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Ein Holzhaus für die Nachwelt

Der erste Blick am Morgen fällt durch die gläserne Innenfassade des Schlafzimmers – durch den tiefer gelegten Wohnraum hindurch – auf den See. Das Lakehouse am Teupitzer See, südlich von Berlin, macht den Durchblick zur Maxime. „Das Haus bezieht sich ganz auf den See – und sich selbst“, beschreibt es Hannelore Kaup.

Die Berliner Architektin hat für ein Unternehmerpaar ein Wohnhaus geschaffen, das sich sensibel in die Landschaft einfügt und alle Kriterien der Nachhaltigkeit erfüllt. Es ist in Holztafelbauweise errichtet und kommt ganz filigran daher, mit klassisch-moderner Geste. Anstatt der Architektur einen festgelegten Stempel aufzudrücken, steht Kaup für einen Stil, der sich jedem Projekt intuitiv und feinsinnig annähert.

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Die Wohnhäuser ihres Büros Hannelore Kaup Architekten sind Ikonen der Gegenwart und wurden – wie das skulpturale Landhaus Sacrow – zu den "Besten Einfamilienhäusern“ des deutschsprachigen Raums gewählt. Der hohe Anspruch der Architektin zeigt sich nicht nur in ihrer gestalterischen Arbeit, sondern auch in ihrer kompromisslosen Schonung von Ressourcen. Wie dieser Anspruch konkret aussieht, erklärt Hannelore Kaup am Beispiel Lakehouse.

Das Projekt Lakehouse ist in Holzbauweise errichtet. Was waren die Überlegungen zur Wahl dieses Baustoffes?

Hannelore Kaup: Zum einen waren es gestalterische Überlegungen. Das Gebäude sollte sich perfekt in die Natur einfügen, die geprägt ist von den für Brandenburg typischen hochstämmigen Kiefern. Die Holzstruktur des Lakehouse ist aus Kiefernholz und im Inneren sichtbar. Somit ist der Bezug nach außen zur Landschaft nachvollziehbar. Auch Dach und Wände des Hauses sind aus regional verfügbarem, heimischem Kiefernholz, einem nachwachsenden Rohstoff aus der Umgebung. Daneben gab es auch tektonische und baupraktische Überlegungen zum Baustoff Holz.

Welche Überlegungen waren das?

Durch die Holzbauweise und die Konzentration auf die notwendigen Elemente – auf ein Kellergeschoss wurde zum Beispiel verzichtet – wiegt das Gebäude etwa die Hälfte eines konventionellen Einfamilienhauses in Massivbauweise. Die Produktion erfolgte ‚on demand‘, der Transport und die Baustellenlogistik waren exakt planbar, und der Einbau erfolgte direkt und ohne Zwischenlagerung. Der hohe Grad an Vorfertigung beschleunigt zudem das Bauen. In diesem Fall betrug die Bauzeit etwa 30 Wochen bis zur Fertigstellung.

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Gute Architektur hat eine Art einbeschriebenes Narrativ – ohne laut zu sein oder zu sprechen.

Hannelore Kaup, Architektin

Holz ist ein Material, das arbeitet und sich bewegt. Wie verträgt sich ein Holzbau mit so großen Glasflächen?

Die geschosshohen Verglasungen waren eine der ingenieurmäßigen Herausforderungen des Projektes. Die Holzstruktur des Daches senkt sich je nach saisonaler Temperatur und Luftfeuchtigkeit bis zu 15 Millimeter ab. Wir haben das in Zusammenarbeit mit der ausführenden Fassaden-Firma durch ein sogenanntes Loslager gelöst, das diese Höhenschwankungen ohne Glasbruch aufnimmt.

Das Gebäude ist nahezu energieautark und lässt sich von der Nachwelt sortenrein recyceln. Waren das Vorgaben der Bauherren oder Teil Ihres Entwurfskonzeptes?

