Das dient letztendlich auch der Karlskirche. Sie hatte bislang einen zu schüchternen und bescheidenen Nachbarn und damit auch der Karlsplatz einen schwachen nordöstlichen Parkabschluss“, konstatiert der Direktor.

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Eine Ansicht, die nicht von allen geteilt wird. Vor allem die geplante Aufstockung des benachbarten Zürich-Gebäudes, das dem Sakralbau sehr nahe kommt, sorgte in Teilen der Bevölkerung für Protest. Die Initiative „Rettet die Karlskirche!“ will diesen vertikalen Ausbau – für den andere Architekten und Bauherren verantwortlich sind – verhindern.

Deutlich höhere Besucherzahlen erwartet

Seit Frank Gehry mit seinem Guggenheim-Museum der baskischen Hauptstadt zum wirtschaftlichen Aufschwung verholfen hat, gelten monumentale Museumsbauten als regionaler Wirtschaftsmotor – wie zuletzt auch Krems gezeigt hat. Bunzl hofft ebenfalls auf die internationale Signalwirkung und rechnet aufgrund der wesentlich größeren Ausstellungsfläche auch mit „deutlich höheren Besucherzahlen“.

Doch die Besucher werden sich noch etwas gedulden müssen. Seit seiner Schließung im Februar 2019 wurde der Haerdtl-Bau ausgeräumt und entkernt. Die Bauarbeiten sollen im Sommer 2020 beginnen und bis voraussichtlich 2023 andauern. Bleibt zu hoffen, dass die Wiener die „fette Matratze“ bis dahin lieb gewonnen haben.

Text: Gertraud GerstRenderigs: Certov, Winkler + Ruck

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