Mehr als nur Pop Art: Kiki Kogelnik im Bank Austria Kunstforum Wien
„Andy Warhol nur in weiblich“ oder „Österreichs einzige Pop-Art-Künstlerin“ - diese Schlagworte spuckte mir Google als Erstes aus, nachdem ich eine kurze Recherche machte, um mich für den Besuch der neuen Ausstellung „Kiki Kogelnik – Now Is the Time“ im Bank Austria Kunstforum Wien vorzubereiten. Umso mehr überraschte mich Lisa Ortner-Kreil, die Kuratorin der Ausstellung, als sie meinem Kollegen und mir gleich zu Beginn erläuterte, dass sie mit der Ausstellung vor allem eines möchte: verdeutlichen, dass Kiki Kogelnik (1935-1997) weit mehr war als „nur“ eine Pop-Art-Künstlerin. Damit hieß es für mich: über Bord mit meinen Recherchen und eintauchen in die bunte Welt von Sigrid „Kiki“ Kogelnik.
Schon zu Beginn der Ausstellung wird die große Bandbreite von Kogelniks Werken in einem krassen Kontrast zwischen zwei Arbeiten veranschaulicht. Auf der einen Seite bewundern wir bunte Köpfe aus Murano-Glas, die zu den späten Werken Kogelniks kurz vor ihrem Tod 1997 mit nur 62 Jahren gehören. Weiter hinten im Raum blicken wir indes auf ein größeres Bild, das im Vergleich doch fast ein wenig schaurig wirkt.
Die Ausstellung soll Kiki Kogelnik in ihrer Gesamtheit zeigen.
Eine Kosmopolitin ihrer Zeit voraus
Dass sich die politischen Gegebenheiten und Konflikte ihrer Zeit stark im Wandel von Kogelniks Werken widerspiegeln, veranschaulicht die chronologisch aufgebaute Ausstellung sehr gut. So befinden sich im zweiten Raum frühe Arbeiten aus Kiki Kogelniks erster Einzelausstellung in der Galerie St. Stephan in Wien. Dort stellte sie aus, noch bevor sie in New York mit der Pop-Art-Bewegung in Berührung kam, der sie heute so gerne zugeordnet wird. Schon auf diesen Gemälden erkennt man ihr Faible für große Formate, kräftige Farben und Formen, wenngleich die Bilder noch sehr abstrakt sind. Wenn Sie genau hinsehen, können Sie auf drei Bildern jedoch schon den Übergang von ihrer abstrakten hin zu ihrer Malweise der 60er Jahre mit Körpern, Punkten und Outlines erkennen.
„Diese drei Bilder gehören zu einer Serie von Arbeiten, in der sie sich mit Marylin Monroe auseinandersetzt“, verrät Ortner-Kreil. Ich hatte mit vielem gerechnet - in dieser Einzelpräsentation auf Marilyn Monroe zu stoßen, jedoch nicht. Lisa Ortner-Kreil erzählt, dass sich rund um den Tod der Leinwandgöttin 1962 viele Künstler:innen wie etwa Andy Warhol mit dem Mythos und dem massenmedialen Image rund um Monroe beschäftigten. Kogelnik thematisierte die Objektifizierung von Frauen, indem sie körperliche Attribute wie Brüste, Hüften oder Oberschenkel in ihre damals noch abstrakte Malweise einfließen ließ. Im selben Jahr wie Monroes Tod zog Kogelnik nach New York und lebte damals schon ein Leben, wie es heute noch viele Kunstschaffende tun – fortan als Kosmopolitin mit Lebensmittelpunkten an mehreren Orten. Das ist ein Punkt, der Lisa Ortner-Kreil an Kogelnik besonders beeindruckt, wie sie uns im Interview verraten hat:
Eine Zeitreise - spielerisch, farbenfroh und hochpolitisch
Nach dem Umzug nach New York folgten eine Neuorientierung in ihrem künstlerischen Werk und damit die wohl bekanntesten Arbeiten Kogelniks, die auch das Herz der Ausstellung bilden. So finden wir uns nun in einem Raum wieder, der vor knalligen Farben nur so strotzt. In der schrillen Farbauswahl, den wilden Kombinationen aus Pink mit Grün oder Blau mit Gelb sowie den Punkten und Outlines zeigt sich auch der große Einfluss der Pop Art auf Kogelniks Kunst. Trotz der farblichen Vielfalt und der positiven Aura, die diese Werke verströmen, verarbeitete Kogelnik immer auch kritisch aktuelle Themenstellungen - die teilweise bis heute relevant sind.
Die 60er Jahre
Fluch oder Segen? Fortschritt oder Bedrohung? Während diese Fragen aktuell häufig in der Debatte rund um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) gestellt werden, zeigte Kiki Kogelnik schon zu einem frühen Zeitpunkt in den 60ern eine Faszination für Robotik und Space Art. Die kritische Auseinandersetzung mit neuen Technologien und der Auswirkung dieser auf die Gesellschaft zeigt sich etwa in Arbeiten wie dem Roboter „Lover Boy“ oder einem schwarzen Telefonhörer, der auf einer ausgeschnittenen, schwarzen Hand montiert ist. „Es ist, als wäre der Hörer eine Prothese des Körpers“, meint Ortner-Kreil. Und sie hat recht: Die Figur erinnert an die heutigen Smartphones, die manchmal wie eine Verlängerung unseres Armes wirken. Kiki Kogelnik vertrat mit ihrer Kunst nicht nur gegenüber dem technischen Fortschritt eine kritische Haltung, sondern auch gegenüber der Medizin und der Diagnostik. So finden sich im Herzen der Galerie auch Arbeiten, auf denen fragmentierte, zerrissene oder kaputte Körper sichtbar sind oder Körper und technisches Gerät gar zusammengeführt werden.
