Wo Studenten im Seniorenheim wohnen
Allen Beteiligten ist jedoch eines wichtig: Die Senioren brauchen keine Pflegehelfer, es geht um den Austausch zwischen den Generationen. „In einer Informatik-Sprechstunde erkläre und helfe ich bei technischen Fragen. Wie werden etwa Bilder über WhatsApp an die Enkerln geschickt. Es ist schön, gebraucht zu werden und nebenbei erfahren ich vieles aus den bewegten Leben der Bewohner“, erklärt Wolf.
Ins Theater oder auf einen Kaffee zu gehen, miteinander plaudern – Dinge, die vor allem der sozialen Vereinsamung entgegenwirken können. Und das ist schon längst keine Frage der Generation mehr.
Keine Pflegefälle
„So richtig glauben können wir es noch nicht, aber es hat tatsächlich geklappt“: Wolf und Aurora sind vor Kurzem umgezogen. Gut, dass alleine ist keine Sensation. Etwas ungewöhnlich ist jedoch der Ort, an den das junge Studentenpaar übersiedelt ist: Es ist die Senioren-Residenz Josefstadt. Seit Anfang Oktober ist die noble Adresse am Hamerlingpark ihr neues Zuhause.
„Ich komme aus Italien, bei uns wohnen Jung und Alt oft gemeinsam in einem Haus. Es ist mir also nicht fremd“, sagt Aurora. „Als wir erfahren haben, dass es in Wien eine Organisation gibt, die Studenten und ältere Personen zusammenbringt, war für uns klar, dass wir das auch möchten. Es ist schön, Bezugspersonen in unserer Nähe zu wissen, die älter sind und uns an unsere Großeltern erinnern.“ Das lindere auch das Heimweh ein wenig.
Familien-Ersatz
Ihren neuen Wohnsitz verdanken Aurora und Wolf der Organisation WGE!, die ihnen die Wohnung vermittelt hat. Marlene Welzl, Lukas Hecke und Manuel Schuler sind die Gründer der Plattform. Als sie selbst zum Studieren nach Wien kamen, war leistbarer Wohnraum Mangelware, zudem fehlte allen Dreien der tägliche Austausch mit älteren Bezugspersonen aus der Familie. „Egal, ob im Studentenheim, im WG-Zimmer oder allein – solche Wohnsituationen sind naturgemäß wenig familiär. Also haben wir uns überlegt, wie wir eine leistbare sowie sozial verträgliche Alternative schaffen können“, sagt Manuel Schuler.
Per Mausklick zur WG
Mithilfe eines Fragebogens ermittelt ein eigens entwickelter Algorithmus, welche Paare am besten zueinander passen. Beim persönlichen Kennenlernen fällt die finale Entscheidung. Am Anfang wurden vorwiegend Zimmer in Privatwohnungen vermittelt, erklärt Hecke: „Senioren wohnen oft in Wohnungen mit leer stehendem Zimmer allein. Einige wünschen sich einen Wohnpartner, der da ist. Nebenbei erhalten sie Unterstützung im Alltag und die Studenten gewinnen eine ältere Ansprechperson sowie leistbaren Wohnraum.“ Mediatorische Schützenhilfe erhalten alle Beteiligten auch nach dem Umzug. WGE-Mitarbeiter begleiten die Wohngemeinschaften nach der Vermittlung.
Mittlerweile gibt es eine Kooperation mit dem Kuratorium der Wiener Pensionisten-Wohnhäuser, die ebenfalls freie Einheiten anbieten. Mit der Senioren-Residenz in der Josefstadt ist nun auch das erste privat geführte Wohnheim hinzugekommen: „Genau diese Generation hat in unserem Haus noch gefehlt. Neben den Senioren, den Kindern des Kindergartens und den Familien in den Eigentumswohnungen“, erklärt Direktorin Brigitta Hartl-Wagner.
Zusammenwohnen
Dass das Miteinander der Generationen in der Residenz Josefstadt bereits gut funktioniert, stellt Renate W. jede Woche unter Beweis. Die Bewohnerin liest im hauseigenen Kindergarten den Kleinen regelmäßig Geschichten vor. Und unter den Jüngsten ist die Vorlese-Oma schon längst ein Hit.
Dass es keine Fehlentscheidung war Wolf und Aurora einziehen zu lassen, wird spätestens beim Rundgang klar. Beide fühlen sich sichtlich wohl und die Senioren sind ohnedies begeistert.
Hinzu kommt: Es ist leistbar. Die beiden zahlen lediglich die Betriebskosten. Im Gegenzug müssen sie fünf Stunden pro Woche mit den Senioren verbringen.
Damit fiel 2016 auch der Startschuss für die Gründung von WGE!. Und so funktioniert’s: Studenten können sich online auf der Plattform (www.wge-wien.org) registrieren und für ein Zimmer oder eine Wohnung bewerben. Das klappt aber nur, wenn die Senioren ihre Zimmer ebenfalls online anbieten. Wobei sie telefonisch oder persönlich beraten werden können.