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Kunst, die Emotionen transportiert: Erleben Sie Robert Motherwell im Bank Austria Kunstforum Wien

Was erwartet eine:n bei einer Ausstellung von Werken des abstrakten Expressionismus? Diese Frage habe ich mir gestellt, als ich mich auf meinen Ausstellungsbesuch von Robert Motherwell – Pure Painting im Bank Austria Kunstforum Wien vorbereitet habe. Meine Recherche hat mich mit einem mulmigen Bauchgefühl zurückgelassen, denn ich bin auf ein paar ziemlich dunkle, düstere Werke gestoßen. Im Kunstforum angekommen, wurde ich aber sofort eines Besseren belehrt: Abstrakter Expressionismus kann vieles sein. Düster. Dunkel. Aber auch farbenfroh. Um Robert Motherwell also vollumfassend beurteilen zu können, muss man ihn gesehen haben.

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Was gibt es in der Ausstellung Pure Painting zu sehen?

Ich gehe also in die Ausstellung, die rund 40 repräsentative Arbeiten Motherwells zeigt. „Wir begeben uns mit der Ausstellung auf ein Terrain, das in Österreich nicht wirklich vorbereitet ist“, verrät mir Evelyn Bensch, eine der beiden Kuratorinnen der Ausstellung. Seit 1976 ist es nämlich die erste Retrospektive zum Werk des amerikanischen Künstlers in Österreich und seit 1998 überhaupt die erste in Europa. Auch sonst findet man nur wenige Werke des Großmeisters des abstrakten Expressionismus in österreichischen Museen und Galerien. Die Ausstellung ist damit eine wahres Juwel für Kunstliebhaber:innen, denn sie ermöglicht einen Blick auf Werke, die man hierzulande nur selten zu Gesicht bekommt.

Was ist Expressionismus?

Bevor wir in die Welt von Robert Motherwell eintauchen, beginnen wir mit einem kleinen Kunst-Einmaleins. Denn ich habe mich gefragt: Was versteht man überhaupt unter Expressionismus? Der Begriff kommt vom lateinischen Wort „expressio“, also Ausdruck. Und genau darum geht es in dieser Kunstströmung: dem seelischen Zustand Ausdruck zu verleihen und Emotionen in Kunst zu offenbaren. Die Stilrichtung ist der Moderne zuzuordnen und nahm ihre Anfänge im ausgehenden 19. Jahrhundert in Europa.

Ich denke, die sogenannte ‚Abstraktheit‘ der modernen Kunst hat nichts damit zu tun, dass es um abstrakte Dinge geht, sondern dass es eine Kunst ist, die wirklich in der Tradition der französischen symbolistischen Dichtung steht, das heißt, eine Kunst, die es ablehnt, alles auszubuchstabieren. Es ist eine Art Kurzschrift, in der sehr viel einfach nur angenommen wird.

Robert Motherwell, 1960

Die New York School und der abstrakte Expressionismus

Eine zweite, bedeutendere Strömung des Expressionismus entstand in den 1940er-Jahren: der abstrakte Expressionismus. Diese Malerei nahm ihre Anfänge, als die europäischen Surrealist:innen das von den Nazis besetzte Frankreich verließen. Die emigrierten Intellektuellen bildeten in New York eine Enklave, wo sie mit jungen, amerikanischen Künstler:innen zusammentrafen. So entstand unter gegenseitiger Beeinflussung diese neue Form der Kunst, bei der vor allem die Abstraktion aus dem Gefühl heraus im Fokus steht und die heute als erste originär amerikanische Kunst der Nachkriegszeit gilt. Zu den wichtigsten Vertreter:innen zählen Jackson Pollock, Clyfford Still, Barnett Newman, Franz Kline und nicht zuletzt Robert Motherwell. Die Szene, die sich damals in USA bildete, ist seither als New York School bekannt. 

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Elegies to the Spanish Republic

Eine der wichtigsten Werkgruppen Motherwells ist die „Elegies to the Spanish Republic“, die ihn ab den späten 40er-Jahren bis zu seinem Tod immer wieder beschäftigte. Einige der Elegies finde ich in der Ausstellung. In diesen Bildern erkenne ich die dunklen Malereien wieder, die ich zuvor schon bei meiner Recherche entdeckt hatte. Die finstere Farbwelt der Elegies ergibt dank Evelyn Beneschs Erklärung nun auch Sinn: „Wie auch schon Picasso mit Guerinca nutzte Motherwell mit den Elegies die Kunst als Mittel, um sich mit dem Spanischen Bürgerkrieg von 1936-39 auseinanderzusetzen. Die Malereien mit dem Formenvokabular von großen, schwarzen Ovoiden und Balken auf hellem Grund waren für Motherwell eine Metapher für die Grausamkeit, die Ungerechtigkeit und das Verbrechen an der Menschlichkeit.“ Auch wenn dieser Zusammenhang vielleicht nicht für jede:n auf den ersten Blick erkennbar ist, verfehlen die Elegies nicht ihre Wirkung: Sie lösen Gefühle in mir aus.