Am beeindruckendsten waren für mich die sogenannten „Hangings“. Die ausgeschnittenen Figuren, welche von Kogelnik auf Kleiderbügeln aufgehängt wurden, zählen nicht umsonst zu ihren bekanntesten Werken. Im ersten Moment rufen sie aufgrund der Farbwahl positive Gefühle bei mir hervor, doch die Kuratorin weist uns auch hier auf den feministischen Unterton hin. Denn Kogelnik wählte die Kleiderbügel nicht zufällig. Auf der einen Seite kritisierte sie damit die Darstellung der Frau und die ihr von der Gesellschaft zugewiesenen Rollen vorwiegend im häuslichen Umfeld, andererseits dienten die Kleiderbügel auch als Symbol. Denn bis heute werden diese mancherorts noch für Abtreibungen verwendet, wenn Frauen die Option dazu auf legalem Weg verwehrt wird.
Die 70er Jahre
Obwohl sich Kiki Kogelnik selbst nicht als feministische Künstlerin bezeichnete, setzte sie sich in ihrer Kunst kritisch mit dem Frauenbild auseinander. Beeinflusst von der Frauenbewegung der 70er Jahre sind ihre Arbeiten aus dieser Zeit gekennzeichnet von großformatigen Bildern. Diese sehen auf den ersten Blick aus wie Cover von Modemagazinen. Bei genauerem Hinsehen wirken die Frauen aber fast wie Geister mit weißer Hautfarbe und Gesichtern, die auf geometrische Formen reduziert sind.
Aus dieser Zeit stammt auch das düstere Bild aus dem ersten Raum: „The Painter“ zeigt die schwarze Silhouette einer Frau, die einen Pinsel mit roter Farbe vor ihrem Geschlecht hält. Dass es sich um einen Pinsel handelt, war mir erst klar, nachdem Ortner-Kreil uns darauf hingewiesen hat – denn durch die rote Farbe erinnert der Pinsel auch an ein Messer. „Nach der Geburt ihres Sohnes 1967 muss sich Kogelnik als Frau, als Künstlerin und als Mutter künstlerisch erst wiederfinden. Die rote Farbe unterstreicht die weibliche Schöpfungskraft und wird durch den Pinsel mit der künstlerischen Schöpfungskraft gleichgeschalten“, erklärt Ortner-Kreil. Auch der Titel sei absichtlich gewählt, denn „The Painter“ ist weder weiblich noch männlich. Diese typische Ambivalenz zieht sich durch die Werke der 70er Jahre, in der die Frauen oft kämpferisch dargestellt werden. Mitte der 70er Jahre erweiterte Kogelnik ihre Ausdrucksform und experimentierte fortan auch mit Keramik.
Die 80er Jahre
Die Frauenkörper blieben bis zum Ende ihrer Lebzeit ein wesentlicher Bestandteil von Kogelniks Arbeiten. In den 80er Jahren gesellten sich zu den Frauen auf den Bildern auch Tiere wie Frösche, Schnecken, Schlangen, Spinnen, die als Protagonisten aus ihrem natürlichen Habitat entgrenzt vorkommen. Der Fokus lag in den späten 70er und 80er Jahren jedoch vor allem auf Keramik. So finden sich im vorletzten Raum unter anderem ein kleinteiliges Keramik-Alphabet mit 26 Gegenständen oder Köpfe aus Keramik, die stark an die Glasköpfe im ersten Saal erinnern. Zum Ende der 80er Jahre setzte sich Kogelnik zudem viel mit dem Tod und der Vergänglichkeit auseinander, was sich in ihren Werken in Form von Totenköpfen und Skeletten zeigt. Grund dafür ist unter anderem auch ihre Krebserkrankung, an der sie 1997 starb und ein Werk hinterließ, das bis heute zum Nachdenken anregt.
Mein Resümee
Nachdem wir das Bank Austria Kunstforum Wien verlassen haben, brauche ich erstmal eine Pause, um alle Eindrücke sacken zu lassen. Meinen Erwartungen wurde die Ausstellung mehr als gerecht: Es war bunt. Dass die Arbeiten Kogelniks so viel aussagen und sie schon damals Themen wie Feminismus, Gleichberechtigung, Digitalisierung oder auch medizinische Ethik in ihren Arbeiten aufgriff, war mir so allerdings nicht bewusst. Genau das ist es aber, was die Ausstellung so sehenswert macht – auch für Personen, die vielleicht nicht ganz so viel Vorwissen über Kunst mitbringen. Kiki Kogelnik muss man nicht „kennen“, um sie zu verstehen. Ihre Arbeiten sprechen eine Sprache, die für alle verständlich ist.
Wo können Sie Kiki Kogelniks Werke sehen?
Das Ausstellungsprojekt „Kiki Kogelnik – Now Is the Time“ ist eine Kooperation mit dem Kunstmuseum Brandts in Odense, Dänemark sowie dem Kunsthaus Zürich, wo die Schau nach der Station in Wien auch zu sehen sein wird. Die Ausstellung in Wien können Sie noch bis 25. Juni 2023 besuchen.
Adresse
Bank Austria Kunstforum Wien
Freyung 8
1010 Wien
Öffnungszeiten
Täglich von 10 bis 19 Uhr
Kontakt
T: (+43 1) 537 33 26
F: (+43 1) 537 33 27
E: office@kunstforumwien.at
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