Alte Wiener Handwerkskunst: Wieder Lust auf Keramik
Auf dem großen Arbeitstisch gleich neben dem Eingang des Ateliers in der Wiener Josefstadt stehen feine Schalen dicht an dicht. Anna Holly wird sie in den nächsten Tagen noch fertig bemalen und glasieren. Vor allem will sie noch einen Namen für die Serie finden. „Das Interesse an handgefertigter Keramik ist in den vergangenen Jahren enorm gestiegen“, sagt Holly, „der Trend geht weg von der Masse, hin zum individuell gemachten Stück, dessen Produzenten man kennt.“
Anna Holly („Hollyaroh“) präsentierte ihre neue Serie erstmals bei der Keramikmesse „Pots und Blitz“, die im September über die Bühne ging. Mit ihr stellten dort über 40 andere Keramiker und Keramikerinnen aus Österreich, Deutschland, Ungarn und anderen Ländern aus. Die Produzenten und Designer haben ganz unterschiedliche Stile – von feinstem, zart bemaltem Porzellan bis hin zu rauem, unregelmäßigem Steinzeug. „International sieht man, dass schon große Möbelhausketten handgefertigte Keramik verkaufen“, sagt sie, „in Österreich ist also noch viel Luft nach oben.“
Altes Handwerk
Ihr Handwerk hat Anna Holly in vielen Jahren in der Kunst- und Modeschule Herbststraße und der Keramikklasse der Universität für angewandte Kunst in Wien gelernt. Vor der Gründung ihres eigenen Betriebs, das war schon 2012, hat sie bei anderen Keramikbetrieben gearbeitet. Die Keramikklasse wurde vor ein paar Jahren aufgelassen, wenngleich das Interesse am Drehen, Gießen und Aufbauen sehr groß ist.
„Ich habe bereits eine lange Warteliste von Leuten, die bei mir gerne einen Töpferkurs machen möchten“, erzählt eine andere Keramikerin, Barbara Widhann. Die studierte Chemikerin hat in Neubau ihre Werkstatt und einen kleinen Verkaufsraum. Im Gegensatz zu ihrer Kollegin Anna Holly, die das Porzellan in Gipsformen gießt, arbeitet Widhann an der klassischen Töpferscheibe. Sie interessiert sich vor allem für die Form der Objekte. „Ich stelle Gebrauchsgegenstände her, die man gerne angreift“, sagt sie. „Derzeit sind vor allem matte, eher raue Stück ohne jeden Glanz sehr gefragt.“ Die Keramik-Stücke von Barbara Widhann sind schlichte Gebrauchsgegenstände. Durch die raue Haptik sollen sie gerne angegriffen werden.
Einzigartige Objekte
Jedes gefertigte Objekt ist dabei ein Unikat. Schon kleine Unterschiede beim Ausgangsmaterial Ton, beim Drehen an der Scheibe oder in der Brenntemperatur erzeugen auch kleine Unregelmäßigkeiten im fertigen Produkt. Ton verändert sich im Ofen – der Vorgang ist ähnlich wie beim Kuchenbacken. Und auch die Glasuren haben ihren individuellen Charakter. Vor allem, wenn sie selbst hergestellt werden, wie bei Romana Widder-Lunzer.
Die Autodidaktin – sie brachte sich das Töpfern mithilfe eines Buches selbst bei – produziert ihre Glasuren aus Holzasche. Je nachdem, von welchem Baum und von welchem Teil (Stamm, Äste, Blätter) die Asche stammt, wird auch die Farbe und Konsistenz der Glasur anders. „Mein Bruder ist Weinbauer, von ihm bekomme ich oft Weinreben, die sich für die Glasurherstellung bestens eignen“, sagt Romana Widder-Lunzer. „Wenn ein Kübel Mischglasur leer ist, dann ist es sehr schwierig, genau die gleiche Glasur wieder herzustellen. Dazu braucht es viel Erfahrung.“
In ihrem Atelier in der Leopoldstadt fertigt Romana Widder-Lunzer Schalen, Tassen, Vasen und Teller an. Ihre Objekte sind unter Food-Stylisten und Bloggern sehr beliebt. Wer ihr einen Besuch abstatten möchte und Stücke in Auftrag geben möchte, sollte sich vorher anmelden – ein klassisches Verkaufslokal hat sie nicht.