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Kill your darlings

Der US-amerikanische Schriftsteller und Nobelpreisträger William Faulkner hat einmal gesagt „In writing, you must kill all your darlings.“ Als Journalistin ist mir dieser Spruch bekannt. Er besagt, dass man sich von Floskeln oder ganzen Sätzen trennen soll, wenn diese nichts zur Geschichte beitragen, auch wenn sie noch so schön klingen. Ich hätte allerdings nicht gedacht, dass das „Töten“ von Liebgewonnenem auch bei Robert Motherwell Usus war. „Er stellte seine Malerei immer wieder in Frage und war stets auf der Suche nach einer besseren Möglichkeit, um die Emotionen zu transportieren. Er wollte zu etwas kommen, was er selbst als ‚pure painting‘ - also reine Malerei – bezeichnete. Deshalb heißt diese Ausstellung auch so“, erklärt Benesch. Zu diesem Zweck überarbeitete und übermalte er einzelne Bilder immer wieder, teilweise sogar, nachdem sie bereits ausgestellt wurden.

Im Wesentlichen arbeite ich mit Revisionen. Es kommt nur sehr selten vor, dass ich ein Bild von Anfang bis zu Ende male, und das war’s dann; tatsächlich fange ich erst mal an, dann gibt es Teile, die ich beibehalten möchte, und andere Teile, die mir nicht gefallen und die ich revidiere. Manchmal ist es sogar der größere Teil des Bildes, den ich revidiere, und bei den meisten meiner seriöseren Bilder denke ich, dass sie das Ergebnis unendlich vieler Revisionen sind.

Robert Motherwell, 1964

Bis zu seinem Tod 1991 bearbeitete er das Thema der Elegies immer wieder, ohne jemals sicher zu sein, ob er die Letztform schon gefunden hat oder je finden wird. Die Formsprache der Ovoide und Balken, mal mit mehr, mal mit weniger Farbe gemischt, entwickelte sich zum Generalbass von Motherwells Werken und der Schwarz-weiß-Akkord zu seinem Markenzeichen. Doch auch farbenfrohere Werke finden sich in der Ausstellung Pure Painting, etwa im Zyklus der sogenannten „Opens“.

Opens

Der Zyklus der Opens beschäftigte Motherwell von 1967 bis 1981 in über 200 Arbeiten. Im Gegensatz zu den Elegies sind diese Bilder deutlich minimalistischer und zurückgenommen im Ausdruck. Der Künstler spielt in diesen Werken mit dem Bild-Grund und dem Nicht-Bild-Grund. Mir persönlich gefallen die subtilen Farbspiele, beispielsweise mit verschiedenen Blautönen, die nur von einfachen, mit Kohle gezeichneten Linien unterbrochen werden, besser als die Elegies. Die Arbeiten seien aber keineswegs weniger von Emotionen aufgeladen, wie mir Evelyn Benesch erklärt. Ein besonders großes Bild trägt beispielsweise den Namen „Rothko Elegy“ und wurde von Motherwell in Gedenken an seinen verstorbenen Freund und Künstler-Kollegen Mark Rothko gemalt.

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Worauf Sie sich noch freuen dürfen

Robert Motherwell nur als Künstler abzutun, wäre bei Weitem verfehlt. Er war an Philosophie und Literatur interessiert und begann neben diesen beiden Studienrichtungen später auch ein Studium der Kunstgeschichte. „Wer sich mit seinen Werken befasst, kann darin viele Referenzen zu James Joyce ‚Ulysses‘ finden“, so Benesch. Neben seiner Tätigkeit als begnadeter Künstler war er auch als Lehrer und Herausgeber aktiv. Er beteiligte sich an der Übersetzung kunsttheoretischer Schriften der europäischen Moderne ins Englische, etwa von Dada, Mondrian oder Apollinaire. „Man kann sich das heute gar nicht mehr vorstellen, aber damals waren diese Übersetzungen unheimlich wichtig, um diese Literatur für Menschen zugänglich zu machen. Darum hat er diese Schriften auch in einer günstigen Taschenbuchvariante produziert, sodass sich das jede:r leisten kann“, erklärt Benesch. Einige dieser Druckwerke können Sie in der Ausstellung bewundern – und noch viele weitere expressionistische, emotionale und farbstarke Werke.

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Wann? 12.10.2023-14.01.2024

Wo? Bank Austria Kunstforum Wien
Freyung 8
1
010 Wien

Öffnungszeiten: Täglich 10 bis 19 Uhr
Feiertags geöffnet

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