Ein freistehendes Einfamilienhaus ist an sich eine energetisch ineffiziente Hausform, da der Grundstücksverbrauch hoch und das Hüllfläche-Volumen-Verhältnis ungünstig ist. Da ist es für uns selbstverständlich, nach allen Möglichkeiten der Energie-Effizienz und -Autarkie sowie der Ressourcenschonung zu suchen, unabhängig davon, ob die Bauherren mit dem entsprechenden Wunsch auf uns zukommen oder nicht. Beim Lakehouse war das Bauherrenpaar vom Niedrigtemperatursystem der Heizungsanlage, basierend auf Erdsonden, von Anfang an angetan.

Welche Vorteile bietet das System?

Die Fußwärme macht es sehr behaglich. Es ist sehr energieeffizient und bietet auch die Möglichkeit der Bauteilkühlung im Sommer, das lässt sich einfach umswitchen. Das eher träge System und die lange Aufheizzeit wären früher für ein temporär genutztes Haus problematisch gewesen. Dank Smarthome-Technologie ist das heute unproblematisch.

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Bei der Beschreibung eines anderen Projektes zitieren Sie Gropius: „Gestalten heißt: in Fesseln tanzen“. Was waren die Fesseln beim Projekt Lakehouse?

Die Vorgabe der Genehmigungsbehörde, auf dem Grundstück im Außenbereich eine bestimmte Geschossflächenzahl nicht zu überschreiten, also den „Fußabdruck“ klein zu halten, war zunächst schwer mit der Projektidee in Einklang zu bringen. Es erforderte Reduktion und auch viel Überzeugungsarbeit. Und natürlich war das Budget für ein individuelles Einzelstück mit hochwertiger Ausstattung, Stahlfenstern und Sonderformaten knapp, konnte aber eingehalten werden.

Machen mehr oder weniger Fesseln die gestalterische Arbeit „einfacher“?

Vorgaben von Bauherren in funktionaler Hinsicht sowie bestimmte gestalterische Wünsche brauchen wir zu Beginn der Arbeit. Wenn ein Bauherr etwa im Gespräch mit den Händen immer ein Dreieck formt, wenn er „Haus“ sagt, dann braucht er vielleicht auch etwas Beschützendes. Aber das ist nicht gleichbedeutend damit, dass er ein Satteldach und kein Flachdach will. Entwerfen ist ein iterativer Prozess, manchmal greift man später wieder auf den Anfang zurück, verfolgt einen zweiten Ansatz, ohne dabei alles auf dem Weg zu verlieren, was man bis dahin gemeinsam erarbeitet hat. Am Ende muss der Entwurf sitzen, der Bauherr sein Haus wollen und verstehen, und wir müssen wissen, dass es gut ist, das zu bauen. Das heißt: Fesseln in Form von Bedarf, Struktur, Anforderungen und Wünschen sind hilfreich, gestalterische Setzungen ohne Sinnzusammenhang blockieren den Prozess.

Die Formensprache von Lakehouse wirkt klassisch modern. Eine Zuschreibung, die Sie teilen?

Richtig ist sicher, dass wir versuchen, nur die wesentlichen Dinge sichtbar zu machen. Ein Gebäude sollte von Schnickschnack befreit sein – auch von technischem wie Wasserüberlaufkästen, die die Fassade dominieren, oder Verblechungen, die plötzlich zur dominanten Schirmmütze werden. Wir versuchen die Kubaturen als solche in Erscheinung treten zu lassen. Beim Lakehouse galt es, im Detail die filigrane und klare Struktur zu erhalten. Die Dachränder etwa sollten so schmal als möglich gehalten sein. Ein hervorragender Zimmer- und Dachdeckerbetrieb machte dies in vorbildlicher Zusammenarbeit möglich und setzte die Details perfekt um.

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Ob privates Wohnhaus oder öffentliches Großprojekt, was macht gute Architektur aus?

Gute Architektur braucht Klarheit und Angemessenheit in Bezug auf die Bauaufgabe, ebenso Materialgerechtigkeit und nachvollziehbare Tektonik. Sie hat Eigenständigkeit und eine Art einbeschriebenes Narrativ – ohne laut zu sein oder zu sprechen.

Der Entwurf Meta-Design in Berlin Kreuzberg aus dem Jahr 1995 könnte von seinem nachhaltigen Energiekonzept her genauso gut eine Einreichung der Gegenwart sein. War ökologisches Denken schon immer Teil Ihrer Arbeit?

Ich interessiere und beschäftige mich seit dem Studium mit energieeffizientem Bauen und nachhaltiger Architektur, unter anderem im Rahmen eines Dozentenauftrages an der TU Darmstadt. Im eigenen Büro verfolge ich seit 1997 sowohl im Entwurf als auch bautechnisch die Prinzipien der Energie-Einsparung und den sorgsamen Umgang mit Ressourcen. Im Bestand geschieht dies etwa, indem wir zum Beispiel einen geplanten Abriss verhindern und Bauherren für das Vorhandene begeistern. So retten wir bereits gebundene Energie in eine neue Dekade, auch wenn der Umgang mit Bestand oft aufwändiger ist als Abriss und Neubau.

Wie wichtig ist nachhaltiges Bauen für die Zukunft unseres Planeten?

Wie wir alle wissen, ist die Erderwärmung keine Meinungsfrage sondern eine empirische Tatsache. Die Klimaziele 2030 sind noch 9 Jahre entfernt – das ist sehr greifbar!

Der Gebäudebereich macht fast 40% des Primärenergieverbrauches aus, der größte Anteil sind naturgemäß Bestandsgebäude. Das Problem ist, wir kommen derzeit nicht nach, auch da nicht, wo wir bereits wissen, wie es geht, und das Instrumentarium bereitsteht. 

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Woran liegt das?

Es soll hier um echte Veränderung gehen, daher muss man die großen Posten anfassen. Das sind nach meiner Auffassung nicht die letzten Nachkommastellen im Bereich Neubau, der ohnehin unter Kontrolle stattfindet, sondern die enormen Energieverluste im Gebäudebestand. Für die Erreichung der Energie- und Klimaziele sind vor allem die energetische Sanierung und die Umstellung älterer Gebäude auf eine nachhaltige Wärmeversorgung wichtig. Wir haben in Deutschland etwa 19 Millionen Wohngebäude, davon circa 16 Millionen Ein- und Zweifamilienhäuser – aber insgesamt nur knapp eine Million Wärmepumpen in Betrieb. Schon daran kann man sehen, wieviel alten Gebäudebestand wir mit uns rumschleppen. Die Sanierungsschlagzahl muss von derzeit circa ein Prozent pro Jahr deutlich steigen, denn alle Erkenntnisse helfen nichts, wenn sie nicht umgesetzt werden.

Fehlt es an der gesetzlichen Grundlage?

Nein, mit dem GEG (Anm: Gebäudeenergiegesetz) ist ein gesetzlicher Rahmen vorhanden. Vielmehr haben wir hier ein Informationsdefizit, und es fehlen ausführende Organe, die die Einhaltung im Gebäudebestand überprüfen. Es ist doch in der Praxis so, dass viele Gebäudebesitzer nicht wissen, dass in bestimmten Fällen die energetische Sanierung Pflicht ist, unabhängig davon, ob sie grade Hand an Ihr Haus anlegen möchten oder nicht. Bestimmte ineffiziente Heizkessel etwa dürfen seit 2021 nicht mehr betrieben werden, egal, ob sie noch funktionstüchtig sind oder nicht.

Welche Verantwortung kommt hier dem Architekten zu?

Wir sind alle gesetzlich verpflichtet, im Rahmen unserer jeweiligen Möglichkeiten, dem Klimawandel entgegenzuwirken. Ein erheblicher Teil der Zusatzkosten für besondere Maßnahmen wie etwa Geothermie wird gefördert, nicht nur durch günstige Kredite wie in der Vergangenheit, sondern durch erhebliche Tilgungszuschüssen, die man kennen und nutzen sollte.

Interview: Gertraud Gerst Fotos: Andrew Alberts, Hannelore Kaup Architekten

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